Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Antibritisches Sperrsystem -- keep your distance. -- Muß für meinen Theil sehr danken, fällt ein rheini- Kaum hat der Gastwirth seinem Herzen Luft gemacht und VII. Antibritiſches Sperrſyſtem — keep your distance. — Muß für meinen Theil ſehr danken, fällt ein rheini- Kaum hat der Gaſtwirth ſeinem Herzen Luft gemacht und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0219" n="205"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Antibritiſches Sperrſyſtem — <hi rendition="#aq">keep your distance.</hi></fw><lb/> <p>— Muß für meinen Theil ſehr danken, fällt ein rheini-<lb/> ſcher H<hi rendition="#aq">ô</hi>telier mit gedämpfter Stimme ein. Mein Geſchäfts-<lb/> grundſatz iſt: keine Engländer aufzunehmen. Mein Perſonal<lb/> iſt darauf eingeübt, ſie als ſolche, auch wenn ſie nicht engliſch<lb/> ſprechen, zu erkennen und Mittel zu finden, ſie los zu wer-<lb/> den, ohne geradezu unhöflich zu ſein. Von Mitgliedern aller<lb/> übrigen Nationen, die ich beherbergt, einſchließlich zweier<lb/> Neuſeeländer und eines Hottentotten, habe ich zuſammen-<lb/> genommen nicht ſo viel Mühe und Aerger gehabt, als von<lb/> John Bull die Jahre hindurch, in denen ich das antibritiſche<lb/> Sperrſyſtem noch nicht eingeführt. Kein anderes menſchliches<lb/> Weſen macht ſo viele, mannigfaltige, unbillige Anſprüche, iſt<lb/> ſo halsſtarrig in ſeinen Eigenheiten und Wunderlichkeiten, ſo<lb/> mißtrauiſch, ungeberdig, anmaßend, vor Allem ſo knickerig<lb/> und zur Chicane geneigt, als der Engländer. Außerdem ge-<lb/> hört es zu den Eigenthümlichkeiten dieſes Volksſtamms, Löcher<lb/> in die Wände zu bohren und die Sofas mit Wichſe zu be-<lb/> ſudeln.</p><lb/> <p>Kaum hat der Gaſtwirth ſeinem Herzen Luft gemacht und<lb/> ſchöpft Athem, ſo wendet ſich der Rheinländer gegen den Ver-<lb/> mittler. — Sie irren. Wie auf dem Feſtlande, ſo ſchließt<lb/> ſich der Engländer auch drüben auf ſeiner Inſel ab. Sein<lb/> Haus, von außen düſter und abſtoßend, iſt Tag und Nacht<lb/> verſchloſſen, zum Ueberfluß hat er es noch mit Mauern und<lb/> Gittern eingefaßt: es iſt ſeine „Burg“. Auch ſeine Felder<lb/> umgibt er mit Dornenhecken. Genau ſo hält er es mit ſeiner<lb/> Perſon. Dieſe ſperrt ſich entweder in ihr Haus ab, oder in<lb/> ihren Club (zu Deutſch: Keule, geballte Fauſt, Grobian)<lb/> oder, wenn er ein Kaffeehaus beſucht, zwiſchen Bretter-<lb/> verſchläge. Nie ſieht man Gold, Koſtbarkeiten, Schmuck an<lb/> ihm, als ob er ſich unter Dieben und Räubern dünkte. Nir-<lb/> gend blüht die Schloſſerei mehr als in <placeName>London</placeName>, deſſen Caſſen-<lb/> ſchränke für die feſteſten gelten; die Eiſenpanzer ſind an eng-<lb/> liſchen Schiffen am dickſten, waſſerdichtes Kautſchukzeug iſt<lb/> engliſche Erfindung, kurz: <hi rendition="#aq">keep your distance,</hi> bleib mir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [205/0219]
VII. Antibritiſches Sperrſyſtem — keep your distance.
— Muß für meinen Theil ſehr danken, fällt ein rheini-
ſcher Hôtelier mit gedämpfter Stimme ein. Mein Geſchäfts-
grundſatz iſt: keine Engländer aufzunehmen. Mein Perſonal
iſt darauf eingeübt, ſie als ſolche, auch wenn ſie nicht engliſch
ſprechen, zu erkennen und Mittel zu finden, ſie los zu wer-
den, ohne geradezu unhöflich zu ſein. Von Mitgliedern aller
übrigen Nationen, die ich beherbergt, einſchließlich zweier
Neuſeeländer und eines Hottentotten, habe ich zuſammen-
genommen nicht ſo viel Mühe und Aerger gehabt, als von
John Bull die Jahre hindurch, in denen ich das antibritiſche
Sperrſyſtem noch nicht eingeführt. Kein anderes menſchliches
Weſen macht ſo viele, mannigfaltige, unbillige Anſprüche, iſt
ſo halsſtarrig in ſeinen Eigenheiten und Wunderlichkeiten, ſo
mißtrauiſch, ungeberdig, anmaßend, vor Allem ſo knickerig
und zur Chicane geneigt, als der Engländer. Außerdem ge-
hört es zu den Eigenthümlichkeiten dieſes Volksſtamms, Löcher
in die Wände zu bohren und die Sofas mit Wichſe zu be-
ſudeln.
Kaum hat der Gaſtwirth ſeinem Herzen Luft gemacht und
ſchöpft Athem, ſo wendet ſich der Rheinländer gegen den Ver-
mittler. — Sie irren. Wie auf dem Feſtlande, ſo ſchließt
ſich der Engländer auch drüben auf ſeiner Inſel ab. Sein
Haus, von außen düſter und abſtoßend, iſt Tag und Nacht
verſchloſſen, zum Ueberfluß hat er es noch mit Mauern und
Gittern eingefaßt: es iſt ſeine „Burg“. Auch ſeine Felder
umgibt er mit Dornenhecken. Genau ſo hält er es mit ſeiner
Perſon. Dieſe ſperrt ſich entweder in ihr Haus ab, oder in
ihren Club (zu Deutſch: Keule, geballte Fauſt, Grobian)
oder, wenn er ein Kaffeehaus beſucht, zwiſchen Bretter-
verſchläge. Nie ſieht man Gold, Koſtbarkeiten, Schmuck an
ihm, als ob er ſich unter Dieben und Räubern dünkte. Nir-
gend blüht die Schloſſerei mehr als in London, deſſen Caſſen-
ſchränke für die feſteſten gelten; die Eiſenpanzer ſind an eng-
liſchen Schiffen am dickſten, waſſerdichtes Kautſchukzeug iſt
engliſche Erfindung, kurz: keep your distance, bleib mir
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