Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

dem durch die Maschinen Arbeit und Lohn verringert wird, sind
sie Beides: Quelle des Reichthums und Ursache des Elends, --
dies für den Arbeiter, jenes für den Eigenthümer. Die Mechanik
hat das Capital des Fabricanten von der Unterdrückung der Ar-
beit befreit; denn nur er hat so viel Geld, die Maschine anzu-
schaffen. Also wenn die Maschinen mehr Freiheit auf der einen
Seite geben, so geben sie auch mehr Sklaverei auf der andern.
Das Nächste bei der Einführung einer Maschine ist, daß Arbeits-
kräfte außer Brod kommen; daher beginnen die Arbeiter damit,
sie zu zertrümmern. Nachher wird ihnen begreiflich gemacht, daß,
indem die Maschine die Arbeit erleichtert, auch mehr gearbeitet
werden kann, und die einen Augenblick unthätigen Hände auch
wieder, und noch mehrere dazu, herbeigezogen werden müssen. Aber
bald wird man inne, daß die erleichterte Arbeit auch den Preis
der Waare herabdrückt, und der Arbeiter sich darum mit einem
niedrigern Lohn begnügen muß, ohne daß die anderen Waaren,
wobei keine Maschinen wirkten, wohlfeiler würden. Uebererzeugung
und Mangel werden zugleich eintreten. Es kann keine Brüder-
schaft stattfinden zwischen Geschöpfen, wie sie die Theilung der
Arbeit und die Maschine gemacht haben.

Wir können nicht still stehen mit der Erzeugung der Waare,
wenn auch Ueberfluß da ist, weil sonst die Geld- und die Arbeits-
kräfte müßig liegen würden. Je mehr aber über das Bedürfniß
hinaus auf gut Glück erzeugt wird, desto wohlfeiler wird die
Waare. Einer sucht dem Andern in Wohlfeilheit des Preises zu-
vorzukommen, um mehr verkaufen zu können. Das erzeugt die
Concurrenz; sie ist die Versteigerung der Arbeit an den Min-
destfordernden. Die Concurrenz zerstört die Concurrenz. Ein
Verkäufer bringt den anderen durch größere Wohlfeilheit herunter;
durch sie vertilgen sich also die Proletarier gegenseitig, und der
größere Producent den kleinen Bürger. Aber die Concurrenz liegt
nicht nur im Preise; sie liegt auch in der Güte der Waare. Das
ist die heilsame Concurrenz, sagt man, der Verkäufer im Streben
nach dem Bessern. Wäre die Concurrenz ausgeschlossen, und je-
dem die Arbeit und der Lohn ohne Weiteres gewährleistet, so
würde die Anspannung des Gewerbfleißes nachlassen. Dies ist
so wahr, daß man sich ohne Concurrenz gar keine Fortschritte im

dem durch die Maſchinen Arbeit und Lohn verringert wird, ſind
ſie Beides: Quelle des Reichthums und Urſache des Elends, —
dies für den Arbeiter, jenes für den Eigenthümer. Die Mechanik
hat das Capital des Fabricanten von der Unterdrückung der Ar-
beit befreit; denn nur er hat ſo viel Geld, die Maſchine anzu-
ſchaffen. Alſo wenn die Maſchinen mehr Freiheit auf der einen
Seite geben, ſo geben ſie auch mehr Sklaverei auf der andern.
Das Nächſte bei der Einführung einer Maſchine iſt, daß Arbeits-
kräfte außer Brod kommen; daher beginnen die Arbeiter damit,
ſie zu zertrümmern. Nachher wird ihnen begreiflich gemacht, daß,
indem die Maſchine die Arbeit erleichtert, auch mehr gearbeitet
werden kann, und die einen Augenblick unthätigen Hände auch
wieder, und noch mehrere dazu, herbeigezogen werden müſſen. Aber
bald wird man inne, daß die erleichterte Arbeit auch den Preis
der Waare herabdrückt, und der Arbeiter ſich darum mit einem
niedrigern Lohn begnügen muß, ohne daß die anderen Waaren,
wobei keine Maſchinen wirkten, wohlfeiler würden. Uebererzeugung
und Mangel werden zugleich eintreten. Es kann keine Brüder-
ſchaft ſtattfinden zwiſchen Geſchöpfen, wie ſie die Theilung der
Arbeit und die Maſchine gemacht haben.

Wir können nicht ſtill ſtehen mit der Erzeugung der Waare,
wenn auch Ueberfluß da iſt, weil ſonſt die Geld- und die Arbeits-
kräfte müßig liegen würden. Je mehr aber über das Bedürfniß
hinaus auf gut Glück erzeugt wird, deſto wohlfeiler wird die
Waare. Einer ſucht dem Andern in Wohlfeilheit des Preiſes zu-
vorzukommen, um mehr verkaufen zu können. Das erzeugt die
Concurrenz; ſie iſt die Verſteigerung der Arbeit an den Min-
deſtfordernden. Die Concurrenz zerſtört die Concurrenz. Ein
Verkäufer bringt den anderen durch größere Wohlfeilheit herunter;
durch ſie vertilgen ſich alſo die Proletarier gegenſeitig, und der
größere Producent den kleinen Bürger. Aber die Concurrenz liegt
nicht nur im Preiſe; ſie liegt auch in der Güte der Waare. Das
iſt die heilſame Concurrenz, ſagt man, der Verkäufer im Streben
nach dem Beſſern. Wäre die Concurrenz ausgeſchloſſen, und je-
dem die Arbeit und der Lohn ohne Weiteres gewährleiſtet, ſo
würde die Anſpannung des Gewerbfleißes nachlaſſen. Dies iſt
ſo wahr, daß man ſich ohne Concurrenz gar keine Fortſchritte im

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0062" n="52"/>
dem durch die Ma&#x017F;chinen Arbeit und Lohn verringert wird, &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;ie Beides: Quelle des Reichthums und Ur&#x017F;ache des Elends, &#x2014;<lb/>
dies für den Arbeiter, jenes für den Eigenthümer. Die Mechanik<lb/>
hat das Capital des Fabricanten von der Unterdrückung der Ar-<lb/>
beit befreit; denn nur er hat &#x017F;o viel Geld, die Ma&#x017F;chine anzu-<lb/>
&#x017F;chaffen. Al&#x017F;o wenn die Ma&#x017F;chinen mehr Freiheit auf der einen<lb/>
Seite geben, &#x017F;o geben &#x017F;ie auch mehr Sklaverei auf der andern.<lb/>
Das Näch&#x017F;te bei der Einführung einer Ma&#x017F;chine i&#x017F;t, daß Arbeits-<lb/>
kräfte außer Brod kommen; daher beginnen die Arbeiter damit,<lb/>
&#x017F;ie zu zertrümmern. Nachher wird ihnen begreiflich gemacht, daß,<lb/>
indem die Ma&#x017F;chine die Arbeit erleichtert, auch mehr gearbeitet<lb/>
werden kann, und die einen Augenblick unthätigen Hände auch<lb/>
wieder, und noch mehrere dazu, herbeigezogen werden mü&#x017F;&#x017F;en. Aber<lb/>
bald wird man inne, daß die erleichterte Arbeit auch den Preis<lb/>
der Waare herabdrückt, und der Arbeiter &#x017F;ich darum mit einem<lb/>
niedrigern Lohn begnügen muß, ohne daß die anderen Waaren,<lb/>
wobei keine Ma&#x017F;chinen wirkten, wohlfeiler würden. Uebererzeugung<lb/>
und Mangel werden zugleich eintreten. Es kann keine Brüder-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;tattfinden zwi&#x017F;chen Ge&#x017F;chöpfen, wie &#x017F;ie die Theilung der<lb/>
Arbeit und die Ma&#x017F;chine gemacht haben.</p><lb/>
          <p>Wir können nicht &#x017F;till &#x017F;tehen mit der Erzeugung der Waare,<lb/>
wenn auch Ueberfluß da i&#x017F;t, weil &#x017F;on&#x017F;t die Geld- und die Arbeits-<lb/>
kräfte müßig liegen würden. Je mehr aber über das Bedürfniß<lb/>
hinaus auf gut Glück erzeugt wird, de&#x017F;to wohlfeiler wird die<lb/>
Waare. Einer &#x017F;ucht dem Andern in Wohlfeilheit des Prei&#x017F;es zu-<lb/>
vorzukommen, um mehr verkaufen zu können. Das erzeugt die<lb/><hi rendition="#g">Concurrenz;</hi> &#x017F;ie i&#x017F;t die Ver&#x017F;teigerung der Arbeit an den Min-<lb/>
de&#x017F;tfordernden. Die Concurrenz zer&#x017F;tört die Concurrenz. Ein<lb/>
Verkäufer bringt den anderen durch größere Wohlfeilheit herunter;<lb/>
durch &#x017F;ie vertilgen &#x017F;ich al&#x017F;o die Proletarier gegen&#x017F;eitig, und der<lb/>
größere Producent den kleinen Bürger. Aber die Concurrenz liegt<lb/>
nicht nur im Prei&#x017F;e; &#x017F;ie liegt auch in der Güte der Waare. Das<lb/>
i&#x017F;t die heil&#x017F;ame Concurrenz, &#x017F;agt man, der Verkäufer im Streben<lb/>
nach dem Be&#x017F;&#x017F;ern. Wäre die Concurrenz ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, und je-<lb/>
dem die Arbeit und der Lohn ohne Weiteres gewährlei&#x017F;tet, &#x017F;o<lb/>
würde die An&#x017F;pannung des Gewerbfleißes nachla&#x017F;&#x017F;en. Dies i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o wahr, daß man &#x017F;ich ohne Concurrenz gar keine Fort&#x017F;chritte im<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] dem durch die Maſchinen Arbeit und Lohn verringert wird, ſind ſie Beides: Quelle des Reichthums und Urſache des Elends, — dies für den Arbeiter, jenes für den Eigenthümer. Die Mechanik hat das Capital des Fabricanten von der Unterdrückung der Ar- beit befreit; denn nur er hat ſo viel Geld, die Maſchine anzu- ſchaffen. Alſo wenn die Maſchinen mehr Freiheit auf der einen Seite geben, ſo geben ſie auch mehr Sklaverei auf der andern. Das Nächſte bei der Einführung einer Maſchine iſt, daß Arbeits- kräfte außer Brod kommen; daher beginnen die Arbeiter damit, ſie zu zertrümmern. Nachher wird ihnen begreiflich gemacht, daß, indem die Maſchine die Arbeit erleichtert, auch mehr gearbeitet werden kann, und die einen Augenblick unthätigen Hände auch wieder, und noch mehrere dazu, herbeigezogen werden müſſen. Aber bald wird man inne, daß die erleichterte Arbeit auch den Preis der Waare herabdrückt, und der Arbeiter ſich darum mit einem niedrigern Lohn begnügen muß, ohne daß die anderen Waaren, wobei keine Maſchinen wirkten, wohlfeiler würden. Uebererzeugung und Mangel werden zugleich eintreten. Es kann keine Brüder- ſchaft ſtattfinden zwiſchen Geſchöpfen, wie ſie die Theilung der Arbeit und die Maſchine gemacht haben. Wir können nicht ſtill ſtehen mit der Erzeugung der Waare, wenn auch Ueberfluß da iſt, weil ſonſt die Geld- und die Arbeits- kräfte müßig liegen würden. Je mehr aber über das Bedürfniß hinaus auf gut Glück erzeugt wird, deſto wohlfeiler wird die Waare. Einer ſucht dem Andern in Wohlfeilheit des Preiſes zu- vorzukommen, um mehr verkaufen zu können. Das erzeugt die Concurrenz; ſie iſt die Verſteigerung der Arbeit an den Min- deſtfordernden. Die Concurrenz zerſtört die Concurrenz. Ein Verkäufer bringt den anderen durch größere Wohlfeilheit herunter; durch ſie vertilgen ſich alſo die Proletarier gegenſeitig, und der größere Producent den kleinen Bürger. Aber die Concurrenz liegt nicht nur im Preiſe; ſie liegt auch in der Güte der Waare. Das iſt die heilſame Concurrenz, ſagt man, der Verkäufer im Streben nach dem Beſſern. Wäre die Concurrenz ausgeſchloſſen, und je- dem die Arbeit und der Lohn ohne Weiteres gewährleiſtet, ſo würde die Anſpannung des Gewerbfleißes nachlaſſen. Dies iſt ſo wahr, daß man ſich ohne Concurrenz gar keine Fortſchritte im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/62
Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/62>, abgerufen am 17.05.2024.