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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. III. Stück.
Verlangen streckte sich aus nach dem Hey-
land, nach dem Arzt, der Wein und Oele
in die Wunden, der unter die Hände der
Seelenmördern Gefallenen und so übel Zu-
gerichteten giesset, sie dardurch vom Tode
errettet, und ins Leben wieder bringet.
Darnach sehnete sie Tag und Nacht, und
wendete ihre letzte Kräften darzu an, den
Heyland zum Erbarmen, zur Zueignung
und Schenkung eines einigen Tröpfleins
von seinem Blute zu bewegen.

Jn diesem Zustande lage sie vom Mitt-
wochen bis Freytag in der Nacht, in einem
stillen aber innigen und brünstigen Sehnen
nach dem HErrn JEsu und der Offenba-
rung seiner Gnade. Jn dieser Nacht sagte
sie zu ihrer Abwart: Sie solle stille seyn,
es gehe etwas in ihrer Seele vor, weiter
sagte sie ihr nichts; aber frühe Morgens be-
gehrte sie von ihr: Daß sie hingehen, und
ihren Brautführer (sie meynte den Predi-
ger) zu sich bitten sollte. Als dieser zu ihr
hinkam, erzählte sie ihm, wie sie in der letz-
ten Nacht ganz stille gelegen, und in ihrem
Herzen mit dem Heyland umgegangen, ihn
demüthig ersuchet, daß er doch in diesen
schweren Umständen der Seele helfen, und
sie seines Erbarmens und Gnade würdigen
wollte. Da seye in einem Augenblick alle

Last
S

Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
Verlangen ſtreckte ſich aus nach dem Hey-
land, nach dem Arzt, der Wein und Oele
in die Wunden, der unter die Haͤnde der
Seelenmoͤrdern Gefallenen und ſo uͤbel Zu-
gerichteten gieſſet, ſie dardurch vom Tode
errettet, und ins Leben wieder bringet.
Darnach ſehnete ſie Tag und Nacht, und
wendete ihre letzte Kraͤften darzu an, den
Heyland zum Erbarmen, zur Zueignung
und Schenkung eines einigen Troͤpfleins
von ſeinem Blute zu bewegen.

Jn dieſem Zuſtande lage ſie vom Mitt-
wochen bis Freytag in der Nacht, in einem
ſtillen aber innigen und bruͤnſtigen Sehnen
nach dem HErrn JEſu und der Offenba-
rung ſeiner Gnade. Jn dieſer Nacht ſagte
ſie zu ihrer Abwart: Sie ſolle ſtille ſeyn,
es gehe etwas in ihrer Seele vor, weiter
ſagte ſie ihr nichts; aber fruͤhe Morgens be-
gehrte ſie von ihr: Daß ſie hingehen, und
ihren Brautfuͤhrer (ſie meynte den Predi-
ger) zu ſich bitten ſollte. Als dieſer zu ihr
hinkam, erzaͤhlte ſie ihm, wie ſie in der letz-
ten Nacht ganz ſtille gelegen, und in ihrem
Herzen mit dem Heyland umgegangen, ihn
demuͤthig erſuchet, daß er doch in dieſen
ſchweren Umſtaͤnden der Seele helfen, und
ſie ſeines Erbarmens und Gnade wuͤrdigen
wollte. Da ſeye in einem Augenblick alle

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[273/0325] Thaten der Gnade. III. Stuͤck. Verlangen ſtreckte ſich aus nach dem Hey- land, nach dem Arzt, der Wein und Oele in die Wunden, der unter die Haͤnde der Seelenmoͤrdern Gefallenen und ſo uͤbel Zu- gerichteten gieſſet, ſie dardurch vom Tode errettet, und ins Leben wieder bringet. Darnach ſehnete ſie Tag und Nacht, und wendete ihre letzte Kraͤften darzu an, den Heyland zum Erbarmen, zur Zueignung und Schenkung eines einigen Troͤpfleins von ſeinem Blute zu bewegen. Jn dieſem Zuſtande lage ſie vom Mitt- wochen bis Freytag in der Nacht, in einem ſtillen aber innigen und bruͤnſtigen Sehnen nach dem HErrn JEſu und der Offenba- rung ſeiner Gnade. Jn dieſer Nacht ſagte ſie zu ihrer Abwart: Sie ſolle ſtille ſeyn, es gehe etwas in ihrer Seele vor, weiter ſagte ſie ihr nichts; aber fruͤhe Morgens be- gehrte ſie von ihr: Daß ſie hingehen, und ihren Brautfuͤhrer (ſie meynte den Predi- ger) zu ſich bitten ſollte. Als dieſer zu ihr hinkam, erzaͤhlte ſie ihm, wie ſie in der letz- ten Nacht ganz ſtille gelegen, und in ihrem Herzen mit dem Heyland umgegangen, ihn demuͤthig erſuchet, daß er doch in dieſen ſchweren Umſtaͤnden der Seele helfen, und ſie ſeines Erbarmens und Gnade wuͤrdigen wollte. Da ſeye in einem Augenblick alle Laſt S

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/325>, abgerufen am 21.11.2024.