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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
armen Seelen nach wie vor in ihrem Ver-
derben, und Finsternissen, und werden
nichts oder wenig gebessert. Was ist der
Grund dieser übeln Aufführung? Gewiß
kein anderer, als dieser: Man meynt, das
seyen Zustände, die von ungefehr entstehen,
oder die ihren einigen Grund in dem ver-
derbten Zustande des Geblüts oder der Ge-
sundheit haben, man kennt die Absichten
und Ursachen nicht, die der HErr bey je-
der Anfechtung zum wahren Heil und Se-
gen der Seele hat. Es ist daher nöthig,
daß ein jeder Angefochtener folgendes zum
Nachdenken und Ueberlegung fasse. 1. Kei-
ne Anfechtung kann über einen Menschen
ohne göttliche Zulassung kommen, und ihm
wider den Rath und Willen des HErrn be-
gegnen, weil ohne seinen Willen kein Haar
von unserm Haupte fallen, vielweniger oh-
ne denselben einer Seele eine solche Angst
und Noth wiederfahren kann. 2. GOtt hat
bey allen solchen Anfechtungen und Proben,
die heiligsten und besten Absichten. Der
HErr sucht dadurch den Menschen aus der
Sicherheit, darinnen er bißhieher als ein
Trunkener ohne Nachdenken geschlafen, auf-
zuwecken, oder aus dem Lager und falschen
Ruhen aller eigenen Gerechtigkeit auszu-
treiben, ihn von der Sünde zu überzeugen,
und den bösen Grund des Herzens zu ent-

decken,

Der groſſen und ſeligen
armen Seelen nach wie vor in ihrem Ver-
derben, und Finſterniſſen, und werden
nichts oder wenig gebeſſert. Was iſt der
Grund dieſer uͤbeln Auffuͤhrung? Gewiß
kein anderer, als dieſer: Man meynt, das
ſeyen Zuſtaͤnde, die von ungefehr entſtehen,
oder die ihren einigen Grund in dem ver-
derbten Zuſtande des Gebluͤts oder der Ge-
ſundheit haben, man kennt die Abſichten
und Urſachen nicht, die der HErr bey je-
der Anfechtung zum wahren Heil und Se-
gen der Seele hat. Es iſt daher noͤthig,
daß ein jeder Angefochtener folgendes zum
Nachdenken und Ueberlegung faſſe. 1. Kei-
ne Anfechtung kann uͤber einen Menſchen
ohne goͤttliche Zulaſſung kommen, und ihm
wider den Rath und Willen des HErrn be-
gegnen, weil ohne ſeinen Willen kein Haar
von unſerm Haupte fallen, vielweniger oh-
ne denſelben einer Seele eine ſolche Angſt
und Noth wiederfahren kann. 2. GOtt hat
bey allen ſolchen Anfechtungen und Proben,
die heiligſten und beſten Abſichten. Der
HErr ſucht dadurch den Menſchen aus der
Sicherheit, darinnen er bißhieher als ein
Trunkener ohne Nachdenken geſchlafen, auf-
zuwecken, oder aus dem Lager und falſchen
Ruhen aller eigenen Gerechtigkeit auszu-
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[104/0156] Der groſſen und ſeligen armen Seelen nach wie vor in ihrem Ver- derben, und Finſterniſſen, und werden nichts oder wenig gebeſſert. Was iſt der Grund dieſer uͤbeln Auffuͤhrung? Gewiß kein anderer, als dieſer: Man meynt, das ſeyen Zuſtaͤnde, die von ungefehr entſtehen, oder die ihren einigen Grund in dem ver- derbten Zuſtande des Gebluͤts oder der Ge- ſundheit haben, man kennt die Abſichten und Urſachen nicht, die der HErr bey je- der Anfechtung zum wahren Heil und Se- gen der Seele hat. Es iſt daher noͤthig, daß ein jeder Angefochtener folgendes zum Nachdenken und Ueberlegung faſſe. 1. Kei- ne Anfechtung kann uͤber einen Menſchen ohne goͤttliche Zulaſſung kommen, und ihm wider den Rath und Willen des HErrn be- gegnen, weil ohne ſeinen Willen kein Haar von unſerm Haupte fallen, vielweniger oh- ne denſelben einer Seele eine ſolche Angſt und Noth wiederfahren kann. 2. GOtt hat bey allen ſolchen Anfechtungen und Proben, die heiligſten und beſten Abſichten. Der HErr ſucht dadurch den Menſchen aus der Sicherheit, darinnen er bißhieher als ein Trunkener ohne Nachdenken geſchlafen, auf- zuwecken, oder aus dem Lager und falſchen Ruhen aller eigenen Gerechtigkeit auszu- treiben, ihn von der Suͤnde zu uͤberzeugen, und den boͤſen Grund des Herzens zu ent- decken,

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/156>, abgerufen am 21.11.2024.