Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Alte hatte nichts darauf machen können! -- Sinnend stand er da, plötzlich glänzte er in einem Lächeln, wie ein Mensch, der aufs Angenehmste überrascht ist. Was die Bäbe von ihm verlangt und er für ganz und gar unthunlich gehalten, das war ja nun doch geschehen -- und ohne daß er's drauf angelegt hatte! Er hatte dem Vater gesagt: die Sibylle mag ich nicht, ich will die Bäbe -- und der Vater hatte zwar gethan, als ob er ihn fressen wollte, aber es zuletzt doch schön bleiben lassen! -- Ja, die Bäbe hatte Recht, die war gescheidt und kannte die Menschen! Aber er hatte sich auch viel besser benommen, als er sich's zugetraut: er war denn doch der armselige Kerl nicht, für den er sich selber gehalten, sondern es steckte noch was ganz Anderes in ihm! -- Der Anfang war gemacht, er war auf dem rechten Weg, und nun ging's weiter ans Ziel -- da war kein Zweifel mehr.

Er legte sich vergnügt zu Bette und schlief bis zum lichten Morgen.

Als er erwachte, hatte sich die Sonne, durch dünne Wolken scheinend, bereits eine ziemliche Strecke über den Horizont erhoben. Es war indeß Feiertag, er konnte sich noch im Bette dehnen, und er that es. Seine Glieder waren von Schmerzen beinahe ganz frei, und ein Lächeln entlockte es ihm, als er zwei Mäler an seinem Oberarm, die gestern noch blau gewesen waren, heute schon ins Grünliche übergehen sah. Er wußte aus Erfahrung, daß sie dann bald ganz verschwinden

Alte hatte nichts darauf machen können! — Sinnend stand er da, plötzlich glänzte er in einem Lächeln, wie ein Mensch, der aufs Angenehmste überrascht ist. Was die Bäbe von ihm verlangt und er für ganz und gar unthunlich gehalten, das war ja nun doch geschehen — und ohne daß er's drauf angelegt hatte! Er hatte dem Vater gesagt: die Sibylle mag ich nicht, ich will die Bäbe — und der Vater hatte zwar gethan, als ob er ihn fressen wollte, aber es zuletzt doch schön bleiben lassen! — Ja, die Bäbe hatte Recht, die war gescheidt und kannte die Menschen! Aber er hatte sich auch viel besser benommen, als er sich's zugetraut: er war denn doch der armselige Kerl nicht, für den er sich selber gehalten, sondern es steckte noch was ganz Anderes in ihm! — Der Anfang war gemacht, er war auf dem rechten Weg, und nun ging's weiter ans Ziel — da war kein Zweifel mehr.

Er legte sich vergnügt zu Bette und schlief bis zum lichten Morgen.

Als er erwachte, hatte sich die Sonne, durch dünne Wolken scheinend, bereits eine ziemliche Strecke über den Horizont erhoben. Es war indeß Feiertag, er konnte sich noch im Bette dehnen, und er that es. Seine Glieder waren von Schmerzen beinahe ganz frei, und ein Lächeln entlockte es ihm, als er zwei Mäler an seinem Oberarm, die gestern noch blau gewesen waren, heute schon ins Grünliche übergehen sah. Er wußte aus Erfahrung, daß sie dann bald ganz verschwinden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0131"/>
Alte hatte nichts darauf machen können! &#x2014; Sinnend stand er da, plötzlich      glänzte er in einem Lächeln, wie ein Mensch, der aufs Angenehmste überrascht ist. Was die Bäbe      von ihm verlangt und er für ganz und gar unthunlich gehalten, das war ja nun doch geschehen &#x2014;      und ohne daß er's drauf angelegt hatte! Er hatte dem Vater gesagt: die Sibylle mag ich nicht,      ich will die Bäbe &#x2014; und der Vater hatte zwar gethan, als ob er ihn fressen wollte, aber es      zuletzt doch schön bleiben lassen! &#x2014; Ja, die Bäbe hatte Recht, die war gescheidt und kannte die      Menschen! Aber er hatte sich auch viel besser benommen, als er sich's zugetraut: er war denn      doch der armselige Kerl nicht, für den er sich selber gehalten, sondern es steckte noch was      ganz Anderes in ihm! &#x2014; Der Anfang war gemacht, er war auf dem rechten Weg, und nun ging's      weiter ans Ziel &#x2014; da war kein Zweifel mehr.</p><lb/>
        <p>Er legte sich vergnügt zu Bette und schlief bis zum lichten Morgen.</p><lb/>
        <p>Als er erwachte, hatte sich die Sonne, durch dünne Wolken scheinend, bereits eine ziemliche      Strecke über den Horizont erhoben. Es war indeß Feiertag, er konnte sich noch im Bette dehnen,      und er that es. Seine Glieder waren von Schmerzen beinahe ganz frei, und ein Lächeln entlockte      es ihm, als er zwei Mäler an seinem Oberarm, die gestern noch blau gewesen waren, heute schon      ins Grünliche übergehen sah. Er wußte aus Erfahrung, daß sie dann bald ganz verschwinden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0131] Alte hatte nichts darauf machen können! — Sinnend stand er da, plötzlich glänzte er in einem Lächeln, wie ein Mensch, der aufs Angenehmste überrascht ist. Was die Bäbe von ihm verlangt und er für ganz und gar unthunlich gehalten, das war ja nun doch geschehen — und ohne daß er's drauf angelegt hatte! Er hatte dem Vater gesagt: die Sibylle mag ich nicht, ich will die Bäbe — und der Vater hatte zwar gethan, als ob er ihn fressen wollte, aber es zuletzt doch schön bleiben lassen! — Ja, die Bäbe hatte Recht, die war gescheidt und kannte die Menschen! Aber er hatte sich auch viel besser benommen, als er sich's zugetraut: er war denn doch der armselige Kerl nicht, für den er sich selber gehalten, sondern es steckte noch was ganz Anderes in ihm! — Der Anfang war gemacht, er war auf dem rechten Weg, und nun ging's weiter ans Ziel — da war kein Zweifel mehr. Er legte sich vergnügt zu Bette und schlief bis zum lichten Morgen. Als er erwachte, hatte sich die Sonne, durch dünne Wolken scheinend, bereits eine ziemliche Strecke über den Horizont erhoben. Es war indeß Feiertag, er konnte sich noch im Bette dehnen, und er that es. Seine Glieder waren von Schmerzen beinahe ganz frei, und ein Lächeln entlockte es ihm, als er zwei Mäler an seinem Oberarm, die gestern noch blau gewesen waren, heute schon ins Grünliche übergehen sah. Er wußte aus Erfahrung, daß sie dann bald ganz verschwinden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/131
Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/131>, abgerufen am 22.12.2024.