Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

hat er dir nicht abgeschlagen, und für so einen Schatz, wie die ist, kann man schon was aushalten! -- Das mein' ich auch! rief Leard. Das schönste Mädchen im Dorf -- sogar die meine nicht ausgenommen! -- Und solch ein Einfall! Gocken! -- So gescheidt sind sie nur im Kesselthal -- bei uns thät' keine drauf kommen! Und zu der Kellnerin gewendet, rief er: Nicht wahr, Mädle? -- O wahrlich nein, entgegnete diese mit einem Gesicht, das vor Vergnügen leuchtete. Im Ries sind wir nicht so g'studirt! -- Leard ergriff den Maßkrug und rief: Nun, so stoß an, Schneider! Sie soll leben! -- Tobias versuchte noch auszuweichen und entgegnete mit der wankenden Stimme eines schlechten Gewissens: Aber was willst du denn? Ich weiß ja gar nicht, wen du meinst? -- In das neue Gelächter hinein rief aber Leard: Nun, wir wissen's schon. Komm, stoß an! -- Tobias, gedrängt und in Ermangelung einer bessern Auskunft, nahm den Krug, ließ den andern anstoßen und that einen großen, weit hinausgedehnten Zug. -- Leard, nachdem er ebenfalls keinen schlechten gethan, rief: Bravo! Nun hast du gehandelt wie ein rechter Bursch! Seinen Schatz muß man nicht verleugnen, am wenigsten, wenn man so einen hat wie du! -- Tobias erwiderte hierauf nichts, und auch die Andern, die einigermaßen genug zu haben schienen, ließen ihre Zungen in Ruhe. Der Geplagte hoffte es überstanden zu haben.

Diese Hoffnung hätte sich vielleicht erfüllt und die Bursche beliebt, einen andern Gegenstand vorzunehmen

hat er dir nicht abgeschlagen, und für so einen Schatz, wie die ist, kann man schon was aushalten! — Das mein' ich auch! rief Leard. Das schönste Mädchen im Dorf — sogar die meine nicht ausgenommen! — Und solch ein Einfall! Gocken! — So gescheidt sind sie nur im Kesselthal — bei uns thät' keine drauf kommen! Und zu der Kellnerin gewendet, rief er: Nicht wahr, Mädle? — O wahrlich nein, entgegnete diese mit einem Gesicht, das vor Vergnügen leuchtete. Im Ries sind wir nicht so g'studirt! — Leard ergriff den Maßkrug und rief: Nun, so stoß an, Schneider! Sie soll leben! — Tobias versuchte noch auszuweichen und entgegnete mit der wankenden Stimme eines schlechten Gewissens: Aber was willst du denn? Ich weiß ja gar nicht, wen du meinst? — In das neue Gelächter hinein rief aber Leard: Nun, wir wissen's schon. Komm, stoß an! — Tobias, gedrängt und in Ermangelung einer bessern Auskunft, nahm den Krug, ließ den andern anstoßen und that einen großen, weit hinausgedehnten Zug. — Leard, nachdem er ebenfalls keinen schlechten gethan, rief: Bravo! Nun hast du gehandelt wie ein rechter Bursch! Seinen Schatz muß man nicht verleugnen, am wenigsten, wenn man so einen hat wie du! — Tobias erwiderte hierauf nichts, und auch die Andern, die einigermaßen genug zu haben schienen, ließen ihre Zungen in Ruhe. Der Geplagte hoffte es überstanden zu haben.

Diese Hoffnung hätte sich vielleicht erfüllt und die Bursche beliebt, einen andern Gegenstand vorzunehmen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0141"/>
hat er dir nicht      abgeschlagen, und für so einen Schatz, wie die ist, kann man schon was aushalten! &#x2014; Das mein'      ich auch! rief Leard. Das schönste Mädchen im Dorf &#x2014; sogar die meine nicht ausgenommen! &#x2014; Und      solch ein Einfall! Gocken! &#x2014; So gescheidt sind sie nur im Kesselthal &#x2014; bei uns thät' keine      drauf kommen! Und zu der Kellnerin gewendet, rief er: Nicht wahr, Mädle? &#x2014; O wahrlich nein,      entgegnete diese mit einem Gesicht, das vor Vergnügen leuchtete. Im Ries sind wir nicht so      g'studirt! &#x2014; Leard ergriff den Maßkrug und rief: Nun, so stoß an, Schneider! Sie soll leben! &#x2014;      Tobias versuchte noch auszuweichen und entgegnete mit der wankenden Stimme eines schlechten      Gewissens: Aber was willst du denn? Ich weiß ja gar nicht, wen du meinst? &#x2014; In das neue      Gelächter hinein rief aber Leard: Nun, wir wissen's schon. Komm, stoß an! &#x2014; Tobias, gedrängt      und in Ermangelung einer bessern Auskunft, nahm den Krug, ließ den andern anstoßen und that      einen großen, weit hinausgedehnten Zug. &#x2014; Leard, nachdem er ebenfalls keinen schlechten gethan,      rief: Bravo! Nun hast du gehandelt wie ein rechter Bursch! Seinen Schatz muß man nicht      verleugnen, am wenigsten, wenn man so einen hat wie du! &#x2014; Tobias erwiderte hierauf nichts, und      auch die Andern, die einigermaßen genug zu haben schienen, ließen ihre Zungen in Ruhe. Der      Geplagte hoffte es überstanden zu haben.</p><lb/>
        <p>Diese Hoffnung hätte sich vielleicht erfüllt und die Bursche beliebt, einen andern Gegenstand      vorzunehmen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0141] hat er dir nicht abgeschlagen, und für so einen Schatz, wie die ist, kann man schon was aushalten! — Das mein' ich auch! rief Leard. Das schönste Mädchen im Dorf — sogar die meine nicht ausgenommen! — Und solch ein Einfall! Gocken! — So gescheidt sind sie nur im Kesselthal — bei uns thät' keine drauf kommen! Und zu der Kellnerin gewendet, rief er: Nicht wahr, Mädle? — O wahrlich nein, entgegnete diese mit einem Gesicht, das vor Vergnügen leuchtete. Im Ries sind wir nicht so g'studirt! — Leard ergriff den Maßkrug und rief: Nun, so stoß an, Schneider! Sie soll leben! — Tobias versuchte noch auszuweichen und entgegnete mit der wankenden Stimme eines schlechten Gewissens: Aber was willst du denn? Ich weiß ja gar nicht, wen du meinst? — In das neue Gelächter hinein rief aber Leard: Nun, wir wissen's schon. Komm, stoß an! — Tobias, gedrängt und in Ermangelung einer bessern Auskunft, nahm den Krug, ließ den andern anstoßen und that einen großen, weit hinausgedehnten Zug. — Leard, nachdem er ebenfalls keinen schlechten gethan, rief: Bravo! Nun hast du gehandelt wie ein rechter Bursch! Seinen Schatz muß man nicht verleugnen, am wenigsten, wenn man so einen hat wie du! — Tobias erwiderte hierauf nichts, und auch die Andern, die einigermaßen genug zu haben schienen, ließen ihre Zungen in Ruhe. Der Geplagte hoffte es überstanden zu haben. Diese Hoffnung hätte sich vielleicht erfüllt und die Bursche beliebt, einen andern Gegenstand vorzunehmen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/141
Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/141>, abgerufen am 18.05.2024.