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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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und legte, ihr zu Lieb, fast alle seine vorige Ge-
wohnheiten ab; besonders das Fluchen und das
Trinken. Nach ein paar Jahren, als der Krieg
vorbey war, kamen zwey oder drey Edelleute, die
im Krieg seine Kammeraden gewesen waren, in
unsre Nachbarschaft; besuchten meinen Vater fleis-
sig; und er fieng seinen vorigen Lebenswandel
wieder an. Man spielte, trank, fluchte, gieng auf
die Jagd, kam um Mitternacht mit 3 oder 4
Junkern nach Haus, und unser Schloß sah einer
Dorsschenke ähnlicher als einem Edelhof. Mei-
ne Mutter, die eine trefliche und fromme Frau
war, trug ihr Leiden lang in der Stille. Jch
weiß es noch aus meiner Kindheit, wie sie oft
auf unsrer Kammer weinte, da indeß die Edelleu-
te beym Weinkrug lärmten. Endlich nahm mein
Vater auch eine Person ins Haus, die er noch
bey sich hat, die vorher etliche Jahr im Feld
mit herum gezogen war, und sich mit den ge-
meinsten Kerls abgegeben hatte. Dieser übergab
er die ganze Herrschaft, und sie wuste sich dersel-
ben nur zu viel zu bedienen. Sie war mit bey
Tische, und brachte mit meinem Vater und der
übrigen Gesellschaft solche Zoten und Zweydeutig-
keiten vor, daß meine Mutter alle Augenblicke



und legte, ihr zu Lieb, faſt alle ſeine vorige Ge-
wohnheiten ab; beſonders das Fluchen und das
Trinken. Nach ein paar Jahren, als der Krieg
vorbey war, kamen zwey oder drey Edelleute, die
im Krieg ſeine Kammeraden geweſen waren, in
unſre Nachbarſchaft; beſuchten meinen Vater fleiſ-
ſig; und er fieng ſeinen vorigen Lebenswandel
wieder an. Man ſpielte, trank, fluchte, gieng auf
die Jagd, kam um Mitternacht mit 3 oder 4
Junkern nach Haus, und unſer Schloß ſah einer
Dorſſchenke aͤhnlicher als einem Edelhof. Mei-
ne Mutter, die eine trefliche und fromme Frau
war, trug ihr Leiden lang in der Stille. Jch
weiß es noch aus meiner Kindheit, wie ſie oft
auf unſrer Kammer weinte, da indeß die Edelleu-
te beym Weinkrug laͤrmten. Endlich nahm mein
Vater auch eine Perſon ins Haus, die er noch
bey ſich hat, die vorher etliche Jahr im Feld
mit herum gezogen war, und ſich mit den ge-
meinſten Kerls abgegeben hatte. Dieſer uͤbergab
er die ganze Herrſchaft, und ſie wuſte ſich derſel-
ben nur zu viel zu bedienen. Sie war mit bey
Tiſche, und brachte mit meinem Vater und der
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keiten vor, daß meine Mutter alle Augenblicke

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[220/0224] und legte, ihr zu Lieb, faſt alle ſeine vorige Ge- wohnheiten ab; beſonders das Fluchen und das Trinken. Nach ein paar Jahren, als der Krieg vorbey war, kamen zwey oder drey Edelleute, die im Krieg ſeine Kammeraden geweſen waren, in unſre Nachbarſchaft; beſuchten meinen Vater fleiſ- ſig; und er fieng ſeinen vorigen Lebenswandel wieder an. Man ſpielte, trank, fluchte, gieng auf die Jagd, kam um Mitternacht mit 3 oder 4 Junkern nach Haus, und unſer Schloß ſah einer Dorſſchenke aͤhnlicher als einem Edelhof. Mei- ne Mutter, die eine trefliche und fromme Frau war, trug ihr Leiden lang in der Stille. Jch weiß es noch aus meiner Kindheit, wie ſie oft auf unſrer Kammer weinte, da indeß die Edelleu- te beym Weinkrug laͤrmten. Endlich nahm mein Vater auch eine Perſon ins Haus, die er noch bey ſich hat, die vorher etliche Jahr im Feld mit herum gezogen war, und ſich mit den ge- meinſten Kerls abgegeben hatte. Dieſer uͤbergab er die ganze Herrſchaft, und ſie wuſte ſich derſel- ben nur zu viel zu bedienen. Sie war mit bey Tiſche, und brachte mit meinem Vater und der uͤbrigen Geſellſchaft ſolche Zoten und Zweydeutig- keiten vor, daß meine Mutter alle Augenblicke

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/224>, abgerufen am 24.11.2024.