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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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dig zu lernen, die er bey der bevorstehenden Schul-
komödie zu spielen hatte. Xavern wurde noch kei-
ne Rolle aufgetragen, weil er noch nicht lang
auf der Schule war; aber im Orchester spielte er
mit, und akkompagnirte bey dem Singspiel eine
obligate Arie, auf der Violine, mit solch allgemei-
nem Beyfall, daß das ganze Parterre zusammen
klatschte, und den Sänger, der nicht schlecht war,
drüber vergaß.

Zwey Tage drauf, nach der Schulkomödie,
schickte Junker Veit seinen Neitknecht mit drey
Pferden nach der Stadt, um seinen Sohn und
Siegwart abzuholen. Sie nahmen ihre Violi-
nen mit, um sich allenfalls die Zeit zu vertreiben,
und steckten den Virgil, nebst noch ein paar Bü-
chern zu sich. Der Reitknecht Jakob, oder Ja-
kerl,
war ein lustiger Kerl, den Junker Veit im
Nothfall statt eines Kammeraden brauchte, denn
er verstund die Jägerey aus dem Grunde, und
hatte auch jetzt einen Windhund, einen Hühner-
hund, einen Dax und eine Flinte bey sich. Das
Schloß des Junkers lag sechs Stunden weit vom
Städtchen, und hieß Steinfeld. Der Weg da-
hin gieng mehrentheils durch Ebenen und Tan-
nenwälder. Jakob sah die ganze Gegend als ein



dig zu lernen, die er bey der bevorſtehenden Schul-
komoͤdie zu ſpielen hatte. Xavern wurde noch kei-
ne Rolle aufgetragen, weil er noch nicht lang
auf der Schule war; aber im Orcheſter ſpielte er
mit, und akkompagnirte bey dem Singſpiel eine
obligate Arie, auf der Violine, mit ſolch allgemei-
nem Beyfall, daß das ganze Parterre zuſammen
klatſchte, und den Saͤnger, der nicht ſchlecht war,
druͤber vergaß.

Zwey Tage drauf, nach der Schulkomoͤdie,
ſchickte Junker Veit ſeinen Neitknecht mit drey
Pferden nach der Stadt, um ſeinen Sohn und
Siegwart abzuholen. Sie nahmen ihre Violi-
nen mit, um ſich allenfalls die Zeit zu vertreiben,
und ſteckten den Virgil, nebſt noch ein paar Buͤ-
chern zu ſich. Der Reitknecht Jakob, oder Ja-
kerl,
war ein luſtiger Kerl, den Junker Veit im
Nothfall ſtatt eines Kammeraden brauchte, denn
er verſtund die Jaͤgerey aus dem Grunde, und
hatte auch jetzt einen Windhund, einen Huͤhner-
hund, einen Dax und eine Flinte bey ſich. Das
Schloß des Junkers lag ſechs Stunden weit vom
Staͤdtchen, und hieß Steinfeld. Der Weg da-
hin gieng mehrentheils durch Ebenen und Tan-
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[236/0240] dig zu lernen, die er bey der bevorſtehenden Schul- komoͤdie zu ſpielen hatte. Xavern wurde noch kei- ne Rolle aufgetragen, weil er noch nicht lang auf der Schule war; aber im Orcheſter ſpielte er mit, und akkompagnirte bey dem Singſpiel eine obligate Arie, auf der Violine, mit ſolch allgemei- nem Beyfall, daß das ganze Parterre zuſammen klatſchte, und den Saͤnger, der nicht ſchlecht war, druͤber vergaß. Zwey Tage drauf, nach der Schulkomoͤdie, ſchickte Junker Veit ſeinen Neitknecht mit drey Pferden nach der Stadt, um ſeinen Sohn und Siegwart abzuholen. Sie nahmen ihre Violi- nen mit, um ſich allenfalls die Zeit zu vertreiben, und ſteckten den Virgil, nebſt noch ein paar Buͤ- chern zu ſich. Der Reitknecht Jakob, oder Ja- kerl, war ein luſtiger Kerl, den Junker Veit im Nothfall ſtatt eines Kammeraden brauchte, denn er verſtund die Jaͤgerey aus dem Grunde, und hatte auch jetzt einen Windhund, einen Huͤhner- hund, einen Dax und eine Flinte bey ſich. Das Schloß des Junkers lag ſechs Stunden weit vom Staͤdtchen, und hieß Steinfeld. Der Weg da- hin gieng mehrentheils durch Ebenen und Tan- nenwaͤlder. Jakob ſah die ganze Gegend als ein

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/240>, abgerufen am 24.11.2024.