Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Wer am weitesten vorkam, der kriegt' es mit fürchterlicher Gewalt an den Kopf, an die Arme, daß er beiseitegeschleudert um und um torkelte. So ging's fort, bis sie Alle zu Boden lagen und stöhnten, sogar flennten, ausgenommen die zwei Jüngsten, die sich hinten gehalten hatten und ihn zitternd baten, ihnen nichts zu thun! -- Während dies geschah, waren die übrigen Gäste herbeigekommen, hatten zugesehen und ihm Lob zugerufen. Er setzte den blutigen Krug auf den Tisch, schnaufte ein Paar Mal und rief: So geht's den Kerlen, die mich für'n Narr'n haben wollen! Wem ich gut zum Rath bin, der läßt's bleiben! -- Die Umstehenden schauten sich an und sagten: Wer hätt' dem Schneider das zugetraut? Das ist ja ein Hergottsakkerment! -- Er aber griff in die Tasche, warf dem Wirthsmädchen einen Zwölfer hin und schritt triumphirend durch die Leute, die ihm rechts und links Platz machten! -- --

Als er mit diesem idealen Gebilde so weit gekommen war, hörte er Fußtritte. Ungern wendete er den Blick von der schönen Scene auf die gemeine Wirklichkeit, und vorwärts blickend erkannte er einen Bauer vom Nachbardorf, der in Begleitung eines Buben gegen ihn herankam. Schon von Weitem nahm er in dem Gesicht des Alten das unangenehme Lächeln der Schadenfreude wahr, und eine Ahnung erregte sein Herz. Der Bauer grüßte schmunzelnd und sagte: Nun, Tobias, hast du's zu Hause nicht mehr aushalten können? Es geht dir wohl recht schlecht bei euch, daß du zu uns herüberkommst? --

Wer am weitesten vorkam, der kriegt' es mit fürchterlicher Gewalt an den Kopf, an die Arme, daß er beiseitegeschleudert um und um torkelte. So ging's fort, bis sie Alle zu Boden lagen und stöhnten, sogar flennten, ausgenommen die zwei Jüngsten, die sich hinten gehalten hatten und ihn zitternd baten, ihnen nichts zu thun! — Während dies geschah, waren die übrigen Gäste herbeigekommen, hatten zugesehen und ihm Lob zugerufen. Er setzte den blutigen Krug auf den Tisch, schnaufte ein Paar Mal und rief: So geht's den Kerlen, die mich für'n Narr'n haben wollen! Wem ich gut zum Rath bin, der läßt's bleiben! — Die Umstehenden schauten sich an und sagten: Wer hätt' dem Schneider das zugetraut? Das ist ja ein Hergottsakkerment! — Er aber griff in die Tasche, warf dem Wirthsmädchen einen Zwölfer hin und schritt triumphirend durch die Leute, die ihm rechts und links Platz machten! — —

Als er mit diesem idealen Gebilde so weit gekommen war, hörte er Fußtritte. Ungern wendete er den Blick von der schönen Scene auf die gemeine Wirklichkeit, und vorwärts blickend erkannte er einen Bauer vom Nachbardorf, der in Begleitung eines Buben gegen ihn herankam. Schon von Weitem nahm er in dem Gesicht des Alten das unangenehme Lächeln der Schadenfreude wahr, und eine Ahnung erregte sein Herz. Der Bauer grüßte schmunzelnd und sagte: Nun, Tobias, hast du's zu Hause nicht mehr aushalten können? Es geht dir wohl recht schlecht bei euch, daß du zu uns herüberkommst? —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0149"/>
Wer am weitesten vorkam, der kriegt' es      mit fürchterlicher Gewalt an den Kopf, an die Arme, daß er beiseitegeschleudert um und um      torkelte. So ging's fort, bis sie Alle zu Boden lagen und stöhnten, sogar flennten, ausgenommen      die zwei Jüngsten, die sich hinten gehalten hatten und ihn zitternd baten, ihnen nichts zu      thun! &#x2014; Während dies geschah, waren die übrigen Gäste herbeigekommen, hatten zugesehen und ihm      Lob zugerufen. Er setzte den blutigen Krug auf den Tisch, schnaufte ein Paar Mal und rief: So      geht's den Kerlen, die mich für'n Narr'n haben wollen! Wem ich gut zum Rath bin, der läßt's      bleiben! &#x2014; Die Umstehenden schauten sich an und sagten: Wer hätt' dem Schneider das zugetraut?      Das ist ja ein Hergottsakkerment! &#x2014; Er aber griff in die Tasche, warf dem Wirthsmädchen einen      Zwölfer hin und schritt triumphirend durch die Leute, die ihm rechts und links Platz machten! &#x2014;      &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als er mit diesem idealen Gebilde so weit gekommen war, hörte er Fußtritte. Ungern wendete er      den Blick von der schönen Scene auf die gemeine Wirklichkeit, und vorwärts blickend erkannte er      einen Bauer vom Nachbardorf, der in Begleitung eines Buben gegen ihn herankam. Schon von Weitem      nahm er in dem Gesicht des Alten das unangenehme Lächeln der Schadenfreude wahr, und eine      Ahnung erregte sein Herz. Der Bauer grüßte schmunzelnd und sagte: Nun, Tobias, hast du's zu      Hause nicht mehr aushalten können? Es geht dir wohl recht schlecht bei euch, daß du zu uns      herüberkommst? &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0149] Wer am weitesten vorkam, der kriegt' es mit fürchterlicher Gewalt an den Kopf, an die Arme, daß er beiseitegeschleudert um und um torkelte. So ging's fort, bis sie Alle zu Boden lagen und stöhnten, sogar flennten, ausgenommen die zwei Jüngsten, die sich hinten gehalten hatten und ihn zitternd baten, ihnen nichts zu thun! — Während dies geschah, waren die übrigen Gäste herbeigekommen, hatten zugesehen und ihm Lob zugerufen. Er setzte den blutigen Krug auf den Tisch, schnaufte ein Paar Mal und rief: So geht's den Kerlen, die mich für'n Narr'n haben wollen! Wem ich gut zum Rath bin, der läßt's bleiben! — Die Umstehenden schauten sich an und sagten: Wer hätt' dem Schneider das zugetraut? Das ist ja ein Hergottsakkerment! — Er aber griff in die Tasche, warf dem Wirthsmädchen einen Zwölfer hin und schritt triumphirend durch die Leute, die ihm rechts und links Platz machten! — — Als er mit diesem idealen Gebilde so weit gekommen war, hörte er Fußtritte. Ungern wendete er den Blick von der schönen Scene auf die gemeine Wirklichkeit, und vorwärts blickend erkannte er einen Bauer vom Nachbardorf, der in Begleitung eines Buben gegen ihn herankam. Schon von Weitem nahm er in dem Gesicht des Alten das unangenehme Lächeln der Schadenfreude wahr, und eine Ahnung erregte sein Herz. Der Bauer grüßte schmunzelnd und sagte: Nun, Tobias, hast du's zu Hause nicht mehr aushalten können? Es geht dir wohl recht schlecht bei euch, daß du zu uns herüberkommst? —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/149
Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/149>, abgerufen am 22.12.2024.