Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.
III. Bei eiliger Abreise -- Friedrich der Verschlafene -- Erkundigungen. so dienstbeflissener stürzt er sich nun auf den Rock und die Bein-kleider, wenn ihr Besitzer sie nicht auch schon angezogen hat; ich bemächtige mich deshalb in solchen drangvollen Augen- blicken, sobald das schuldbewußte, struppige Friedrichsgesicht in der Thür erscheint, rasch entschlossen auch dieser Stücke. Findet sich dann schließlich noch Zeit, Versäumtes nachzu- holen, so mag's geschehen. Als Wecker ziehe ich vom Uhr- macher verfertigte Schlagwerke in Büchsenform allen Gasthofs- Friedrichs und Johanns vor und rathe jedem Reisenden, der nicht etwa das Talent hat, zu ungewöhnlicher Stunde aus eigenem Antriebe zu erwachen, eine solche Weckuhr bei sich zu führen. Denn obwohl bei Hausknechten keinenfalls wie bei Wäscherinnen und Barbieren (vgl. S. 29) die Seife materia peccans sein kann, so erweisen sich doch auch ihre heiligsten Betheuerungen als "eines Menschen eitler Odem". Adressen von Handwerkern und Händlern erfrage ich, wo Da Erkundigungen zum täglichen Brot des Reisenden III. Bei eiliger Abreiſe — Friedrich der Verſchlafene — Erkundigungen. ſo dienſtbefliſſener ſtürzt er ſich nun auf den Rock und die Bein-kleider, wenn ihr Beſitzer ſie nicht auch ſchon angezogen hat; ich bemächtige mich deshalb in ſolchen drangvollen Augen- blicken, ſobald das ſchuldbewußte, ſtruppige Friedrichsgeſicht in der Thür erſcheint, raſch entſchloſſen auch dieſer Stücke. Findet ſich dann ſchließlich noch Zeit, Verſäumtes nachzu- holen, ſo mag’s geſchehen. Als Wecker ziehe ich vom Uhr- macher verfertigte Schlagwerke in Büchſenform allen Gaſthofs- Friedrichs und Johanns vor und rathe jedem Reiſenden, der nicht etwa das Talent hat, zu ungewöhnlicher Stunde aus eigenem Antriebe zu erwachen, eine ſolche Weckuhr bei ſich zu führen. Denn obwohl bei Hausknechten keinenfalls wie bei Wäſcherinnen und Barbieren (vgl. S. 29) die Seife materia peccans ſein kann, ſo erweiſen ſich doch auch ihre heiligſten Betheuerungen als „eines Menſchen eitler Odem“. Adreſſen von Handwerkern und Händlern erfrage ich, wo Da Erkundigungen zum täglichen Brot des Reiſenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Bei eiliger Abreiſe — Friedrich der Verſchlafene — Erkundigungen.</fw><lb/> ſo dienſtbefliſſener ſtürzt er ſich nun auf den Rock und die Bein-<lb/> kleider, wenn ihr Beſitzer ſie nicht auch ſchon angezogen hat;<lb/> ich bemächtige mich deshalb in ſolchen drangvollen Augen-<lb/> blicken, ſobald das ſchuldbewußte, ſtruppige Friedrichsgeſicht<lb/> in der Thür erſcheint, raſch entſchloſſen auch dieſer Stücke.<lb/> Findet ſich dann ſchließlich noch Zeit, Verſäumtes nachzu-<lb/> holen, ſo mag’s geſchehen. Als <hi rendition="#g">Wecker</hi> ziehe ich vom Uhr-<lb/> macher verfertigte Schlagwerke in Büchſenform allen Gaſthofs-<lb/> Friedrichs und Johanns vor und rathe jedem Reiſenden, der<lb/> nicht etwa das Talent hat, zu ungewöhnlicher Stunde aus<lb/> eigenem Antriebe zu erwachen, eine ſolche Weckuhr bei ſich zu<lb/> führen. Denn obwohl bei Hausknechten keinenfalls wie bei<lb/> Wäſcherinnen und Barbieren (vgl. S. 29) die Seife <hi rendition="#aq">materia<lb/> peccans</hi> ſein kann, ſo erweiſen ſich doch auch ihre heiligſten<lb/> Betheuerungen als „eines Menſchen eitler Odem“.</p><lb/> <p>Adreſſen von Handwerkern und Händlern erfrage ich, wo<lb/> es ſich um größere Beſtellungen oder Einkäufe handelt, nie<lb/> von Kellnern, Hausknechten oder Lohndienern, kaufe und<lb/> beſtelle auch in eleganten Badeorten oder großen Hauptſtädten<lb/> nicht leicht in einem Laden des eigentlichen faſhionablen<lb/> Fremdenquartiers, wenn er mir nicht von guter Hand empfohlen<lb/> iſt, lieber wähle ich auf’s Gerathewohl im geſchäftlichen Mittel-<lb/> punkt des Orts, in der Nähe des Hauptmarktplatzes.</p><lb/> <p>Da Erkundigungen zum täglichen Brot des Reiſenden<lb/> gehören, ſo ſei hier noch bemerkt, daß über Unzuverläſſigkeit der<lb/> erlangten Auskünfte gewiß nicht ſo häufig geklagt würde,<lb/> wenn wir der Sache etwas mehr Aufmerkſamkeit ſchenkten.<lb/> Weder böſer Wille noch Unkunde des Befragten iſt meiſtens<lb/> die Quelle von Irrungen, ſondern in der Regel war dieſem<lb/> die Fragſtellung nicht gleich deutlich, und er fürchtete, dumm<lb/> zu erſcheinen, wenn er zum zweiten, dritten Male „Wie?“<lb/> fragte, oder ſich beſänne, antwortete deshalb querfeldein;<lb/> oder wir hatten nicht die Geduld, zu warten, bis er ſich ge-<lb/> ſammelt. Außer Mundart, Tonfall, Wahl und Conſtruction<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0070]
III. Bei eiliger Abreiſe — Friedrich der Verſchlafene — Erkundigungen.
ſo dienſtbefliſſener ſtürzt er ſich nun auf den Rock und die Bein-
kleider, wenn ihr Beſitzer ſie nicht auch ſchon angezogen hat;
ich bemächtige mich deshalb in ſolchen drangvollen Augen-
blicken, ſobald das ſchuldbewußte, ſtruppige Friedrichsgeſicht
in der Thür erſcheint, raſch entſchloſſen auch dieſer Stücke.
Findet ſich dann ſchließlich noch Zeit, Verſäumtes nachzu-
holen, ſo mag’s geſchehen. Als Wecker ziehe ich vom Uhr-
macher verfertigte Schlagwerke in Büchſenform allen Gaſthofs-
Friedrichs und Johanns vor und rathe jedem Reiſenden, der
nicht etwa das Talent hat, zu ungewöhnlicher Stunde aus
eigenem Antriebe zu erwachen, eine ſolche Weckuhr bei ſich zu
führen. Denn obwohl bei Hausknechten keinenfalls wie bei
Wäſcherinnen und Barbieren (vgl. S. 29) die Seife materia
peccans ſein kann, ſo erweiſen ſich doch auch ihre heiligſten
Betheuerungen als „eines Menſchen eitler Odem“.
Adreſſen von Handwerkern und Händlern erfrage ich, wo
es ſich um größere Beſtellungen oder Einkäufe handelt, nie
von Kellnern, Hausknechten oder Lohndienern, kaufe und
beſtelle auch in eleganten Badeorten oder großen Hauptſtädten
nicht leicht in einem Laden des eigentlichen faſhionablen
Fremdenquartiers, wenn er mir nicht von guter Hand empfohlen
iſt, lieber wähle ich auf’s Gerathewohl im geſchäftlichen Mittel-
punkt des Orts, in der Nähe des Hauptmarktplatzes.
Da Erkundigungen zum täglichen Brot des Reiſenden
gehören, ſo ſei hier noch bemerkt, daß über Unzuverläſſigkeit der
erlangten Auskünfte gewiß nicht ſo häufig geklagt würde,
wenn wir der Sache etwas mehr Aufmerkſamkeit ſchenkten.
Weder böſer Wille noch Unkunde des Befragten iſt meiſtens
die Quelle von Irrungen, ſondern in der Regel war dieſem
die Fragſtellung nicht gleich deutlich, und er fürchtete, dumm
zu erſcheinen, wenn er zum zweiten, dritten Male „Wie?“
fragte, oder ſich beſänne, antwortete deshalb querfeldein;
oder wir hatten nicht die Geduld, zu warten, bis er ſich ge-
ſammelt. Außer Mundart, Tonfall, Wahl und Conſtruction
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| Zitationshilfe: | Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/70>, abgerufen am 21.11.2024. |
