Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Weg, und er mag dann zusehen, wie er damit zurecht kommt. Wenn dein Vater so gewaltthätig ist, wie du sagst, dann wird er freilich meinen, was er im Kopf hat, das müss' durchgehen. Aber du sagst eben: ich kann nicht und ich mag nicht -- und was will er dann machen? Fressen wird er dich nicht; und vielleicht schimpft und tobt er nicht einmal so arg, wie du meinst. -- Ja, ja, Bäbe, bemerkte Tobias mit dem Ausdrucke tieferer Einsicht, arg wird's wohl werden! -- Nun, dann mag's arg werden! erwiderte die Bäbe entschlossen. Wenn man haben will, was man gern hat, und was einem das Liebste ist, da muß man auch was dafür dulden können. Aber, setzte sie in ermutigendem Tone hinzu, bedenk, Tobias, wie schön wird's sein, wenn wir uns haben und glücklich sind, und du kannst dir sagen: daran bin ich selber schuld, weil ich kuraschirt gewesen bin und ausgehalten hab' und mein Vater seinen harten Sinn hat brechen und nachgeben müssen! Da schmeckt ja Alles noch tausendmal besser, wenn man so was sagen kann!

Tobias hatte hoch aufgehorcht und fand diesen Gedanken sehr schön. Lebhaft erwiderte er: Ja, das ist wahr! -- Das Mädchen, den Erfolg ihrer Rede bemerkend, fuhr fort: Und wenn's dann bekannt wird -- denn verschwiegen bleibt nichts in der Welt! -- daß dein Vater dich zur Sibylle hat zwingen wollen, und hat gemeint, es ging' ganz leicht, weil du eben so gutmüthig bist und gern nachgiebst -- hat aber seinen Mann in dir gefunden und selber die Segel streichen müssen --

Weg, und er mag dann zusehen, wie er damit zurecht kommt. Wenn dein Vater so gewaltthätig ist, wie du sagst, dann wird er freilich meinen, was er im Kopf hat, das müss' durchgehen. Aber du sagst eben: ich kann nicht und ich mag nicht — und was will er dann machen? Fressen wird er dich nicht; und vielleicht schimpft und tobt er nicht einmal so arg, wie du meinst. — Ja, ja, Bäbe, bemerkte Tobias mit dem Ausdrucke tieferer Einsicht, arg wird's wohl werden! — Nun, dann mag's arg werden! erwiderte die Bäbe entschlossen. Wenn man haben will, was man gern hat, und was einem das Liebste ist, da muß man auch was dafür dulden können. Aber, setzte sie in ermutigendem Tone hinzu, bedenk, Tobias, wie schön wird's sein, wenn wir uns haben und glücklich sind, und du kannst dir sagen: daran bin ich selber schuld, weil ich kuraschirt gewesen bin und ausgehalten hab' und mein Vater seinen harten Sinn hat brechen und nachgeben müssen! Da schmeckt ja Alles noch tausendmal besser, wenn man so was sagen kann!

Tobias hatte hoch aufgehorcht und fand diesen Gedanken sehr schön. Lebhaft erwiderte er: Ja, das ist wahr! — Das Mädchen, den Erfolg ihrer Rede bemerkend, fuhr fort: Und wenn's dann bekannt wird — denn verschwiegen bleibt nichts in der Welt! — daß dein Vater dich zur Sibylle hat zwingen wollen, und hat gemeint, es ging' ganz leicht, weil du eben so gutmüthig bist und gern nachgiebst — hat aber seinen Mann in dir gefunden und selber die Segel streichen müssen —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0060"/>
Weg, und      er mag dann zusehen, wie er damit zurecht kommt. Wenn dein Vater so gewaltthätig ist, wie du      sagst, dann wird er freilich meinen, was er im Kopf hat, das müss' durchgehen. Aber du sagst      eben: ich kann nicht und ich mag nicht &#x2014; und was will er dann machen? Fressen wird er dich      nicht; und vielleicht schimpft und tobt er nicht einmal so arg, wie du meinst. &#x2014; Ja, ja, Bäbe,      bemerkte Tobias mit dem Ausdrucke tieferer Einsicht, arg wird's wohl werden! &#x2014; Nun, dann mag's      arg werden! erwiderte die Bäbe entschlossen. Wenn man haben will, was man gern hat, und was      einem das Liebste ist, da muß man auch was dafür dulden können. Aber, setzte sie in      ermutigendem Tone hinzu, bedenk, Tobias, wie schön wird's sein, wenn wir uns haben und      glücklich sind, und du kannst dir sagen: daran bin ich selber schuld, weil ich kuraschirt      gewesen bin und ausgehalten hab' und mein Vater seinen harten Sinn hat brechen und nachgeben      müssen! Da schmeckt ja Alles noch tausendmal besser, wenn man so was sagen kann!</p><lb/>
        <p>Tobias hatte hoch aufgehorcht und fand diesen Gedanken sehr schön. Lebhaft erwiderte er: Ja,      das ist wahr! &#x2014; Das Mädchen, den Erfolg ihrer Rede bemerkend, fuhr fort: Und wenn's dann      bekannt wird &#x2014; denn verschwiegen bleibt nichts in der Welt! &#x2014; daß dein Vater dich zur Sibylle      hat zwingen wollen, und hat gemeint, es ging' ganz leicht, weil du eben so gutmüthig bist und      gern nachgiebst &#x2014; hat aber seinen Mann in dir gefunden und selber die Segel streichen müssen &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0060] Weg, und er mag dann zusehen, wie er damit zurecht kommt. Wenn dein Vater so gewaltthätig ist, wie du sagst, dann wird er freilich meinen, was er im Kopf hat, das müss' durchgehen. Aber du sagst eben: ich kann nicht und ich mag nicht — und was will er dann machen? Fressen wird er dich nicht; und vielleicht schimpft und tobt er nicht einmal so arg, wie du meinst. — Ja, ja, Bäbe, bemerkte Tobias mit dem Ausdrucke tieferer Einsicht, arg wird's wohl werden! — Nun, dann mag's arg werden! erwiderte die Bäbe entschlossen. Wenn man haben will, was man gern hat, und was einem das Liebste ist, da muß man auch was dafür dulden können. Aber, setzte sie in ermutigendem Tone hinzu, bedenk, Tobias, wie schön wird's sein, wenn wir uns haben und glücklich sind, und du kannst dir sagen: daran bin ich selber schuld, weil ich kuraschirt gewesen bin und ausgehalten hab' und mein Vater seinen harten Sinn hat brechen und nachgeben müssen! Da schmeckt ja Alles noch tausendmal besser, wenn man so was sagen kann! Tobias hatte hoch aufgehorcht und fand diesen Gedanken sehr schön. Lebhaft erwiderte er: Ja, das ist wahr! — Das Mädchen, den Erfolg ihrer Rede bemerkend, fuhr fort: Und wenn's dann bekannt wird — denn verschwiegen bleibt nichts in der Welt! — daß dein Vater dich zur Sibylle hat zwingen wollen, und hat gemeint, es ging' ganz leicht, weil du eben so gutmüthig bist und gern nachgiebst — hat aber seinen Mann in dir gefunden und selber die Segel streichen müssen —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/60
Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/60>, abgerufen am 22.12.2024.