den. Werde man also nüchtern, und folge doch beyzeiten denen guten Absichten des freundlichen GOttes!
Je deutlicher GOtt dieser Person, noch am Port der Ewigkeit auf der einten Seite seine Liebeswege, und die herzlichen Bemü- hungen seiner Gnade geoffenbahret, und sie auf der andern Seite in eine lebendige Be- trachtung, ihrer Untreue, und schändlichen Undankbarkeit geführet, desto tiefer wurde das Gesicht ihrer Sünden, und desto heller sahe sie in die Abgründe ihres entsetzlichen Verderbens, nicht nur die Uebertrettungen, die sie im Stande der Unwissenheit began- gen, und welche in der ersten Aufweckung ihr schon gezeiget worden, zeigten sich aufs neue in ihrer häßlichen Gestalt, insonder- heit aber, wurden ihr die Abweichungen, die groben Besudelungen, damit sie sich seint der ersten Aufweckung beflecket[,] sehr schwe- re Läste, darunter sie schier erli[e]gen mußte. O wie ängstlich und bange machte das der Seele! daß sie das, was sie anfänglich aus- gespien, wieder eingefressen, daß sie nach der Erkänntniß, die sie von denen guten We- gen des Lebens gehabt, wieder auf die krum- men Wege der Verführung sich von denen Einschleichungen der alten Schlange verlei- ten lassen. Diese traurigen Bilder, diese lebhaften Vorstellungen von der Grösse,
Menge
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Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
den. Werde man alſo nuͤchtern, und folge doch beyzeiten denen guten Abſichten des freundlichen GOttes!
Je deutlicher GOtt dieſer Perſon, noch am Port der Ewigkeit auf der einten Seite ſeine Liebeswege, und die herzlichen Bemuͤ- hungen ſeiner Gnade geoffenbahret, und ſie auf der andern Seite in eine lebendige Be- trachtung, ihrer Untreue, und ſchaͤndlichen Undankbarkeit gefuͤhret, deſto tiefer wurde das Geſicht ihrer Suͤnden, und deſto heller ſahe ſie in die Abgruͤnde ihres entſetzlichen Verderbens, nicht nur die Uebertrettungen, die ſie im Stande der Unwiſſenheit began- gen, und welche in der erſten Aufweckung ihr ſchon gezeiget worden, zeigten ſich aufs neue in ihrer haͤßlichen Geſtalt, inſonder- heit aber, wurden ihr die Abweichungen, die groben Beſudelungen, damit ſie ſich ſeint der erſten Aufweckung beflecket[,] ſehr ſchwe- re Laͤſte, darunter ſie ſchier erli[e]gen mußte. O wie aͤngſtlich und bange machte das der Seele! daß ſie das, was ſie anfaͤnglich aus- geſpien, wieder eingefreſſen, daß ſie nach der Erkaͤnntniß, die ſie von denen guten We- gen des Lebens gehabt, wieder auf die krum- men Wege der Verfuͤhrung ſich von denen Einſchleichungen der alten Schlange verlei- ten laſſen. Dieſe traurigen Bilder, dieſe lebhaften Vorſtellungen von der Groͤſſe,
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Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
den. Werde man alſo nuͤchtern, und folge
doch beyzeiten denen guten Abſichten des
freundlichen GOttes!
Je deutlicher GOtt dieſer Perſon, noch
am Port der Ewigkeit auf der einten Seite
ſeine Liebeswege, und die herzlichen Bemuͤ-
hungen ſeiner Gnade geoffenbahret, und ſie
auf der andern Seite in eine lebendige Be-
trachtung, ihrer Untreue, und ſchaͤndlichen
Undankbarkeit gefuͤhret, deſto tiefer wurde
das Geſicht ihrer Suͤnden, und deſto heller
ſahe ſie in die Abgruͤnde ihres entſetzlichen
Verderbens, nicht nur die Uebertrettungen,
die ſie im Stande der Unwiſſenheit began-
gen, und welche in der erſten Aufweckung
ihr ſchon gezeiget worden, zeigten ſich aufs
neue in ihrer haͤßlichen Geſtalt, inſonder-
heit aber, wurden ihr die Abweichungen,
die groben Beſudelungen, damit ſie ſich ſeint
der erſten Aufweckung beflecket, ſehr ſchwe-
re Laͤſte, darunter ſie ſchier erliegen mußte.
O wie aͤngſtlich und bange machte das der
Seele! daß ſie das, was ſie anfaͤnglich aus-
geſpien, wieder eingefreſſen, daß ſie nach
der Erkaͤnntniß, die ſie von denen guten We-
gen des Lebens gehabt, wieder auf die krum-
men Wege der Verfuͤhrung ſich von denen
Einſchleichungen der alten Schlange verlei-
ten laſſen. Dieſe traurigen Bilder, dieſe
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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/309>, abgerufen am 21.11.2024.
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