Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.als sie auf dem Feld war. Das Kammermäd- chen erschrack, und misrieth ihrs; Es sey zu weit; könn' ihr schaden u. s. w. Nichts! Sie wollte von den Eltern ihres Theodors selbst er- fahren, was er mache, und ob er wieder herge- stellt sey? -- Was macht Er? Lebt Er? ist er wohl? rief sie zu der Baronessinn, als sie aufs Schloß kam. -- Wer denn, gnädiges Fräulein? was wollen Sie? -- -- Mein Theodor, ihr Sohn; Jst er wohl? -- -- Jhr Theodor, Fräulein? Wissen Sie denn nicht, daß er sich vor einem Vierteljahre schon in Schlesien verheirathet hat? -- Verheirathet! Jhr Sohn? Mein Theodor? Und so flog sie wieder in den Wagen, wo sie ohnmächtig in die Arme ihres Kammermädchens sank. Der Kurscher fuhr fort, ohne etwas davon zu wissen. Erst vor dem Dorfe draußen hielt er, auf das Schreyn der Kammerjungfer. Durch vieles Reiben der Schläfe und den Geruch des Englischen Salzes ward das Fräulein wieder so weit gebracht, daß sie die Augen ausschlug. Mit starrem Blick, und Verzuckungen des Mundes saß sie da, ohne sonst sich zu bewegen. Als man über eine Flußbrücke fuhr, machte sie eine Bewe- gung, als ob sie den Schlag an der Kutsche öf- als ſie auf dem Feld war. Das Kammermaͤd- chen erſchrack, und misrieth ihrs; Es ſey zu weit; koͤnn’ ihr ſchaden u. ſ. w. Nichts! Sie wollte von den Eltern ihres Theodors ſelbſt er- fahren, was er mache, und ob er wieder herge- ſtellt ſey? — Was macht Er? Lebt Er? iſt er wohl? rief ſie zu der Baroneſſinn, als ſie aufs Schloß kam. — Wer denn, gnaͤdiges Fraͤulein? was wollen Sie? — — Mein Theodor, ihr Sohn; Jſt er wohl? — — Jhr Theodor, Fraͤulein? Wiſſen Sie denn nicht, daß er ſich vor einem Vierteljahre ſchon in Schleſien verheirathet hat? — Verheirathet! Jhr Sohn? Mein Theodor? Und ſo flog ſie wieder in den Wagen, wo ſie ohnmaͤchtig in die Arme ihres Kammermaͤdchens ſank. Der Kurſcher fuhr fort, ohne etwas davon zu wiſſen. Erſt vor dem Dorfe draußen hielt er, auf das Schreyn der Kammerjungfer. Durch vieles Reiben der Schlaͤfe und den Geruch des Engliſchen Salzes ward das Fraͤulein wieder ſo weit gebracht, daß ſie die Augen auſſchlug. Mit ſtarrem Blick, und Verzuckungen des Mundes ſaß ſie da, ohne ſonſt ſich zu bewegen. Als man uͤber eine Flußbruͤcke fuhr, machte ſie eine Bewe- gung, als ob ſie den Schlag an der Kutſche oͤf- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="134"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> als ſie auf dem Feld war. Das Kammermaͤd-<lb/> chen erſchrack, und misrieth ihrs; Es ſey zu<lb/> weit; koͤnn’ ihr ſchaden u. ſ. w. Nichts! Sie<lb/> wollte von den Eltern ihres Theodors ſelbſt er-<lb/> fahren, was er mache, und ob er wieder herge-<lb/> ſtellt ſey? — Was macht Er? Lebt Er? iſt er wohl?<lb/> rief ſie zu der Baroneſſinn, als ſie aufs Schloß<lb/> kam. — Wer denn, gnaͤdiges Fraͤulein? was<lb/> wollen Sie? — — Mein <hi rendition="#fr">Theodor,</hi> ihr Sohn;<lb/> Jſt er wohl? — — <hi rendition="#fr">Jhr</hi> Theodor, Fraͤulein?<lb/> Wiſſen Sie denn nicht, daß er ſich vor einem<lb/> Vierteljahre ſchon in Schleſien verheirathet hat?<lb/> — Verheirathet! Jhr Sohn? Mein Theodor?<lb/> Und ſo flog ſie wieder in den Wagen, wo ſie<lb/> ohnmaͤchtig in die Arme ihres Kammermaͤdchens<lb/> ſank. Der Kurſcher fuhr fort, ohne etwas davon<lb/> zu wiſſen. Erſt vor dem Dorfe draußen hielt er,<lb/> auf das Schreyn der Kammerjungfer. Durch<lb/> vieles Reiben der Schlaͤfe und den Geruch des<lb/> Engliſchen Salzes ward das Fraͤulein wieder ſo<lb/> weit gebracht, daß ſie die Augen auſſchlug. Mit<lb/> ſtarrem Blick, und Verzuckungen des Mundes<lb/> ſaß ſie da, ohne ſonſt ſich zu bewegen. Als man<lb/> uͤber eine Flußbruͤcke fuhr, machte ſie eine Bewe-<lb/> gung, als ob ſie den Schlag an der Kutſche oͤf-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [134/0138]
als ſie auf dem Feld war. Das Kammermaͤd-
chen erſchrack, und misrieth ihrs; Es ſey zu
weit; koͤnn’ ihr ſchaden u. ſ. w. Nichts! Sie
wollte von den Eltern ihres Theodors ſelbſt er-
fahren, was er mache, und ob er wieder herge-
ſtellt ſey? — Was macht Er? Lebt Er? iſt er wohl?
rief ſie zu der Baroneſſinn, als ſie aufs Schloß
kam. — Wer denn, gnaͤdiges Fraͤulein? was
wollen Sie? — — Mein Theodor, ihr Sohn;
Jſt er wohl? — — Jhr Theodor, Fraͤulein?
Wiſſen Sie denn nicht, daß er ſich vor einem
Vierteljahre ſchon in Schleſien verheirathet hat?
— Verheirathet! Jhr Sohn? Mein Theodor?
Und ſo flog ſie wieder in den Wagen, wo ſie
ohnmaͤchtig in die Arme ihres Kammermaͤdchens
ſank. Der Kurſcher fuhr fort, ohne etwas davon
zu wiſſen. Erſt vor dem Dorfe draußen hielt er,
auf das Schreyn der Kammerjungfer. Durch
vieles Reiben der Schlaͤfe und den Geruch des
Engliſchen Salzes ward das Fraͤulein wieder ſo
weit gebracht, daß ſie die Augen auſſchlug. Mit
ſtarrem Blick, und Verzuckungen des Mundes
ſaß ſie da, ohne ſonſt ſich zu bewegen. Als man
uͤber eine Flußbruͤcke fuhr, machte ſie eine Bewe-
gung, als ob ſie den Schlag an der Kutſche oͤf-
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