Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Stockfischfänger u. Piraten -- Zudringlichkeiten -- Händler.
fast stets Frucht des Prämien- und Tantiemesystems. Um-
gekehrt ist auch auf Warnungen solcher Leute nichts zu geben.
Hier und da pflegen zwar sonst lobenswerthe Wirthe zu derlei
Mitteln zu greifen oder sie von Untergebenen zu dulden (wie
es auch in Kunst und Wissenschaft Männer von Verdienst
gibt, die trotzdem sich der Marktschreierei nicht enthalten kön-
nen), diese Ausnahmen sind aber doch ungemein selten:
unter zehn gehören neun in die Classe der gewöhnlichen Stock-
fischfänger, einige sind auch für gelegentliche Piraterie in
großem Stile ausgerüstet und bewaffnet. Beiläufig bemerkt,
halte ich es so auch in Bezug auf Handwerker, Händler,
Führer, die mir von anderen Leuten unaufgefordert mit wein-
reisender Beflissenheit angepriesen werden, denn auch solche
Empfehlungen beruhen auf Provisionsreiterei oder Camera-
derie. Wirthe, mit denen ich sehr unzufrieden war, frage ich
stets nach Collegen in anderen Orten, nur um mich vor
ihren Schützlingen zu hüten.

Ich mochte wohl Zeichen der Ungeduld gegeben haben,
daß wir uns so lange beim Negativen aufhielten, denn ich
bemerkte, daß Vater Ulysses sein maliciöses Gesicht machte,
was er stets that, wenn er noch nicht Lust hatte, direct zu
antworten, und mir so recht zu Gemüthe führen wollte, wie
sehr ich seiner Unterweisung bedürfe. -- Ihr Deutschen, ließ
er sich endlich vernehmen, seid auf dem Wege, Euer parla-
mentarisches Leben auszubilden. Dazu gehört aber auch, daß
Ihr lernt, einen Redner anzuhören. Mag er Euch ermüdend,
inhaltslos erscheinen, mag er es wirklich sein, habt Ihr ihn
gewählt und hat er das Wort, so laßt ihn sprechen und unter-
brecht ihn nicht. -- In sanfterem Tone fuhr er nach neuer
Pause fort. Sie wissen, Telemach, daß unser Ahnherr aus
Ithaka und sein Steuermann sich hauptsächlich leiten ließen
von Eingebungen der Pallas Athene, denn was ihnen der
feindlich gesinnte Umuferer zublies, überwog das von ihrem
schwächlichen Freunde Aeolus Ausgegangene weit und würde
sie verdorben haben, hätte nicht die glutäugige Tochter des

VI. Stockfiſchfänger u. Piraten — Zudringlichkeiten — Händler.
faſt ſtets Frucht des Prämien- und Tantièmeſyſtems. Um-
gekehrt iſt auch auf Warnungen ſolcher Leute nichts zu geben.
Hier und da pflegen zwar ſonſt lobenswerthe Wirthe zu derlei
Mitteln zu greifen oder ſie von Untergebenen zu dulden (wie
es auch in Kunſt und Wiſſenſchaft Männer von Verdienſt
gibt, die trotzdem ſich der Marktſchreierei nicht enthalten kön-
nen), dieſe Ausnahmen ſind aber doch ungemein ſelten:
unter zehn gehören neun in die Claſſe der gewöhnlichen Stock-
fiſchfänger, einige ſind auch für gelegentliche Piraterie in
großem Stile ausgerüſtet und bewaffnet. Beiläufig bemerkt,
halte ich es ſo auch in Bezug auf Handwerker, Händler,
Führer, die mir von anderen Leuten unaufgefordert mit wein-
reiſender Befliſſenheit angeprieſen werden, denn auch ſolche
Empfehlungen beruhen auf Proviſionsreiterei oder Camera-
derie. Wirthe, mit denen ich ſehr unzufrieden war, frage ich
ſtets nach Collegen in anderen Orten, nur um mich vor
ihren Schützlingen zu hüten.

Ich mochte wohl Zeichen der Ungeduld gegeben haben,
daß wir uns ſo lange beim Negativen aufhielten, denn ich
bemerkte, daß Vater Ulyſſes ſein maliciöſes Geſicht machte,
was er ſtets that, wenn er noch nicht Luſt hatte, direct zu
antworten, und mir ſo recht zu Gemüthe führen wollte, wie
ſehr ich ſeiner Unterweiſung bedürfe. — Ihr Deutſchen, ließ
er ſich endlich vernehmen, ſeid auf dem Wege, Euer parla-
mentariſches Leben auszubilden. Dazu gehört aber auch, daß
Ihr lernt, einen Redner anzuhören. Mag er Euch ermüdend,
inhaltslos erſcheinen, mag er es wirklich ſein, habt Ihr ihn
gewählt und hat er das Wort, ſo laßt ihn ſprechen und unter-
brecht ihn nicht. — In ſanfterem Tone fuhr er nach neuer
Pauſe fort. Sie wiſſen, Telemach, daß unſer Ahnherr aus
Ithaka und ſein Steuermann ſich hauptſächlich leiten ließen
von Eingebungen der Pallas Athene, denn was ihnen der
feindlich geſinnte Umuferer zublies, überwog das von ihrem
ſchwächlichen Freunde Aeolus Ausgegangene weit und würde
ſie verdorben haben, hätte nicht die glutäugige Tochter des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="167"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Stockfi&#x017F;chfänger u. Piraten &#x2014; Zudringlichkeiten &#x2014; Händler.</fw><lb/>
fa&#x017F;t &#x017F;tets Frucht des Prämien- und Tanti<hi rendition="#aq">è</hi>me&#x017F;y&#x017F;tems. Um-<lb/>
gekehrt i&#x017F;t auch auf Warnungen &#x017F;olcher Leute nichts zu geben.<lb/>
Hier und da pflegen zwar &#x017F;on&#x017F;t lobenswerthe Wirthe zu derlei<lb/>
Mitteln zu greifen oder &#x017F;ie von Untergebenen zu dulden (wie<lb/>
es auch in Kun&#x017F;t und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft Männer von Verdien&#x017F;t<lb/>
gibt, die trotzdem &#x017F;ich der Markt&#x017F;chreierei nicht enthalten kön-<lb/>
nen), die&#x017F;e Ausnahmen &#x017F;ind aber doch ungemein &#x017F;elten:<lb/>
unter zehn gehören neun in die Cla&#x017F;&#x017F;e der gewöhnlichen Stock-<lb/>
fi&#x017F;chfänger, einige &#x017F;ind auch für gelegentliche Piraterie in<lb/>
großem Stile ausgerü&#x017F;tet und bewaffnet. Beiläufig bemerkt,<lb/>
halte ich es &#x017F;o auch in Bezug auf Handwerker, Händler,<lb/>
Führer, die mir von anderen Leuten unaufgefordert mit wein-<lb/>
rei&#x017F;ender Befli&#x017F;&#x017F;enheit angeprie&#x017F;en werden, denn auch &#x017F;olche<lb/>
Empfehlungen beruhen auf Provi&#x017F;ionsreiterei oder Camera-<lb/>
derie. Wirthe, mit denen ich &#x017F;ehr unzufrieden war, frage ich<lb/>
&#x017F;tets nach Collegen in anderen Orten, nur um mich vor<lb/>
ihren Schützlingen zu hüten.</p><lb/>
        <p>Ich mochte wohl Zeichen der Ungeduld gegeben haben,<lb/>
daß wir uns &#x017F;o lange beim Negativen aufhielten, denn ich<lb/>
bemerkte, daß Vater Uly&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ein maliciö&#x017F;es Ge&#x017F;icht machte,<lb/>
was er &#x017F;tets that, wenn er noch nicht Lu&#x017F;t hatte, direct zu<lb/>
antworten, und mir &#x017F;o recht zu Gemüthe führen wollte, wie<lb/>
&#x017F;ehr ich &#x017F;einer Unterwei&#x017F;ung bedürfe. &#x2014; Ihr Deut&#x017F;chen, ließ<lb/>
er &#x017F;ich endlich vernehmen, &#x017F;eid auf dem Wege, Euer parla-<lb/>
mentari&#x017F;ches Leben auszubilden. Dazu gehört aber auch, daß<lb/>
Ihr lernt, einen Redner anzuhören. Mag er Euch ermüdend,<lb/>
inhaltslos er&#x017F;cheinen, mag er es wirklich &#x017F;ein, habt Ihr ihn<lb/>
gewählt und hat er das Wort, &#x017F;o laßt ihn &#x017F;prechen und unter-<lb/>
brecht ihn nicht. &#x2014; In &#x017F;anfterem Tone fuhr er nach neuer<lb/>
Pau&#x017F;e fort. Sie wi&#x017F;&#x017F;en, Telemach, daß un&#x017F;er Ahnherr aus<lb/><placeName>Ithaka</placeName> und &#x017F;ein Steuermann &#x017F;ich haupt&#x017F;ächlich leiten ließen<lb/>
von Eingebungen der Pallas Athene, denn was ihnen der<lb/>
feindlich ge&#x017F;innte Umuferer zublies, überwog das von ihrem<lb/>
&#x017F;chwächlichen Freunde Aeolus Ausgegangene weit und würde<lb/>
&#x017F;ie verdorben haben, hätte nicht die glutäugige Tochter des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0181] VI. Stockfiſchfänger u. Piraten — Zudringlichkeiten — Händler. faſt ſtets Frucht des Prämien- und Tantièmeſyſtems. Um- gekehrt iſt auch auf Warnungen ſolcher Leute nichts zu geben. Hier und da pflegen zwar ſonſt lobenswerthe Wirthe zu derlei Mitteln zu greifen oder ſie von Untergebenen zu dulden (wie es auch in Kunſt und Wiſſenſchaft Männer von Verdienſt gibt, die trotzdem ſich der Marktſchreierei nicht enthalten kön- nen), dieſe Ausnahmen ſind aber doch ungemein ſelten: unter zehn gehören neun in die Claſſe der gewöhnlichen Stock- fiſchfänger, einige ſind auch für gelegentliche Piraterie in großem Stile ausgerüſtet und bewaffnet. Beiläufig bemerkt, halte ich es ſo auch in Bezug auf Handwerker, Händler, Führer, die mir von anderen Leuten unaufgefordert mit wein- reiſender Befliſſenheit angeprieſen werden, denn auch ſolche Empfehlungen beruhen auf Proviſionsreiterei oder Camera- derie. Wirthe, mit denen ich ſehr unzufrieden war, frage ich ſtets nach Collegen in anderen Orten, nur um mich vor ihren Schützlingen zu hüten. Ich mochte wohl Zeichen der Ungeduld gegeben haben, daß wir uns ſo lange beim Negativen aufhielten, denn ich bemerkte, daß Vater Ulyſſes ſein maliciöſes Geſicht machte, was er ſtets that, wenn er noch nicht Luſt hatte, direct zu antworten, und mir ſo recht zu Gemüthe führen wollte, wie ſehr ich ſeiner Unterweiſung bedürfe. — Ihr Deutſchen, ließ er ſich endlich vernehmen, ſeid auf dem Wege, Euer parla- mentariſches Leben auszubilden. Dazu gehört aber auch, daß Ihr lernt, einen Redner anzuhören. Mag er Euch ermüdend, inhaltslos erſcheinen, mag er es wirklich ſein, habt Ihr ihn gewählt und hat er das Wort, ſo laßt ihn ſprechen und unter- brecht ihn nicht. — In ſanfterem Tone fuhr er nach neuer Pauſe fort. Sie wiſſen, Telemach, daß unſer Ahnherr aus Ithaka und ſein Steuermann ſich hauptſächlich leiten ließen von Eingebungen der Pallas Athene, denn was ihnen der feindlich geſinnte Umuferer zublies, überwog das von ihrem ſchwächlichen Freunde Aeolus Ausgegangene weit und würde ſie verdorben haben, hätte nicht die glutäugige Tochter des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/181
Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/181>, abgerufen am 21.11.2024.