Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Hutbänder mit Gebirgsprofilen -- Erlaubte Bescheidenheit.
Götter den Schweiß." Aber auch hier, wie bei allem Ver-
dienst ist der Neid geschäftig: -- die unten blieben in ihrer
Gemächlichkeit, denen der Sinn fehlt für Empfindungen,
einige Tausend Fuß erhaben über der platten Alltäglichkeit,
blicken scheel dazu. Sie räumen ein, die Frucht der mensch-
lichen Arbeit sei edel, von ihrer Blüte behaupten sie jedoch,
daß sie den Sinnen nicht schmeichle. Was thun wir unter
solchen Umständen? -- Nach der Meinung eines berühmten
Franzosen ist die Bescheidenheit nur erlaubt, wenn sie von
sehr hervorragendem Verdienste getragen wird; aus dem
Grunde wahrscheinlich (also vor lauter Bescheidenheit) macht
der größte Theil der großen Nation selbst keinen Gebrauch
davon. Der hochgestiegene Tourist dagegen darf bescheiden
sein, er verschmäht es, seine zackige Krone zur Schau zu
tragen, und läßt entweder den Reisehut so füttern, daß die
Tropfen der Stirn weder den Filz noch die Fäden der Naht
erreichen (das Futter wird vorn an der Front ein wenig
über die innere Kante auf die Krämpe gezogen) oder, wenn
das versäumt wurde und das Band allzu viel erzählt von
den alpinen Großthaten des Trägers, so windet er ein weißes
Taschentuch turbanartig darum, wodurch nebenbei ein vortheil-
hafter Farbeneffect erzielt wird. Jede Art Hüte, auch die
von Stroh, müssen nach staubigen Fahrten abgestäubt werden,
damit sie ihre jugendliche Anmuth nicht schon in den ersten
Diensttagen einbüßen, sodann ist ihnen eine Vorrichtung, um
gelegentlich daran ein Sturmband zu befestigen, von Nutzen.

Unsere Reiseschule wendet sich jetzt zu den Vorsichts-
maßregeln
.

Nichts Seltenes ist es, daß Eisenbahnbillets und
Gepäckscheine unter das Hutband, in einen Handschuh,
oder in eine Tasche mit anderen Sachen, Geld, Schlüsseln, Uhr
zusammengesteckt werden, ohne verloren zu gehen, dies kann
aber mit nichten als Beweis gelten, daß der Ort dafür gut
gewählt war, sondern höchstens, daß die Nemesis nicht immer
die Augen offen hat, zum Glück für die vielen leichtsinnigen

III. Hutbänder mit Gebirgsprofilen — Erlaubte Beſcheidenheit.
Götter den Schweiß.“ Aber auch hier, wie bei allem Ver-
dienſt iſt der Neid geſchäftig: — die unten blieben in ihrer
Gemächlichkeit, denen der Sinn fehlt für Empfindungen,
einige Tauſend Fuß erhaben über der platten Alltäglichkeit,
blicken ſcheel dazu. Sie räumen ein, die Frucht der menſch-
lichen Arbeit ſei edel, von ihrer Blüte behaupten ſie jedoch,
daß ſie den Sinnen nicht ſchmeichle. Was thun wir unter
ſolchen Umſtänden? — Nach der Meinung eines berühmten
Franzoſen iſt die Beſcheidenheit nur erlaubt, wenn ſie von
ſehr hervorragendem Verdienſte getragen wird; aus dem
Grunde wahrſcheinlich (alſo vor lauter Beſcheidenheit) macht
der größte Theil der großen Nation ſelbſt keinen Gebrauch
davon. Der hochgeſtiegene Touriſt dagegen darf beſcheiden
ſein, er verſchmäht es, ſeine zackige Krone zur Schau zu
tragen, und läßt entweder den Reiſehut ſo füttern, daß die
Tropfen der Stirn weder den Filz noch die Fäden der Naht
erreichen (das Futter wird vorn an der Front ein wenig
über die innere Kante auf die Krämpe gezogen) oder, wenn
das verſäumt wurde und das Band allzu viel erzählt von
den alpinen Großthaten des Trägers, ſo windet er ein weißes
Taſchentuch turbanartig darum, wodurch nebenbei ein vortheil-
hafter Farbeneffect erzielt wird. Jede Art Hüte, auch die
von Stroh, müſſen nach ſtaubigen Fahrten abgeſtäubt werden,
damit ſie ihre jugendliche Anmuth nicht ſchon in den erſten
Dienſttagen einbüßen, ſodann iſt ihnen eine Vorrichtung, um
gelegentlich daran ein Sturmband zu befeſtigen, von Nutzen.

Unſere Reiſeſchule wendet ſich jetzt zu den Vorſichts-
maßregeln
.

Nichts Seltenes iſt es, daß Eiſenbahnbillets und
Gepäckſcheine unter das Hutband, in einen Handſchuh,
oder in eine Taſche mit anderen Sachen, Geld, Schlüſſeln, Uhr
zuſammengeſteckt werden, ohne verloren zu gehen, dies kann
aber mit nichten als Beweis gelten, daß der Ort dafür gut
gewählt war, ſondern höchſtens, daß die Nemeſis nicht immer
die Augen offen hat, zum Glück für die vielen leichtſinnigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0059" n="45"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Hutbänder mit Gebirgsprofilen &#x2014; Erlaubte Be&#x017F;cheidenheit.</fw><lb/>
Götter den Schweiß.&#x201C; Aber auch hier, wie bei allem Ver-<lb/>
dien&#x017F;t i&#x017F;t der Neid ge&#x017F;chäftig: &#x2014; die unten blieben in ihrer<lb/>
Gemächlichkeit, denen der Sinn fehlt für Empfindungen,<lb/>
einige Tau&#x017F;end Fuß erhaben über der platten Alltäglichkeit,<lb/>
blicken &#x017F;cheel dazu. Sie räumen ein, die Frucht der men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Arbeit &#x017F;ei edel, von ihrer Blüte behaupten &#x017F;ie jedoch,<lb/>
daß &#x017F;ie den Sinnen nicht &#x017F;chmeichle. Was thun wir unter<lb/>
&#x017F;olchen Um&#x017F;tänden? &#x2014; Nach der Meinung eines berühmten<lb/>
Franzo&#x017F;en i&#x017F;t die Be&#x017F;cheidenheit nur erlaubt, wenn &#x017F;ie von<lb/>
&#x017F;ehr hervorragendem Verdien&#x017F;te getragen wird; aus dem<lb/>
Grunde wahr&#x017F;cheinlich (al&#x017F;o vor lauter Be&#x017F;cheidenheit) macht<lb/>
der größte Theil der großen Nation &#x017F;elb&#x017F;t keinen Gebrauch<lb/>
davon. Der hochge&#x017F;tiegene Touri&#x017F;t dagegen darf be&#x017F;cheiden<lb/>
&#x017F;ein, er ver&#x017F;chmäht es, &#x017F;eine zackige Krone zur Schau zu<lb/>
tragen, und läßt entweder den Rei&#x017F;ehut &#x017F;o füttern, daß die<lb/>
Tropfen der Stirn weder den Filz noch die Fäden der Naht<lb/>
erreichen (das Futter wird vorn an der Front ein wenig<lb/>
über die innere Kante auf die Krämpe gezogen) oder, wenn<lb/>
das ver&#x017F;äumt wurde und das Band allzu viel erzählt von<lb/>
den alpinen Großthaten des Trägers, &#x017F;o windet er ein weißes<lb/>
Ta&#x017F;chentuch turbanartig darum, wodurch nebenbei ein vortheil-<lb/>
hafter Farbeneffect erzielt wird. Jede Art Hüte, auch die<lb/>
von Stroh, mü&#x017F;&#x017F;en nach &#x017F;taubigen Fahrten abge&#x017F;täubt werden,<lb/>
damit &#x017F;ie ihre jugendliche Anmuth nicht &#x017F;chon in den er&#x017F;ten<lb/>
Dien&#x017F;ttagen einbüßen, &#x017F;odann i&#x017F;t ihnen eine Vorrichtung, um<lb/>
gelegentlich daran ein Sturmband zu befe&#x017F;tigen, von Nutzen.</p><lb/>
        <p>Un&#x017F;ere Rei&#x017F;e&#x017F;chule wendet &#x017F;ich jetzt zu den <hi rendition="#g">Vor&#x017F;ichts-<lb/>
maßregeln</hi>.</p><lb/>
        <p>Nichts Seltenes i&#x017F;t es, daß <hi rendition="#g">Ei&#x017F;enbahnbillets</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Gepäck&#x017F;cheine</hi> unter das Hutband, in einen Hand&#x017F;chuh,<lb/>
oder in eine Ta&#x017F;che mit anderen Sachen, Geld, Schlü&#x017F;&#x017F;eln, Uhr<lb/>
zu&#x017F;ammenge&#x017F;teckt werden, ohne verloren zu gehen, dies kann<lb/>
aber mit nichten als Beweis gelten, daß der Ort dafür gut<lb/>
gewählt war, &#x017F;ondern höch&#x017F;tens, daß die Neme&#x017F;is nicht immer<lb/>
die Augen offen hat, zum Glück für die vielen leicht&#x017F;innigen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0059] III. Hutbänder mit Gebirgsprofilen — Erlaubte Beſcheidenheit. Götter den Schweiß.“ Aber auch hier, wie bei allem Ver- dienſt iſt der Neid geſchäftig: — die unten blieben in ihrer Gemächlichkeit, denen der Sinn fehlt für Empfindungen, einige Tauſend Fuß erhaben über der platten Alltäglichkeit, blicken ſcheel dazu. Sie räumen ein, die Frucht der menſch- lichen Arbeit ſei edel, von ihrer Blüte behaupten ſie jedoch, daß ſie den Sinnen nicht ſchmeichle. Was thun wir unter ſolchen Umſtänden? — Nach der Meinung eines berühmten Franzoſen iſt die Beſcheidenheit nur erlaubt, wenn ſie von ſehr hervorragendem Verdienſte getragen wird; aus dem Grunde wahrſcheinlich (alſo vor lauter Beſcheidenheit) macht der größte Theil der großen Nation ſelbſt keinen Gebrauch davon. Der hochgeſtiegene Touriſt dagegen darf beſcheiden ſein, er verſchmäht es, ſeine zackige Krone zur Schau zu tragen, und läßt entweder den Reiſehut ſo füttern, daß die Tropfen der Stirn weder den Filz noch die Fäden der Naht erreichen (das Futter wird vorn an der Front ein wenig über die innere Kante auf die Krämpe gezogen) oder, wenn das verſäumt wurde und das Band allzu viel erzählt von den alpinen Großthaten des Trägers, ſo windet er ein weißes Taſchentuch turbanartig darum, wodurch nebenbei ein vortheil- hafter Farbeneffect erzielt wird. Jede Art Hüte, auch die von Stroh, müſſen nach ſtaubigen Fahrten abgeſtäubt werden, damit ſie ihre jugendliche Anmuth nicht ſchon in den erſten Dienſttagen einbüßen, ſodann iſt ihnen eine Vorrichtung, um gelegentlich daran ein Sturmband zu befeſtigen, von Nutzen. Unſere Reiſeſchule wendet ſich jetzt zu den Vorſichts- maßregeln. Nichts Seltenes iſt es, daß Eiſenbahnbillets und Gepäckſcheine unter das Hutband, in einen Handſchuh, oder in eine Taſche mit anderen Sachen, Geld, Schlüſſeln, Uhr zuſammengeſteckt werden, ohne verloren zu gehen, dies kann aber mit nichten als Beweis gelten, daß der Ort dafür gut gewählt war, ſondern höchſtens, daß die Nemeſis nicht immer die Augen offen hat, zum Glück für die vielen leichtſinnigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/59
Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/59>, abgerufen am 24.11.2024.