Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Neugefundene Freunde -- Gesprächsstoffe. schaft, wenn man ihr Zeit zum Wachsthum gelassen und sienicht künstlich getrieben hätte, ein kräftiger, tiefgewurzelter Baum geworden wäre. Auch der Genuß der Freundschaft und des geistigen Verkehrs, wie jeder andere, muß in Schranken gehalten werden, wenn er dauern soll. Einen anderen Mißgriff begehen junge Leute, die mit 15
VII. Neugefundene Freunde — Geſprächsſtoffe. ſchaft, wenn man ihr Zeit zum Wachsthum gelaſſen und ſienicht künſtlich getrieben hätte, ein kräftiger, tiefgewurzelter Baum geworden wäre. Auch der Genuß der Freundſchaft und des geiſtigen Verkehrs, wie jeder andere, muß in Schranken gehalten werden, wenn er dauern ſoll. Einen anderen Mißgriff begehen junge Leute, die mit 15
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VII. Neugefundene Freunde — Geſprächsſtoffe.
ſchaft, wenn man ihr Zeit zum Wachsthum gelaſſen und ſie
nicht künſtlich getrieben hätte, ein kräftiger, tiefgewurzelter
Baum geworden wäre. Auch der Genuß der Freundſchaft
und des geiſtigen Verkehrs, wie jeder andere, muß in
Schranken gehalten werden, wenn er dauern ſoll.
Einen anderen Mißgriff begehen junge Leute, die mit
einem Manne, an deſſen guter Meinung ihnen beſonders ge-
legen iſt, in Berührung kommen, dadurch, daß ſie ſich nicht
zuerſt begnügen, beſcheiden und ſinnig zu antworten, ſondern
nach Geſprächsſtoffen in höheren Gebieten, Politik, Kunſt,
Literatur haſchen, ſpringen und klettern, während ſie auf
ihrem Turnplatze ſchon hätten bemerken können, daß beim
Springen und Klettern leicht unſre unvortheilhafteſten Seiten
zum Vorſchein kommen. Im täglichen Leben ſowohl wie aus
den Biographien bedeutender Männer habe ich denn auch
ſtets geſehen, daß dieſe mit einem Menſchen, welchen der Zu-
fall in ihre Nähe führte, ſofern ſie ſich überhaupt in ein Ge-
ſpräch einließen, zu deſſen Gegenſtand immer Naheliegendes,
Gewöhnliches machten und erſt, wenn er hierin kundgab, daß
er nicht unter die gewöhnlichen Köpfe zähle, Luſt hatten, näher
an ihn heran und mit ihm höher hinauf zu ſchreiten. Nicht
der Gegenſtand der Unterhaltung, ſondern deſſen Behandlung
iſt es, die ſie anziehend oder fade macht. In der Wahl des-
ſelben bewähren manche Frauen einen Takt, von dem die
meiſten Männer lernen könnten. Namentlich verſtehen ſie,
Gebiete leiſe zu ſtreifen, um zu ermitteln, ob der Andere ge-
neigt iſt, darauf einzugehen. Im Allgemeinen gilt die Regel,
daß von einem Manne, je höher ſeine bürgerliche und geiſtige
Stufe iſt, um ſo weniger erwartet werden darf, daß er Nei-
gung habe, auf ſeine Berufsgegenſtände einzugehen, daß wir
hingegen am eheſten hoffen dürfen, ſein Intereſſe zu erregen,
wenn wir über Dinge ſprechen, die wir in unſrer Stellung
beſſer als er kennen müſſen. Dabei kommt es aber darauf
an, den Faden des Geſprächs nicht zu emſig und lang zu
ſpinnen, ſo daß, ihn fallen zu laſſen oder neue Anknüpfungen
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