Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.II. Reisepläne, deren Sclaven und Narren. nur unter die lohnenden Partien zählten. Sehr mühevolleErsteigungen (vgl. IV.) höheren Ranges unternehme ich nie, wenn nicht zuverlässige Sachkundige den Zustand der Atmo- sphäre für durchaus günstig erklären, denn die großen Fern- sichtspunkte gehören nur dann unter die lohnenden Partien. Ein Anderes ist es mit Höhen, die sich weniger auszeichnen durch weiten Horizont als durch eine Fülle schöner Bilder in bequemer Sehweite. Jene reizen mehr die Phantasie des Poeten, den Ehrgeiz eines Alpenvereinsmitglieds oder den Geschäftseifer eines Feuilletonisten, diese entzücken mehr das Auge des Malers. Die touristische Nutzanwendung ist die: die Poeten- und Alpenvereinsberge sind gewagte Unter- nehmungen, die Malerberge dagegen, die auch bei wenig befriedigender Luftbeschaffenheit nicht ohne Aussicht auf Aus- sicht bestiegen werden, sind ergiebige Versuchsfelder für Ver- gnügungsreisende, der Einsatz an Mühe, Zeit und Geld nicht hoch, und die Ueberraschung, die ein plötzlicher Riß in den Nebelschleier bereiten kann, oft von zauberhaftem Reiz. An Ort und Stelle angekommen gehören Augen und Richte weise Dich ein, wie Du die Länder durchwanderst, Zu viel Seltenes ist Dir zu betrachten bestimmt. Alles fassest Du nicht, und es lohnt sich auch selbst oft der Müh' nicht, Siehe nur an, was Dir nützt, was Dir als Eigenthum bleibt. Vor größeren Reisen mustere ich den Inhalt von Schränken, II. Reiſepläne, deren Sclaven und Narren. nur unter die lohnenden Partien zählten. Sehr mühevolleErſteigungen (vgl. IV.) höheren Ranges unternehme ich nie, wenn nicht zuverläſſige Sachkundige den Zuſtand der Atmo- ſphäre für durchaus günſtig erklären, denn die großen Fern- ſichtspunkte gehören nur dann unter die lohnenden Partien. Ein Anderes iſt es mit Höhen, die ſich weniger auszeichnen durch weiten Horizont als durch eine Fülle ſchöner Bilder in bequemer Sehweite. Jene reizen mehr die Phantaſie des Poeten, den Ehrgeiz eines Alpenvereinsmitglieds oder den Geſchäftseifer eines Feuilletoniſten, dieſe entzücken mehr das Auge des Malers. Die touriſtiſche Nutzanwendung iſt die: die Poeten- und Alpenvereinsberge ſind gewagte Unter- nehmungen, die Malerberge dagegen, die auch bei wenig befriedigender Luftbeſchaffenheit nicht ohne Ausſicht auf Aus- ſicht beſtiegen werden, ſind ergiebige Verſuchsfelder für Ver- gnügungsreiſende, der Einſatz an Mühe, Zeit und Geld nicht hoch, und die Ueberraſchung, die ein plötzlicher Riß in den Nebelſchleier bereiten kann, oft von zauberhaftem Reiz. An Ort und Stelle angekommen gehören Augen und Richte weiſe Dich ein, wie Du die Länder durchwanderſt, Zu viel Seltenes iſt Dir zu betrachten beſtimmt. Alles faſſeſt Du nicht, und es lohnt ſich auch ſelbſt oft der Müh’ nicht, Siehe nur an, was Dir nützt, was Dir als Eigenthum bleibt. Vor größeren Reiſen muſtere ich den Inhalt von Schränken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0029" n="15"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Reiſepläne, deren Sclaven und Narren.</fw><lb/> nur unter die lohnenden Partien zählten. Sehr mühevolle<lb/> Erſteigungen (vgl. <hi rendition="#aq">IV.</hi>) höheren Ranges unternehme ich nie,<lb/> wenn nicht zuverläſſige Sachkundige den Zuſtand der Atmo-<lb/> ſphäre für durchaus günſtig erklären, denn die großen Fern-<lb/> ſichtspunkte gehören nur dann unter die lohnenden Partien.<lb/> Ein Anderes iſt es mit Höhen, die ſich weniger auszeichnen<lb/> durch weiten Horizont als durch eine Fülle ſchöner Bilder<lb/> in bequemer Sehweite. Jene reizen mehr die Phantaſie des<lb/> Poeten, den Ehrgeiz eines Alpenvereinsmitglieds oder den<lb/> Geſchäftseifer eines Feuilletoniſten, dieſe entzücken mehr<lb/> das Auge des Malers. Die touriſtiſche Nutzanwendung iſt<lb/> die: die Poeten- und Alpenvereinsberge ſind gewagte Unter-<lb/> nehmungen, die Malerberge dagegen, die auch bei wenig<lb/> befriedigender Luftbeſchaffenheit nicht ohne Ausſicht auf Aus-<lb/> ſicht beſtiegen werden, ſind ergiebige Verſuchsfelder für Ver-<lb/> gnügungsreiſende, der Einſatz an Mühe, Zeit und Geld nicht<lb/> hoch, und die Ueberraſchung, die ein plötzlicher Riß in den<lb/> Nebelſchleier bereiten kann, oft von zauberhaftem Reiz.</p><lb/> <p>An Ort und Stelle angekommen gehören Augen und<lb/> Gedanken des Reiſenden den ſehenswerthen Gegenſtänden,<lb/> nicht den Büchern, eine zu Hauſe vorgenommene Präparation<lb/> iſt deshalb räthlich, wobei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11862850X">Waiblinger’s</persName> Rath zu beachten:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Richte weiſe Dich ein, wie Du die Länder durchwanderſt,</l><lb/> <l>Zu viel Seltenes iſt Dir zu betrachten beſtimmt.</l><lb/> <l>Alles faſſeſt Du nicht, und es lohnt ſich auch ſelbſt oft der Müh’ nicht,</l><lb/> <l>Siehe nur an, was Dir nützt, was Dir als Eigenthum bleibt.</l> </lg><lb/> <p>Vor größeren Reiſen muſtere ich den Inhalt von Schränken,<lb/> Commoden, Schubladen, laſſe von weiblichen Augen und<lb/> Händen die Wäſche einem <hi rendition="#aq">examen rigorosum</hi> unterwerfen,<lb/> auch nachſehen, ob jedes Stück gezeichnet iſt, und lege alles<lb/> Mitzunehmende, ehe die Verpackung beginnt, unverdeckt und<lb/> überſichtlich bereit, wodurch eine richtige Raumbenutzung er-<lb/> leichtert und das ganze Verfahren beſchleunigt wird. Sind<lb/> drei Abtheilungen zu machen: <hi rendition="#aq">a)</hi> durch Eil- oder Güter-<lb/> zug vorauszuſchickende Colli (vgl. <hi rendition="#aq">III.), b)</hi> mitzunehmendes<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0029]
II. Reiſepläne, deren Sclaven und Narren.
nur unter die lohnenden Partien zählten. Sehr mühevolle
Erſteigungen (vgl. IV.) höheren Ranges unternehme ich nie,
wenn nicht zuverläſſige Sachkundige den Zuſtand der Atmo-
ſphäre für durchaus günſtig erklären, denn die großen Fern-
ſichtspunkte gehören nur dann unter die lohnenden Partien.
Ein Anderes iſt es mit Höhen, die ſich weniger auszeichnen
durch weiten Horizont als durch eine Fülle ſchöner Bilder
in bequemer Sehweite. Jene reizen mehr die Phantaſie des
Poeten, den Ehrgeiz eines Alpenvereinsmitglieds oder den
Geſchäftseifer eines Feuilletoniſten, dieſe entzücken mehr
das Auge des Malers. Die touriſtiſche Nutzanwendung iſt
die: die Poeten- und Alpenvereinsberge ſind gewagte Unter-
nehmungen, die Malerberge dagegen, die auch bei wenig
befriedigender Luftbeſchaffenheit nicht ohne Ausſicht auf Aus-
ſicht beſtiegen werden, ſind ergiebige Verſuchsfelder für Ver-
gnügungsreiſende, der Einſatz an Mühe, Zeit und Geld nicht
hoch, und die Ueberraſchung, die ein plötzlicher Riß in den
Nebelſchleier bereiten kann, oft von zauberhaftem Reiz.
An Ort und Stelle angekommen gehören Augen und
Gedanken des Reiſenden den ſehenswerthen Gegenſtänden,
nicht den Büchern, eine zu Hauſe vorgenommene Präparation
iſt deshalb räthlich, wobei Waiblinger’s Rath zu beachten:
Richte weiſe Dich ein, wie Du die Länder durchwanderſt,
Zu viel Seltenes iſt Dir zu betrachten beſtimmt.
Alles faſſeſt Du nicht, und es lohnt ſich auch ſelbſt oft der Müh’ nicht,
Siehe nur an, was Dir nützt, was Dir als Eigenthum bleibt.
Vor größeren Reiſen muſtere ich den Inhalt von Schränken,
Commoden, Schubladen, laſſe von weiblichen Augen und
Händen die Wäſche einem examen rigorosum unterwerfen,
auch nachſehen, ob jedes Stück gezeichnet iſt, und lege alles
Mitzunehmende, ehe die Verpackung beginnt, unverdeckt und
überſichtlich bereit, wodurch eine richtige Raumbenutzung er-
leichtert und das ganze Verfahren beſchleunigt wird. Sind
drei Abtheilungen zu machen: a) durch Eil- oder Güter-
zug vorauszuſchickende Colli (vgl. III.), b) mitzunehmendes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |