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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. IV. Stück.
armen Sünder gnädig! und mache das
Urtheil der Versöhnung meiner Seele kund.
Du hast dich unter deiner Schmach und
Schmerzen, in deiner tiefsten Erniedrigung
über den Mörder am Creutz erbarmet, du
hast dein Herz mit deiner Gnade gegen ihm
eröfnet, da er dich als seinen Heyland gesu-
chet, und ihm die Thür zum Paradiese auf-
geschlossen. HErr JEsu! ich bin auch ein
Mörder, denn meine Sünden haben dich
ans Creutz gebracht, meine Uebertrettun-
gen haben dich verwundet und getödtet;
aber ich weiß, daß du eben durch diesen Tod
ein Mittler und Erlöser für alle gebeugte
Sünder worden bist, wende dich also
auch zu mir, und sprich mir heute das
Leben zu.

Da diese Seele also mit dem Heyland
range, und sich so an seine Wunden hien-
ge, ja sich an diese Quellen des Lebens so
fest im Glauben setzte, daß sie nicht weichen
wollte, bis ein Gnadenblick ihre Seele er-
freuet, ja auch JEsus sich aufgemacht, und
mit seiner Hülfe nahe bey ihr war; siehe,
so gienge es ihr, wie dorten jenem Knaben,
Marc. 8:19. der bey denen Füssen JEsu,
ja gleichsam in dem Augenblick, da der
Heyland ihn erretten wollte, noch von dem
bösen Geist auf die fürchterlichste Weise ge-

rissen

Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
armen Suͤnder gnaͤdig! und mache das
Urtheil der Verſoͤhnung meiner Seele kund.
Du haſt dich unter deiner Schmach und
Schmerzen, in deiner tiefſten Erniedrigung
uͤber den Moͤrder am Creutz erbarmet, du
haſt dein Herz mit deiner Gnade gegen ihm
eroͤfnet, da er dich als ſeinen Heyland geſu-
chet, und ihm die Thuͤr zum Paradieſe auf-
geſchloſſen. HErr JEſu! ich bin auch ein
Moͤrder, denn meine Suͤnden haben dich
ans Creutz gebracht, meine Uebertrettun-
gen haben dich verwundet und getoͤdtet;
aber ich weiß, daß du eben durch dieſen Tod
ein Mittler und Erloͤſer fuͤr alle gebeugte
Suͤnder worden biſt, wende dich alſo
auch zu mir, und ſprich mir heute das
Leben zu.

Da dieſe Seele alſo mit dem Heyland
range, und ſich ſo an ſeine Wunden hien-
ge, ja ſich an dieſe Quellen des Lebens ſo
feſt im Glauben ſetzte, daß ſie nicht weichen
wollte, bis ein Gnadenblick ihre Seele er-
freuet, ja auch JEſus ſich aufgemacht, und
mit ſeiner Huͤlfe nahe bey ihr war; ſiehe,
ſo gienge es ihr, wie dorten jenem Knaben,
Marc. 8:19. der bey denen Fuͤſſen JEſu,
ja gleichſam in dem Augenblick, da der
Heyland ihn erretten wollte, noch von dem
boͤſen Geiſt auf die fuͤrchterlichſte Weiſe ge-

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[351/0403] Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. armen Suͤnder gnaͤdig! und mache das Urtheil der Verſoͤhnung meiner Seele kund. Du haſt dich unter deiner Schmach und Schmerzen, in deiner tiefſten Erniedrigung uͤber den Moͤrder am Creutz erbarmet, du haſt dein Herz mit deiner Gnade gegen ihm eroͤfnet, da er dich als ſeinen Heyland geſu- chet, und ihm die Thuͤr zum Paradieſe auf- geſchloſſen. HErr JEſu! ich bin auch ein Moͤrder, denn meine Suͤnden haben dich ans Creutz gebracht, meine Uebertrettun- gen haben dich verwundet und getoͤdtet; aber ich weiß, daß du eben durch dieſen Tod ein Mittler und Erloͤſer fuͤr alle gebeugte Suͤnder worden biſt, wende dich alſo auch zu mir, und ſprich mir heute das Leben zu. Da dieſe Seele alſo mit dem Heyland range, und ſich ſo an ſeine Wunden hien- ge, ja ſich an dieſe Quellen des Lebens ſo feſt im Glauben ſetzte, daß ſie nicht weichen wollte, bis ein Gnadenblick ihre Seele er- freuet, ja auch JEſus ſich aufgemacht, und mit ſeiner Huͤlfe nahe bey ihr war; ſiehe, ſo gienge es ihr, wie dorten jenem Knaben, Marc. 8:19. der bey denen Fuͤſſen JEſu, ja gleichſam in dem Augenblick, da der Heyland ihn erretten wollte, noch von dem boͤſen Geiſt auf die fuͤrchterlichſte Weiſe ge- riſſen

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/403>, abgerufen am 22.11.2024.