V. Sitzen im Freien -- Bänke -- Wünsche und Beschwerden.
Reihe alter Bäume, welche den Weg in den heißesten Stunden beschattet, so lange stehen zu lassen, bis der Nachwuchs sie vertritt. Forstmänner wissen vielleicht noch in anderer Weise Rath zu schaffen.
Zu Wegweisern genügen Brettchen, an einen Baum genagelt oder, wo ein Felsblock vorhanden, eingemeißelt. Je mehr die leitende Behörde solcher Inschriften auf Brettern und Steinen anbringen läßt, je mehr "Steine im Brett" wird sie bei ihren Gästen haben, je wärmer werden diese daheim ihre Sorgfalt rühmen und je zahlreicheren Besuch nach- ziehen.
Für die Genesung ebenso wichtig als Körperbewegung ist die Ruhe, der sitzende Aufenthalt im Freien, darum kann in der Zahl der Bänke des Guten nie zu viel gethan werden. Eichenholz und Gußeisen ist nicht erforderlich, nur Lehnen müssen sie haben und auf Wiesen- und Waldwege so vertheilt sein, daß sie einige Auswahl bieten, je nach der Beschaffenheit des Wetters, schattig, sonnig, windgeschützt oder frei liegend.
Hier und da geht die Fürsorge für Ankommende so weit, daß ein Verzeichniß bereit liegt, aus dem sie ohne viel Laufen und Fragen sehen können, welche Wohnungen zur Verfügung stehen, eine Aufmerksamkeit, die dem ersten Eindruck mehr zu statten kommt, als ein Musikständchen. Zuweilen sind Bücher vorhanden für Beschwerden und Wünsche, anderswo werden sie durch Anschläge am schwarzen Brett des Curhauses kund- gethan, oder durch Rundschreiben mit gesammelten Unter- schriften. Viel Gebrauch wird von alledem nicht gemacht, weil man sich scheut, mit seiner Person dafür einzutreten. Ein eifriger Vorstand, von der Ahnung geleitet, daß unter den anwesenden Fremden noch "so manches Sehnen, das nicht laut sein will" vorhanden sein möge, und mit dem Wunsche, dieses herauszulocken, ist einmal auf die Idee verfallen, einen Brief- und Zettelkasten für derlei anzulegen, eine Einrichtung, die beiläufig registrirt sein mag.
V. Sitzen im Freien — Bänke — Wünſche und Beſchwerden.
Reihe alter Bäume, welche den Weg in den heißeſten Stunden beſchattet, ſo lange ſtehen zu laſſen, bis der Nachwuchs ſie vertritt. Forſtmänner wiſſen vielleicht noch in anderer Weiſe Rath zu ſchaffen.
Zu Wegweiſern genügen Brettchen, an einen Baum genagelt oder, wo ein Felsblock vorhanden, eingemeißelt. Je mehr die leitende Behörde ſolcher Inſchriften auf Brettern und Steinen anbringen läßt, je mehr „Steine im Brett“ wird ſie bei ihren Gäſten haben, je wärmer werden dieſe daheim ihre Sorgfalt rühmen und je zahlreicheren Beſuch nach- ziehen.
Für die Geneſung ebenſo wichtig als Körperbewegung iſt die Ruhe, der ſitzende Aufenthalt im Freien, darum kann in der Zahl der Bänke des Guten nie zu viel gethan werden. Eichenholz und Gußeiſen iſt nicht erforderlich, nur Lehnen müſſen ſie haben und auf Wieſen- und Waldwege ſo vertheilt ſein, daß ſie einige Auswahl bieten, je nach der Beſchaffenheit des Wetters, ſchattig, ſonnig, windgeſchützt oder frei liegend.
Hier und da geht die Fürſorge für Ankommende ſo weit, daß ein Verzeichniß bereit liegt, aus dem ſie ohne viel Laufen und Fragen ſehen können, welche Wohnungen zur Verfügung ſtehen, eine Aufmerkſamkeit, die dem erſten Eindruck mehr zu ſtatten kommt, als ein Muſikſtändchen. Zuweilen ſind Bücher vorhanden für Beſchwerden und Wünſche, anderswo werden ſie durch Anſchläge am ſchwarzen Brett des Curhauſes kund- gethan, oder durch Rundſchreiben mit geſammelten Unter- ſchriften. Viel Gebrauch wird von alledem nicht gemacht, weil man ſich ſcheut, mit ſeiner Perſon dafür einzutreten. Ein eifriger Vorſtand, von der Ahnung geleitet, daß unter den anweſenden Fremden noch „ſo manches Sehnen, das nicht laut ſein will“ vorhanden ſein möge, und mit dem Wunſche, dieſes herauszulocken, iſt einmal auf die Idee verfallen, einen Brief- und Zettelkaſten für derlei anzulegen, eine Einrichtung, die beiläufig regiſtrirt ſein mag.
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V. Sitzen im Freien — Bänke — Wünſche und Beſchwerden.
Reihe alter Bäume, welche den Weg in den heißeſten Stunden
beſchattet, ſo lange ſtehen zu laſſen, bis der Nachwuchs ſie
vertritt. Forſtmänner wiſſen vielleicht noch in anderer Weiſe
Rath zu ſchaffen.
Zu Wegweiſern genügen Brettchen, an einen Baum
genagelt oder, wo ein Felsblock vorhanden, eingemeißelt.
Je mehr die leitende Behörde ſolcher Inſchriften auf Brettern
und Steinen anbringen läßt, je mehr „Steine im Brett“ wird
ſie bei ihren Gäſten haben, je wärmer werden dieſe daheim
ihre Sorgfalt rühmen und je zahlreicheren Beſuch nach-
ziehen.
Für die Geneſung ebenſo wichtig als Körperbewegung iſt
die Ruhe, der ſitzende Aufenthalt im Freien, darum
kann in der Zahl der Bänke des Guten nie zu viel gethan
werden. Eichenholz und Gußeiſen iſt nicht erforderlich, nur
Lehnen müſſen ſie haben und auf Wieſen- und Waldwege ſo
vertheilt ſein, daß ſie einige Auswahl bieten, je nach der
Beſchaffenheit des Wetters, ſchattig, ſonnig, windgeſchützt
oder frei liegend.
Hier und da geht die Fürſorge für Ankommende ſo weit,
daß ein Verzeichniß bereit liegt, aus dem ſie ohne viel Laufen
und Fragen ſehen können, welche Wohnungen zur Verfügung
ſtehen, eine Aufmerkſamkeit, die dem erſten Eindruck mehr zu
ſtatten kommt, als ein Muſikſtändchen. Zuweilen ſind Bücher
vorhanden für Beſchwerden und Wünſche, anderswo werden
ſie durch Anſchläge am ſchwarzen Brett des Curhauſes kund-
gethan, oder durch Rundſchreiben mit geſammelten Unter-
ſchriften. Viel Gebrauch wird von alledem nicht gemacht,
weil man ſich ſcheut, mit ſeiner Perſon dafür einzutreten.
Ein eifriger Vorſtand, von der Ahnung geleitet, daß unter
den anweſenden Fremden noch „ſo manches Sehnen, das nicht
laut ſein will“ vorhanden ſein möge, und mit dem Wunſche,
dieſes herauszulocken, iſt einmal auf die Idee verfallen, einen
Brief- und Zettelkaſten für derlei anzulegen, eine Einrichtung,
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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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