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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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Kaufmanns, also der Werth seiner Arbeit, auf eine künstliche Er-
höhung oder Erniedrigung des Werths aller Waaren zurückge-
führt werden muß. Ein Kaufmann gewinnt, wenn er Oel, oder
Eisenbahn-Actien recht wohlfeil kaufen kann, und nun den Au-
genblick abwartet, wo er dieselben recht hoch verkaufen kann; so
daß er, die Zinsen seines auf den Ankauf verwendeten Capitals
eingerechnet, dennoch einen großen Nutzen hat. Der Kaufmann
zieht also Vortheil von dem Verlust Anderer, seien es Kaufleute,
Erzeuger oder Verbraucher, welche aus Noth niedrig verkaufen
oder hoch einkaufen mußten. Der Kaufmann sieht also den
Mangel und Ueberfluß, das Angebot und den Begehr, die Un-
verhältnißmäßigkeit von Tausch- und Nutzwerth voraus; er be-
rechnet und muthmaßt. Und auf diese Muthmaßung und Be-
rechnung gründet sich sein Verdienst. "Wenn der Kaufmann,"
sagt der Großhändler, "nur auf Begehr der Einkäufer sich
nach der Waare umsieht, nur das Angebot der Verkäufer an den
Mann zu bringen sucht, so ist er ein bloßer Krämer." Das
auf Steigen und Fallen der Werthe beruhende Spiel des Han-
dels soll, glaubt der Volkswirthschaftslehrer, ewig so dauern.

Was ist nun der wahre Handel? Nicht der Krieg Aller
gegen Alle, das Lotterie- und Börsenspiel; sondern die Gliede-
rung des Umlaufs in ihrem innersten Mittelpunkte. Die Thei-
lung der Arbeit muß wieder zusammengefaßt, der Arbeiter und
der Umlauf wieder einander näher gerückt werden, zu wel-
chem Ende Proudhon anfänglich eine Tauschbank in jeder Ge-
meinde errichtet wissen wollte. Da Waare doch immer nur gegen
Waare gekauft wird, und wenn Geld statt der Einen Waare ge-
geben wird, dies nur den Sinn hat, daß, weil die andere Waare
im Augenblicke nicht zur Stelle ist, ein Vertreter derselben unter-
dessen gegeben wird, für den sie in jedem Augenblicke herzustellen
ist: so könnte jener kürzeste Weg des Tausches, wo er bequem
und vortheilhaft erscheint, wohl wieder eingeschlagen werden. Je-
der Arbeiter wird so erstens zum Handelsmann; er geht zum
Vorsteher der Tauschbank, eines Gemeinde-Bazars der verschie-
denartigsten Waaren, um zu sehen, ob er deren für sein Bedürf-
niß findet. Das, was sich in der Gemeinde nicht durch Tausch
ausgleichen läßt, verfällt dem Wege des gewöhnlichen Handels

Kaufmanns, alſo der Werth ſeiner Arbeit, auf eine künſtliche Er-
höhung oder Erniedrigung des Werths aller Waaren zurückge-
führt werden muß. Ein Kaufmann gewinnt, wenn er Oel, oder
Eiſenbahn-Actien recht wohlfeil kaufen kann, und nun den Au-
genblick abwartet, wo er dieſelben recht hoch verkaufen kann; ſo
daß er, die Zinſen ſeines auf den Ankauf verwendeten Capitals
eingerechnet, dennoch einen großen Nutzen hat. Der Kaufmann
zieht alſo Vortheil von dem Verluſt Anderer, ſeien es Kaufleute,
Erzeuger oder Verbraucher, welche aus Noth niedrig verkaufen
oder hoch einkaufen mußten. Der Kaufmann ſieht alſo den
Mangel und Ueberfluß, das Angebot und den Begehr, die Un-
verhältnißmäßigkeit von Tauſch- und Nutzwerth voraus; er be-
rechnet und muthmaßt. Und auf dieſe Muthmaßung und Be-
rechnung gründet ſich ſein Verdienſt. „Wenn der Kaufmann,‟
ſagt der Großhändler, „nur auf Begehr der Einkäufer ſich
nach der Waare umſieht, nur das Angebot der Verkäufer an den
Mann zu bringen ſucht, ſo iſt er ein bloßer Krämer.‟ Das
auf Steigen und Fallen der Werthe beruhende Spiel des Han-
dels ſoll, glaubt der Volkswirthſchaftslehrer, ewig ſo dauern.

Was iſt nun der wahre Handel? Nicht der Krieg Aller
gegen Alle, das Lotterie- und Börſenſpiel; ſondern die Gliede-
rung des Umlaufs in ihrem innerſten Mittelpunkte. Die Thei-
lung der Arbeit muß wieder zuſammengefaßt, der Arbeiter und
der Umlauf wieder einander näher gerückt werden, zu wel-
chem Ende Proudhon anfänglich eine Tauſchbank in jeder Ge-
meinde errichtet wiſſen wollte. Da Waare doch immer nur gegen
Waare gekauft wird, und wenn Geld ſtatt der Einen Waare ge-
geben wird, dies nur den Sinn hat, daß, weil die andere Waare
im Augenblicke nicht zur Stelle iſt, ein Vertreter derſelben unter-
deſſen gegeben wird, für den ſie in jedem Augenblicke herzuſtellen
iſt: ſo könnte jener kürzeſte Weg des Tauſches, wo er bequem
und vortheilhaft erſcheint, wohl wieder eingeſchlagen werden. Je-
der Arbeiter wird ſo erſtens zum Handelsmann; er geht zum
Vorſteher der Tauſchbank, eines Gemeinde-Bazars der verſchie-
denartigſten Waaren, um zu ſehen, ob er deren für ſein Bedürf-
niß findet. Das, was ſich in der Gemeinde nicht durch Tauſch
ausgleichen läßt, verfällt dem Wege des gewöhnlichen Handels

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[95/0105] Kaufmanns, alſo der Werth ſeiner Arbeit, auf eine künſtliche Er- höhung oder Erniedrigung des Werths aller Waaren zurückge- führt werden muß. Ein Kaufmann gewinnt, wenn er Oel, oder Eiſenbahn-Actien recht wohlfeil kaufen kann, und nun den Au- genblick abwartet, wo er dieſelben recht hoch verkaufen kann; ſo daß er, die Zinſen ſeines auf den Ankauf verwendeten Capitals eingerechnet, dennoch einen großen Nutzen hat. Der Kaufmann zieht alſo Vortheil von dem Verluſt Anderer, ſeien es Kaufleute, Erzeuger oder Verbraucher, welche aus Noth niedrig verkaufen oder hoch einkaufen mußten. Der Kaufmann ſieht alſo den Mangel und Ueberfluß, das Angebot und den Begehr, die Un- verhältnißmäßigkeit von Tauſch- und Nutzwerth voraus; er be- rechnet und muthmaßt. Und auf dieſe Muthmaßung und Be- rechnung gründet ſich ſein Verdienſt. „Wenn der Kaufmann,‟ ſagt der Großhändler, „nur auf Begehr der Einkäufer ſich nach der Waare umſieht, nur das Angebot der Verkäufer an den Mann zu bringen ſucht, ſo iſt er ein bloßer Krämer.‟ Das auf Steigen und Fallen der Werthe beruhende Spiel des Han- dels ſoll, glaubt der Volkswirthſchaftslehrer, ewig ſo dauern. Was iſt nun der wahre Handel? Nicht der Krieg Aller gegen Alle, das Lotterie- und Börſenſpiel; ſondern die Gliede- rung des Umlaufs in ihrem innerſten Mittelpunkte. Die Thei- lung der Arbeit muß wieder zuſammengefaßt, der Arbeiter und der Umlauf wieder einander näher gerückt werden, zu wel- chem Ende Proudhon anfänglich eine Tauſchbank in jeder Ge- meinde errichtet wiſſen wollte. Da Waare doch immer nur gegen Waare gekauft wird, und wenn Geld ſtatt der Einen Waare ge- geben wird, dies nur den Sinn hat, daß, weil die andere Waare im Augenblicke nicht zur Stelle iſt, ein Vertreter derſelben unter- deſſen gegeben wird, für den ſie in jedem Augenblicke herzuſtellen iſt: ſo könnte jener kürzeſte Weg des Tauſches, wo er bequem und vortheilhaft erſcheint, wohl wieder eingeſchlagen werden. Je- der Arbeiter wird ſo erſtens zum Handelsmann; er geht zum Vorſteher der Tauſchbank, eines Gemeinde-Bazars der verſchie- denartigſten Waaren, um zu ſehen, ob er deren für ſein Bedürf- niß findet. Das, was ſich in der Gemeinde nicht durch Tauſch ausgleichen läßt, verfällt dem Wege des gewöhnlichen Handels

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/105>, abgerufen am 21.11.2024.