Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
Thaten der Gnade. II. Stück.

Da aber der HErr seinen Frieden und
Versöhnung, und also die wahre Ruhe der
Seelen dem Menschen nicht anders als in sei-
nem Sohn dem Heyland, und dem An-
theil an seiner blutigen Gerechtigkeit schen-
ken kann, der HErr JEsus aber einer Seele
nicht ehender nöthig werden kann, als biß
sie ihre Sünden mit der ganzen drückenden
Last, und den traurigen Folgen derselben
lebendig kennen und fühlen lernt, so ließ
nun der HErr nach diesen Vorbereitungen
je mehr und mehr die Morgenröthe der
Gnade in ihr aufgehen, um sie in derselben
alle Abgründe ihres natürlichen Verderbens
sehen zu lassen, und sie zu reitzen, mit ihren
Wunden und tödtlicher Seelenkrankheit zu
dem Arzt und seinen Wunden zu fliehen.
Es ist erstaunend! was der HErr hierinnen
an ihr gethan hat. Sie war eine Person,
von der man nicht sagen konnte, daß sie ei-
nen argen, und mit gar zu groben Aus-
brüchen befleckten Wandel geführet, aber
dessen ungeachtet lernte sie in dem göttlichen
Licht, und durch die Strahlen der himmli-
schen Erleuchtung nach und nach das sündli-
che Verderben nach allen Theilen, und die
unergründliche Tiefen derselben in ihr so
lebendig einsehen, daß sie einmahl gegen ih-
ren Lehrer sich hievon mit folgenden Wor-
ten ausgedrucket: Sie seye mitten in

der
J
Thaten der Gnade. II. Stuͤck.

Da aber der HErr ſeinen Frieden und
Verſoͤhnung, und alſo die wahre Ruhe der
Seelen dem Menſchen nicht anders als in ſei-
nem Sohn dem Heyland, und dem An-
theil an ſeiner blutigen Gerechtigkeit ſchen-
ken kann, der HErr JEſus aber einer Seele
nicht ehender noͤthig werden kann, als biß
ſie ihre Suͤnden mit der ganzen druͤckenden
Laſt, und den traurigen Folgen derſelben
lebendig kennen und fuͤhlen lernt, ſo ließ
nun der HErr nach dieſen Vorbereitungen
je mehr und mehr die Morgenroͤthe der
Gnade in ihr aufgehen, um ſie in derſelben
alle Abgruͤnde ihres natuͤrlichen Verderbens
ſehen zu laſſen, und ſie zu reitzen, mit ihren
Wunden und toͤdtlicher Seelenkrankheit zu
dem Arzt und ſeinen Wunden zu fliehen.
Es iſt erſtaunend! was der HErr hierinnen
an ihr gethan hat. Sie war eine Perſon,
von der man nicht ſagen konnte, daß ſie ei-
nen argen, und mit gar zu groben Aus-
bruͤchen befleckten Wandel gefuͤhret, aber
deſſen ungeachtet lernte ſie in dem goͤttlichen
Licht, und durch die Strahlen der himmli-
ſchen Erleuchtung nach und nach das ſuͤndli-
che Verderben nach allen Theilen, und die
unergruͤndliche Tiefen derſelben in ihr ſo
lebendig einſehen, daß ſie einmahl gegen ih-
ren Lehrer ſich hievon mit folgenden Wor-
ten ausgedrucket: Sie ſeye mitten in

der
J
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0181" n="129"/>
        <fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">II</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
        <p>Da aber der HErr &#x017F;einen Frieden und<lb/>
Ver&#x017F;o&#x0364;hnung, und al&#x017F;o die wahre Ruhe der<lb/>
Seelen dem Men&#x017F;chen nicht anders als in &#x017F;ei-<lb/>
nem Sohn dem Heyland, und dem An-<lb/>
theil an &#x017F;einer blutigen Gerechtigkeit &#x017F;chen-<lb/>
ken kann, der HErr JE&#x017F;us aber einer Seele<lb/>
nicht ehender no&#x0364;thig werden kann, als biß<lb/>
&#x017F;ie ihre Su&#x0364;nden mit der ganzen dru&#x0364;ckenden<lb/>
La&#x017F;t, und den traurigen Folgen der&#x017F;elben<lb/>
lebendig kennen und fu&#x0364;hlen lernt, &#x017F;o ließ<lb/>
nun der HErr nach die&#x017F;en Vorbereitungen<lb/>
je mehr und mehr die Morgenro&#x0364;the der<lb/>
Gnade in ihr aufgehen, um &#x017F;ie in der&#x017F;elben<lb/>
alle Abgru&#x0364;nde ihres natu&#x0364;rlichen Verderbens<lb/>
&#x017F;ehen zu la&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;ie zu reitzen, mit ihren<lb/>
Wunden und to&#x0364;dtlicher Seelenkrankheit zu<lb/>
dem Arzt und &#x017F;einen Wunden zu fliehen.<lb/>
Es i&#x017F;t er&#x017F;taunend! was der HErr hierinnen<lb/>
an ihr gethan hat. Sie war eine Per&#x017F;on,<lb/>
von der man nicht &#x017F;agen konnte, daß &#x017F;ie ei-<lb/>
nen argen, und mit gar zu groben Aus-<lb/>
bru&#x0364;chen befleckten Wandel gefu&#x0364;hret, aber<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en ungeachtet lernte &#x017F;ie in dem go&#x0364;ttlichen<lb/>
Licht, und durch die Strahlen der himmli-<lb/>
&#x017F;chen Erleuchtung nach und nach das &#x017F;u&#x0364;ndli-<lb/>
che Verderben nach allen Theilen, und die<lb/>
unergru&#x0364;ndliche Tiefen der&#x017F;elben in ihr &#x017F;o<lb/>
lebendig ein&#x017F;ehen, daß &#x017F;ie einmahl gegen ih-<lb/>
ren Lehrer &#x017F;ich hievon mit folgenden Wor-<lb/>
ten ausgedrucket: <hi rendition="#fr">Sie &#x017F;eye mitten in</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">der</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0181] Thaten der Gnade. II. Stuͤck. Da aber der HErr ſeinen Frieden und Verſoͤhnung, und alſo die wahre Ruhe der Seelen dem Menſchen nicht anders als in ſei- nem Sohn dem Heyland, und dem An- theil an ſeiner blutigen Gerechtigkeit ſchen- ken kann, der HErr JEſus aber einer Seele nicht ehender noͤthig werden kann, als biß ſie ihre Suͤnden mit der ganzen druͤckenden Laſt, und den traurigen Folgen derſelben lebendig kennen und fuͤhlen lernt, ſo ließ nun der HErr nach dieſen Vorbereitungen je mehr und mehr die Morgenroͤthe der Gnade in ihr aufgehen, um ſie in derſelben alle Abgruͤnde ihres natuͤrlichen Verderbens ſehen zu laſſen, und ſie zu reitzen, mit ihren Wunden und toͤdtlicher Seelenkrankheit zu dem Arzt und ſeinen Wunden zu fliehen. Es iſt erſtaunend! was der HErr hierinnen an ihr gethan hat. Sie war eine Perſon, von der man nicht ſagen konnte, daß ſie ei- nen argen, und mit gar zu groben Aus- bruͤchen befleckten Wandel gefuͤhret, aber deſſen ungeachtet lernte ſie in dem goͤttlichen Licht, und durch die Strahlen der himmli- ſchen Erleuchtung nach und nach das ſuͤndli- che Verderben nach allen Theilen, und die unergruͤndliche Tiefen derſelben in ihr ſo lebendig einſehen, daß ſie einmahl gegen ih- ren Lehrer ſich hievon mit folgenden Wor- ten ausgedrucket: Sie ſeye mitten in der J

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/181
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/181>, abgerufen am 21.11.2024.