Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Der grossen und seligen nichts taugen, darauf sich seine Seele ver-geblich verlassen. Je tiefer diese Strahlen in ihn dringen, destomehr wird ihm ein Abgrund der Sünden nach dem andern aufgedecket. Er siehet das Gift der Erb- sünde, damit seine Seele so übel zugerich- tet. Er erblicket in seinem Herze den Schlangensaame zu allen bösen und verkehr- ten Wegen. Er erkennet die Rebellion, den Abfall und den Fluch, der in einer je- den Sünde lieget, die Menge seiner Ueber- trettungen, Abweichungen und Unlauter- keiten von seinen ersten Lebensjahren an, zeigen sich ihm nach und nach als in einer Schlachtordnung. Die erschreckliche Fol- gen derselben werden lebendig erkannt und gefühlt. Alle Entschuldigungen und Aus- flüchte, fallen mit den Feigenblättern aller eigener Gerechtigkeit und Gutheit weg, und der arme Sünder steht da in seiner Blöse, Nacktheit und Fluchwürdigkeit, und weiß nichts eigenes mehr, darauf er sich verlassen kann. Je tödlicher ihm nun seine Wunden werden, und je entblößter er sich von allem eigenen Guten siehet, desto heftiger erschrickt er über die nahe Gefahr, darinnen sich sei- ne Seele befindet, und desto tiefer wird er über sein unbegreifliches Verderben gebeu- get, man wirft sich im Geiste zu denen Füssen JEsu, und benetzet sie mit Thränen, man
Der groſſen und ſeligen nichts taugen, darauf ſich ſeine Seele ver-geblich verlaſſen. Je tiefer dieſe Strahlen in ihn dringen, deſtomehr wird ihm ein Abgrund der Suͤnden nach dem andern aufgedecket. Er ſiehet das Gift der Erb- ſuͤnde, damit ſeine Seele ſo uͤbel zugerich- tet. Er erblicket in ſeinem Herze den Schlangenſaame zu allen boͤſen und verkehr- ten Wegen. Er erkennet die Rebellion, den Abfall und den Fluch, der in einer je- den Suͤnde lieget, die Menge ſeiner Ueber- trettungen, Abweichungen und Unlauter- keiten von ſeinen erſten Lebensjahren an, zeigen ſich ihm nach und nach als in einer Schlachtordnung. Die erſchreckliche Fol- gen derſelben werden lebendig erkannt und gefuͤhlt. Alle Entſchuldigungen und Aus- fluͤchte, fallen mit den Feigenblaͤttern aller eigener Gerechtigkeit und Gutheit weg, und der arme Suͤnder ſteht da in ſeiner Bloͤſe, Nacktheit und Fluchwuͤrdigkeit, und weiß nichts eigenes mehr, darauf er ſich verlaſſen kann. Je toͤdlicher ihm nun ſeine Wunden werden, und je entbloͤßter er ſich von allem eigenen Guten ſiehet, deſto heftiger erſchrickt er uͤber die nahe Gefahr, darinnen ſich ſei- ne Seele befindet, und deſto tiefer wird er uͤber ſein unbegreifliches Verderben gebeu- get, man wirft ſich im Geiſte zu denen Fuͤſſen JEſu, und benetzet ſie mit Thraͤnen, man
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0132" n="80"/><fw place="top" type="header">Der groſſen und ſeligen</fw><lb/> nichts taugen, darauf ſich ſeine Seele ver-<lb/> geblich verlaſſen. Je tiefer dieſe Strahlen<lb/> in ihn dringen, deſtomehr wird ihm ein<lb/> Abgrund der Suͤnden nach dem andern<lb/> aufgedecket. Er ſiehet das Gift der Erb-<lb/> ſuͤnde, damit ſeine Seele ſo uͤbel zugerich-<lb/> tet. Er erblicket in ſeinem Herze den<lb/> Schlangenſaame zu allen boͤſen und verkehr-<lb/> ten Wegen. Er erkennet die Rebellion,<lb/> den Abfall und den Fluch, der in einer je-<lb/> den Suͤnde lieget, die Menge ſeiner Ueber-<lb/> trettungen, Abweichungen und Unlauter-<lb/> keiten von ſeinen erſten Lebensjahren an,<lb/> zeigen ſich ihm nach und nach als in einer<lb/> Schlachtordnung. Die erſchreckliche Fol-<lb/> gen derſelben werden lebendig erkannt und<lb/> gefuͤhlt. Alle Entſchuldigungen und Aus-<lb/> fluͤchte, fallen mit den Feigenblaͤttern aller<lb/> eigener Gerechtigkeit und Gutheit weg, und<lb/> der arme Suͤnder ſteht da in ſeiner Bloͤſe,<lb/> Nacktheit und Fluchwuͤrdigkeit, und weiß<lb/> nichts eigenes mehr, darauf er ſich verlaſſen<lb/> kann. Je toͤdlicher ihm nun ſeine Wunden<lb/> werden, und je entbloͤßter er ſich von allem<lb/> eigenen Guten ſiehet, deſto heftiger erſchrickt<lb/> er uͤber die nahe Gefahr, darinnen ſich ſei-<lb/> ne Seele befindet, und deſto tiefer wird er<lb/> uͤber ſein unbegreifliches Verderben gebeu-<lb/> get, man wirft ſich im Geiſte zu denen<lb/> Fuͤſſen JEſu, und benetzet ſie mit Thraͤnen,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [80/0132]
Der groſſen und ſeligen
nichts taugen, darauf ſich ſeine Seele ver-
geblich verlaſſen. Je tiefer dieſe Strahlen
in ihn dringen, deſtomehr wird ihm ein
Abgrund der Suͤnden nach dem andern
aufgedecket. Er ſiehet das Gift der Erb-
ſuͤnde, damit ſeine Seele ſo uͤbel zugerich-
tet. Er erblicket in ſeinem Herze den
Schlangenſaame zu allen boͤſen und verkehr-
ten Wegen. Er erkennet die Rebellion,
den Abfall und den Fluch, der in einer je-
den Suͤnde lieget, die Menge ſeiner Ueber-
trettungen, Abweichungen und Unlauter-
keiten von ſeinen erſten Lebensjahren an,
zeigen ſich ihm nach und nach als in einer
Schlachtordnung. Die erſchreckliche Fol-
gen derſelben werden lebendig erkannt und
gefuͤhlt. Alle Entſchuldigungen und Aus-
fluͤchte, fallen mit den Feigenblaͤttern aller
eigener Gerechtigkeit und Gutheit weg, und
der arme Suͤnder ſteht da in ſeiner Bloͤſe,
Nacktheit und Fluchwuͤrdigkeit, und weiß
nichts eigenes mehr, darauf er ſich verlaſſen
kann. Je toͤdlicher ihm nun ſeine Wunden
werden, und je entbloͤßter er ſich von allem
eigenen Guten ſiehet, deſto heftiger erſchrickt
er uͤber die nahe Gefahr, darinnen ſich ſei-
ne Seele befindet, und deſto tiefer wird er
uͤber ſein unbegreifliches Verderben gebeu-
get, man wirft ſich im Geiſte zu denen
Fuͤſſen JEſu, und benetzet ſie mit Thraͤnen,
man
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |