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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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so, was hätte sie für eine Gutthat als sein Weib? Schande mußte sie ausstehen mit ihm und ärgern mußte sie sich über ihn -- weiter nichts.

Nach einer so ruhigen Erwägung, wie das verletzte weibliche Selbstgefühl und die Geringschätzung eines Mannsbilds ohne Herz irgend zuließ, beschloß die Bäbe, den Schneider ohne Weiteres aufzugeben -- ihn seinem Vater und der schönen Sibylle zu überlassen. Sie traute sich am End' auch noch Einen zu kriegen, und das einen Andern, als so Einen!

Wenn das Verhältniß damit in ihren Augen zu Ende war, so konnte es doch noch üble Folgen für sie haben. Ein Vorfall, wie der gestrige, pflegt im Dorfe nicht leicht verschwiegen zu bleiben, und die Bäbe mußte annehmen, daß außer den beiden Schneidern noch irgend ein schlechter Mensch davon wußte, der die Zusammenkunft dem Alten verrathen hatte. Kam es auf, daß sie bei Tobias heimlich im Garten war, dann hatte sie einen schlimmen Stand im Pfarrhaus und verlor vielleicht den Dienst, der ihr lieb geworden war, und für welchen den Ehestand einzutauschen sie nun keine so nahe Hoffnung mehr hatte.

Indem sie von Tobias den Blick mit Fleiß wegwendete, richtete sie ihn um so mehr auf die Pfarrleute und forschte wiederholt in ihren Mienen, ob sie schon etwas erfahren hätten, oder nicht.

Der geistliche Herr und seine Gattin führten zusammen ein stilles, friedliches und in seiner Art glück-

so, was hätte sie für eine Gutthat als sein Weib? Schande mußte sie ausstehen mit ihm und ärgern mußte sie sich über ihn — weiter nichts.

Nach einer so ruhigen Erwägung, wie das verletzte weibliche Selbstgefühl und die Geringschätzung eines Mannsbilds ohne Herz irgend zuließ, beschloß die Bäbe, den Schneider ohne Weiteres aufzugeben — ihn seinem Vater und der schönen Sibylle zu überlassen. Sie traute sich am End' auch noch Einen zu kriegen, und das einen Andern, als so Einen!

Wenn das Verhältniß damit in ihren Augen zu Ende war, so konnte es doch noch üble Folgen für sie haben. Ein Vorfall, wie der gestrige, pflegt im Dorfe nicht leicht verschwiegen zu bleiben, und die Bäbe mußte annehmen, daß außer den beiden Schneidern noch irgend ein schlechter Mensch davon wußte, der die Zusammenkunft dem Alten verrathen hatte. Kam es auf, daß sie bei Tobias heimlich im Garten war, dann hatte sie einen schlimmen Stand im Pfarrhaus und verlor vielleicht den Dienst, der ihr lieb geworden war, und für welchen den Ehestand einzutauschen sie nun keine so nahe Hoffnung mehr hatte.

Indem sie von Tobias den Blick mit Fleiß wegwendete, richtete sie ihn um so mehr auf die Pfarrleute und forschte wiederholt in ihren Mienen, ob sie schon etwas erfahren hätten, oder nicht.

Der geistliche Herr und seine Gattin führten zusammen ein stilles, friedliches und in seiner Art glück-

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[0069] so, was hätte sie für eine Gutthat als sein Weib? Schande mußte sie ausstehen mit ihm und ärgern mußte sie sich über ihn — weiter nichts. Nach einer so ruhigen Erwägung, wie das verletzte weibliche Selbstgefühl und die Geringschätzung eines Mannsbilds ohne Herz irgend zuließ, beschloß die Bäbe, den Schneider ohne Weiteres aufzugeben — ihn seinem Vater und der schönen Sibylle zu überlassen. Sie traute sich am End' auch noch Einen zu kriegen, und das einen Andern, als so Einen! Wenn das Verhältniß damit in ihren Augen zu Ende war, so konnte es doch noch üble Folgen für sie haben. Ein Vorfall, wie der gestrige, pflegt im Dorfe nicht leicht verschwiegen zu bleiben, und die Bäbe mußte annehmen, daß außer den beiden Schneidern noch irgend ein schlechter Mensch davon wußte, der die Zusammenkunft dem Alten verrathen hatte. Kam es auf, daß sie bei Tobias heimlich im Garten war, dann hatte sie einen schlimmen Stand im Pfarrhaus und verlor vielleicht den Dienst, der ihr lieb geworden war, und für welchen den Ehestand einzutauschen sie nun keine so nahe Hoffnung mehr hatte. Indem sie von Tobias den Blick mit Fleiß wegwendete, richtete sie ihn um so mehr auf die Pfarrleute und forschte wiederholt in ihren Mienen, ob sie schon etwas erfahren hätten, oder nicht. Der geistliche Herr und seine Gattin führten zusammen ein stilles, friedliches und in seiner Art glück-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/69>, abgerufen am 26.05.2024.