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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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IV. Hypochondrische Studien.
angehören, daß Sie Gebäude auf ihrem Grund und Boden
aufführen, was wird Ihr Hausarzt dazu sagen?

-- O, was das anlangt, so könnte ich nur auf Nord-
amerika
verweisen, wo die Squatter, Leute, die sich auf
Ländereien anbauten, auf welche sie kein Eigenthumsrecht
hatten, für die Colonisation des Welttheils so wichtig ge-
worden sind. Einer Vertheidigung bedarf es aber gar nicht,
denn diese Herren Aerzte und Physiologen beschränken sich
ja auch keineswegs auf ihr Revier, sondern machen weite
Streifzüge ringsum in andere Gebiete, nur daß sie dabei
weniger aufbauen als niederreißen, sengen und brennen,
auch Weiber und Kinder nicht schonen. Gesteht doch jeder
der Herren unter vier Augen, daß man mit den Nerven
so wenig fertig werde, wie mit der Cholera und so vielem
Andern, trotzdem unabsehbare Batterien von messingenen
und gläsernen Röhren mit und ohne Kolben, Legionen von
anatomischen, chemischen, physikalischen, mathematischen Ge-
räthen aus allen Arsenalen der Wissenschaft dafür in Be-
wegung sind.

-- Um so weniger werden sie zugeben, daß ein Laie
klüger sein will, als sie selber.

-- Müssen sich doch auch die Astronomen gefallen lassen,
daß Uhrmacher und Postsecretäre Cometen entdecken. Der
Verstand der Verständigen sieht oft vor Bäumen den Wald
nicht. Uebrigens können mich die zünftigen Heilkünstler nicht
der Medicinalpfuscherei anklagen, denn mein System baue ich
nur zu meinem Privatgebrauche, und schon das Sprüchwort
sagt, daß Jeder selbst sein bester Arzt sei.

-- Kein Sprüchwort duldet allgemeine Anwendung, die
besten sind nur halbwahr. Ich möchte in diesem Falle gerade
umgekehrt behaupten, daß ein nervöser Mensch sich selbst
der schlechteste Arzt ist und der ärgste Pfuscher ihn schwerlich
so herunterbringen kann, wie er sich selbst. Denn während
die meisten anderen Organe unseres Körpers sehr bald und
sehr deutlich es kund geben, wenn wir durch irgend ein Thun

IV. Hypochondriſche Studien.
angehören, daß Sie Gebäude auf ihrem Grund und Boden
aufführen, was wird Ihr Hausarzt dazu ſagen?

— O, was das anlangt, ſo könnte ich nur auf Nord-
amerika
verweiſen, wo die Squatter, Leute, die ſich auf
Ländereien anbauten, auf welche ſie kein Eigenthumsrecht
hatten, für die Coloniſation des Welttheils ſo wichtig ge-
worden ſind. Einer Vertheidigung bedarf es aber gar nicht,
denn dieſe Herren Aerzte und Phyſiologen beſchränken ſich
ja auch keineswegs auf ihr Revier, ſondern machen weite
Streifzüge ringsum in andere Gebiete, nur daß ſie dabei
weniger aufbauen als niederreißen, ſengen und brennen,
auch Weiber und Kinder nicht ſchonen. Geſteht doch jeder
der Herren unter vier Augen, daß man mit den Nerven
ſo wenig fertig werde, wie mit der Cholera und ſo vielem
Andern, trotzdem unabſehbare Batterien von meſſingenen
und gläſernen Röhren mit und ohne Kolben, Legionen von
anatomiſchen, chemiſchen, phyſikaliſchen, mathematiſchen Ge-
räthen aus allen Arſenalen der Wiſſenſchaft dafür in Be-
wegung ſind.

— Um ſo weniger werden ſie zugeben, daß ein Laie
klüger ſein will, als ſie ſelber.

— Müſſen ſich doch auch die Aſtronomen gefallen laſſen,
daß Uhrmacher und Poſtſecretäre Cometen entdecken. Der
Verſtand der Verſtändigen ſieht oft vor Bäumen den Wald
nicht. Uebrigens können mich die zünftigen Heilkünſtler nicht
der Medicinalpfuſcherei anklagen, denn mein Syſtem baue ich
nur zu meinem Privatgebrauche, und ſchon das Sprüchwort
ſagt, daß Jeder ſelbſt ſein beſter Arzt ſei.

— Kein Sprüchwort duldet allgemeine Anwendung, die
beſten ſind nur halbwahr. Ich möchte in dieſem Falle gerade
umgekehrt behaupten, daß ein nervöſer Menſch ſich ſelbſt
der ſchlechteſte Arzt iſt und der ärgſte Pfuſcher ihn ſchwerlich
ſo herunterbringen kann, wie er ſich ſelbſt. Denn während
die meiſten anderen Organe unſeres Körpers ſehr bald und
ſehr deutlich es kund geben, wenn wir durch irgend ein Thun

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[95/0109] IV. Hypochondriſche Studien. angehören, daß Sie Gebäude auf ihrem Grund und Boden aufführen, was wird Ihr Hausarzt dazu ſagen? — O, was das anlangt, ſo könnte ich nur auf Nord- amerika verweiſen, wo die Squatter, Leute, die ſich auf Ländereien anbauten, auf welche ſie kein Eigenthumsrecht hatten, für die Coloniſation des Welttheils ſo wichtig ge- worden ſind. Einer Vertheidigung bedarf es aber gar nicht, denn dieſe Herren Aerzte und Phyſiologen beſchränken ſich ja auch keineswegs auf ihr Revier, ſondern machen weite Streifzüge ringsum in andere Gebiete, nur daß ſie dabei weniger aufbauen als niederreißen, ſengen und brennen, auch Weiber und Kinder nicht ſchonen. Geſteht doch jeder der Herren unter vier Augen, daß man mit den Nerven ſo wenig fertig werde, wie mit der Cholera und ſo vielem Andern, trotzdem unabſehbare Batterien von meſſingenen und gläſernen Röhren mit und ohne Kolben, Legionen von anatomiſchen, chemiſchen, phyſikaliſchen, mathematiſchen Ge- räthen aus allen Arſenalen der Wiſſenſchaft dafür in Be- wegung ſind. — Um ſo weniger werden ſie zugeben, daß ein Laie klüger ſein will, als ſie ſelber. — Müſſen ſich doch auch die Aſtronomen gefallen laſſen, daß Uhrmacher und Poſtſecretäre Cometen entdecken. Der Verſtand der Verſtändigen ſieht oft vor Bäumen den Wald nicht. Uebrigens können mich die zünftigen Heilkünſtler nicht der Medicinalpfuſcherei anklagen, denn mein Syſtem baue ich nur zu meinem Privatgebrauche, und ſchon das Sprüchwort ſagt, daß Jeder ſelbſt ſein beſter Arzt ſei. — Kein Sprüchwort duldet allgemeine Anwendung, die beſten ſind nur halbwahr. Ich möchte in dieſem Falle gerade umgekehrt behaupten, daß ein nervöſer Menſch ſich ſelbſt der ſchlechteſte Arzt iſt und der ärgſte Pfuſcher ihn ſchwerlich ſo herunterbringen kann, wie er ſich ſelbſt. Denn während die meiſten anderen Organe unſeres Körpers ſehr bald und ſehr deutlich es kund geben, wenn wir durch irgend ein Thun

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/109>, abgerufen am 21.11.2024.