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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. II. Stück.
HErr, sonderlich nach dunkeln und be-
schwerlichen Wegen und tiefen Erniedrigun-
gen schöne Lichter; die Seele wird darein
verliebet, geräth in Selbsterhebungen, und
weilen sie grössere und mehr in die Augen
fallende Gnadengaben, als andere em-
pfangen, so setzet sie sich wohl über andere
hinauf, und fängt an, andere Begnadete zu
verachten, lauft also in Gefahr, in Lucifers
Sinn und Fail zu versinken; da lässet es der
HErr zu, daß eine solche Seele tief in den
Roth fällt, damit sie wieder zu sich selbst
kommen, ihr Unvermögen erkennen und
begreifen lerne, daß sie auss[e]rt dem Heyland
ein pures nichts seye, folglich alle Augenbli-
cke nöthig habe, sich in der tiefsten Demü-
thigung an dem HErrn JEsu fest zu halten.

Sehet also ihr Seelen! daß es nicht ge-
nug ist, aus Sodom gehen, man kan auch
noch a[u]ssert der Stadt des Verderbens in
die Gef[a]hr des Todes laufen, es ist nicht ge-
nug, a[u]s Egypten und dem Diensthause
der herrschenden Sünden auszugehen, man
kan auch in der Wüsten sterben. Nicht
dem, der [w]ohl anfängt, sondern dem, der
getreu ist bi[s] in den Tod, ist der Cranz des
Lebens verhissen: Erwege man hier mit
Nachdenken die Sprüche, Ezech. 3:20.
18:24. 26. 33:12. 18. Bespiegle

man
L 4

Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
HErr, ſonderlich nach dunkeln und be-
ſchwerlichen Wegen und tiefen Erniedrigun-
gen ſchoͤne Lichter; die Seele wird darein
verliebet, geraͤth in Selbſterhebungen, und
weilen ſie groͤſſere und mehr in die Augen
fallende Gnadengaben, als andere em-
pfangen, ſo ſetzet ſie ſich wohl uͤber andere
hinauf, und faͤngt an, andere Begnadete zu
verachten, lauft alſo in Gefahr, in Lucifers
Sinn und Fail zu verſinken; da laͤſſet es der
HErr zu, daß eine ſolche Seele tief in den
Roth faͤllt, damit ſie wieder zu ſich ſelbſt
kommen, ihr Unvermoͤgen erkennen und
begreifen lerne, daß ſie auſſ[e]rt dem Heyland
ein pures nichts ſeye, folglich alle Augenbli-
cke noͤthig habe, ſich in der tiefſten Demuͤ-
thigung an dem HErrn JEſu feſt zu halten.

Sehet alſo ihr Seelen! daß es nicht ge-
nug iſt, aus Sodom gehen, man kan auch
noch a[u]ſſert der Stadt des Verderbens in
die Gef[a]hr des Todes laufen, es iſt nicht ge-
nug, a[u]s Egypten und dem Dienſthauſe
der herrſchenden Suͤnden auszugehen, man
kan auch in der Wuͤſten ſterben. Nicht
dem, der [w]ohl anfaͤngt, ſondern dem, der
getreu iſt bi[s] in den Tod, iſt der Cranz des
Lebens verhiſſen: Erwege man hier mit
Nachdenken die Spruͤche, Ezech. 3:20.
18:24. 26. 33:12. 18. Beſpiegle

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L 4
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[167/0219] Thaten der Gnade. II. Stuͤck. HErr, ſonderlich nach dunkeln und be- ſchwerlichen Wegen und tiefen Erniedrigun- gen ſchoͤne Lichter; die Seele wird darein verliebet, geraͤth in Selbſterhebungen, und weilen ſie groͤſſere und mehr in die Augen fallende Gnadengaben, als andere em- pfangen, ſo ſetzet ſie ſich wohl uͤber andere hinauf, und faͤngt an, andere Begnadete zu verachten, lauft alſo in Gefahr, in Lucifers Sinn und Fail zu verſinken; da laͤſſet es der HErr zu, daß eine ſolche Seele tief in den Roth faͤllt, damit ſie wieder zu ſich ſelbſt kommen, ihr Unvermoͤgen erkennen und begreifen lerne, daß ſie auſſert dem Heyland ein pures nichts ſeye, folglich alle Augenbli- cke noͤthig habe, ſich in der tiefſten Demuͤ- thigung an dem HErrn JEſu feſt zu halten. Sehet alſo ihr Seelen! daß es nicht ge- nug iſt, aus Sodom gehen, man kan auch noch auſſert der Stadt des Verderbens in die Gefahr des Todes laufen, es iſt nicht ge- nug, aus Egypten und dem Dienſthauſe der herrſchenden Suͤnden auszugehen, man kan auch in der Wuͤſten ſterben. Nicht dem, der wohl anfaͤngt, ſondern dem, der getreu iſt bis in den Tod, iſt der Cranz des Lebens verhiſſen: Erwege man hier mit Nachdenken die Spruͤche, Ezech. 3:20. 18:24. 26. 33:12. 18. Beſpiegle man L 4

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/219>, abgerufen am 21.11.2024.