Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VII. Verschiedene Reisegefährten. bekannt geworden -- und es wird wohl nicht der einzige derArt sein -- daß ein Mann nur reiste, um seiner Gattin die Schweiz und Italien zu zeigen und die Frau lediglich dem Manne zu Gefallen mitging: beiden gelang es, sich gegen- seitig zu verbergen, welche Ueberwindung ihnen der Entschluß und die Ausführung gekostet. Die überwiegende Mehrzahl der Touristen ist denn auch männlichen Geschlechts, jüngere und ältere Unverheirathete oder Witwer, die einzelnen Ehe- männer darunter sind entweder der Art, wie wir sie unsren Töchtern, oder sie haben Frauen, wie wir sie unsren Söhnen nicht wünschen. Gehören sie zu ihrem Glücke keiner dieser beiden Classen an, so -- bringen sie auch kein rechtes Herz für die Reise mit, sind mithin keine echten Touristen. Ein unglücklicher Ehemann gestand mir, er fühle sich überall aus- wärts daheim, nur nicht zu Hause. Immerhin eignen sich aber als dauernde Reisebegleiter Frauen, Söhne, Töchter, Schüler, Pflegebefohlene -- angenehme Begleiter auf Fuß- wanderungen sind oft nicht zu junge Knaben, deren Natur- freude und Jugendlust uns Aeltere erwärmen und erfrischen hilft -- besser, als Freunde und Gleichgestellte (in grader oder ungrader Zahl), welche ihren Willen, ihre besonderen Interessen und Gewohnheiten nicht zurücklassen, der Be- rathungen, der Abstimmungen, des Opferbringens ist sonst kein Ende. Mit Begleitung mögen sonach die weitere Reisen an- *) Ein Fall wird zwar erzählt, in welchem eine Hochzeitsreise von einem
Theile allein unternommen wurde. Es war ein Candidat, der eben sein Amt antreten sollte und es mit seiner jungen Frau so verabredet hatte, um dem Brauche zu folgen aber Kosten zu sparen: sie blieb zu Hause und er reiste, beide nannten das aber "unsre Hochzeitsreise". Das Beispiel ist meines Wissens ohne Nachahmung geblieben. VII. Verſchiedene Reiſegefährten. bekannt geworden — und es wird wohl nicht der einzige derArt ſein — daß ein Mann nur reiste, um ſeiner Gattin die Schweiz und Italien zu zeigen und die Frau lediglich dem Manne zu Gefallen mitging: beiden gelang es, ſich gegen- ſeitig zu verbergen, welche Ueberwindung ihnen der Entſchluß und die Ausführung gekoſtet. Die überwiegende Mehrzahl der Touriſten iſt denn auch männlichen Geſchlechts, jüngere und ältere Unverheirathete oder Witwer, die einzelnen Ehe- männer darunter ſind entweder der Art, wie wir ſie unſren Töchtern, oder ſie haben Frauen, wie wir ſie unſren Söhnen nicht wünſchen. Gehören ſie zu ihrem Glücke keiner dieſer beiden Claſſen an, ſo — bringen ſie auch kein rechtes Herz für die Reiſe mit, ſind mithin keine echten Touriſten. Ein unglücklicher Ehemann geſtand mir, er fühle ſich überall aus- wärts daheim, nur nicht zu Hauſe. Immerhin eignen ſich aber als dauernde Reiſebegleiter Frauen, Söhne, Töchter, Schüler, Pflegebefohlene — angenehme Begleiter auf Fuß- wanderungen ſind oft nicht zu junge Knaben, deren Natur- freude und Jugendluſt uns Aeltere erwärmen und erfriſchen hilft — beſſer, als Freunde und Gleichgeſtellte (in grader oder ungrader Zahl), welche ihren Willen, ihre beſonderen Intereſſen und Gewohnheiten nicht zurücklaſſen, der Be- rathungen, der Abſtimmungen, des Opferbringens iſt ſonſt kein Ende. Mit Begleitung mögen ſonach die weitere Reiſen an- *) Ein Fall wird zwar erzählt, in welchem eine Hochzeitsreiſe von einem
Theile allein unternommen wurde. Es war ein Candidat, der eben ſein Amt antreten ſollte und es mit ſeiner jungen Frau ſo verabredet hatte, um dem Brauche zu folgen aber Koſten zu ſparen: ſie blieb zu Hauſe und er reiste, beide nannten das aber „unſre Hochzeitsreiſe“. Das Beiſpiel iſt meines Wiſſens ohne Nachahmung geblieben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0248" n="234"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Verſchiedene Reiſegefährten.</fw><lb/> bekannt geworden — und es wird wohl nicht der einzige der<lb/> Art ſein — daß ein Mann nur reiste, um ſeiner Gattin die<lb/><placeName>Schweiz</placeName> und <placeName>Italien</placeName> zu zeigen und die Frau lediglich dem<lb/> Manne zu Gefallen mitging: beiden gelang es, ſich gegen-<lb/> ſeitig zu verbergen, welche Ueberwindung ihnen der Entſchluß<lb/> und die Ausführung gekoſtet. Die überwiegende Mehrzahl<lb/> der Touriſten iſt denn auch männlichen Geſchlechts, jüngere<lb/> und ältere Unverheirathete oder Witwer, die einzelnen Ehe-<lb/> männer darunter ſind entweder der Art, wie wir ſie unſren<lb/> Töchtern, oder ſie haben Frauen, wie wir ſie unſren Söhnen<lb/> nicht wünſchen. Gehören ſie zu ihrem Glücke keiner dieſer<lb/> beiden Claſſen an, ſo — bringen ſie auch kein rechtes Herz<lb/> für die Reiſe mit, ſind mithin keine echten Touriſten. Ein<lb/> unglücklicher Ehemann geſtand mir, er fühle ſich überall aus-<lb/> wärts daheim, nur nicht zu Hauſe. Immerhin eignen ſich<lb/> aber als dauernde Reiſebegleiter Frauen, Söhne, Töchter,<lb/> Schüler, Pflegebefohlene — angenehme Begleiter auf Fuß-<lb/> wanderungen ſind oft nicht zu junge Knaben, deren Natur-<lb/> freude und Jugendluſt uns Aeltere erwärmen und erfriſchen<lb/> hilft — beſſer, als Freunde und Gleichgeſtellte (in grader<lb/> oder ungrader Zahl), welche ihren Willen, ihre beſonderen<lb/> Intereſſen und Gewohnheiten nicht zurücklaſſen, der Be-<lb/> rathungen, der Abſtimmungen, des Opferbringens iſt ſonſt<lb/> kein Ende.</p><lb/> <p>Mit Begleitung mögen ſonach die weitere Reiſen an-<lb/> treten, deren ſpecielle Zwecke eine ſolche bedingen, ferner große<lb/> Herren, die nicht ohne Gefolge reiſen können, Neuvermählte <note place="foot" n="*)">Ein Fall wird zwar erzählt, in welchem eine Hochzeitsreiſe von einem<lb/> Theile allein unternommen wurde. Es war ein Candidat, der eben ſein Amt<lb/> antreten ſollte und es mit ſeiner jungen Frau ſo verabredet hatte, um dem<lb/> Brauche zu folgen aber Koſten zu ſparen: ſie blieb zu Hauſe und er reiste, beide<lb/> nannten das aber „unſre Hochzeitsreiſe“. Das Beiſpiel iſt meines Wiſſens ohne<lb/> Nachahmung geblieben.</note>,<lb/> Alte, Gebrechliche, körperlich oder geiſtig Unbehilfliche, die<lb/> neben dem Wanderſtab noch menſchlicher Stützen bedürfen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [234/0248]
VII. Verſchiedene Reiſegefährten.
bekannt geworden — und es wird wohl nicht der einzige der
Art ſein — daß ein Mann nur reiste, um ſeiner Gattin die
Schweiz und Italien zu zeigen und die Frau lediglich dem
Manne zu Gefallen mitging: beiden gelang es, ſich gegen-
ſeitig zu verbergen, welche Ueberwindung ihnen der Entſchluß
und die Ausführung gekoſtet. Die überwiegende Mehrzahl
der Touriſten iſt denn auch männlichen Geſchlechts, jüngere
und ältere Unverheirathete oder Witwer, die einzelnen Ehe-
männer darunter ſind entweder der Art, wie wir ſie unſren
Töchtern, oder ſie haben Frauen, wie wir ſie unſren Söhnen
nicht wünſchen. Gehören ſie zu ihrem Glücke keiner dieſer
beiden Claſſen an, ſo — bringen ſie auch kein rechtes Herz
für die Reiſe mit, ſind mithin keine echten Touriſten. Ein
unglücklicher Ehemann geſtand mir, er fühle ſich überall aus-
wärts daheim, nur nicht zu Hauſe. Immerhin eignen ſich
aber als dauernde Reiſebegleiter Frauen, Söhne, Töchter,
Schüler, Pflegebefohlene — angenehme Begleiter auf Fuß-
wanderungen ſind oft nicht zu junge Knaben, deren Natur-
freude und Jugendluſt uns Aeltere erwärmen und erfriſchen
hilft — beſſer, als Freunde und Gleichgeſtellte (in grader
oder ungrader Zahl), welche ihren Willen, ihre beſonderen
Intereſſen und Gewohnheiten nicht zurücklaſſen, der Be-
rathungen, der Abſtimmungen, des Opferbringens iſt ſonſt
kein Ende.
Mit Begleitung mögen ſonach die weitere Reiſen an-
treten, deren ſpecielle Zwecke eine ſolche bedingen, ferner große
Herren, die nicht ohne Gefolge reiſen können, Neuvermählte *),
Alte, Gebrechliche, körperlich oder geiſtig Unbehilfliche, die
neben dem Wanderſtab noch menſchlicher Stützen bedürfen,
*) Ein Fall wird zwar erzählt, in welchem eine Hochzeitsreiſe von einem
Theile allein unternommen wurde. Es war ein Candidat, der eben ſein Amt
antreten ſollte und es mit ſeiner jungen Frau ſo verabredet hatte, um dem
Brauche zu folgen aber Koſten zu ſparen: ſie blieb zu Hauſe und er reiste, beide
nannten das aber „unſre Hochzeitsreiſe“. Das Beiſpiel iſt meines Wiſſens ohne
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