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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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wart den wildesten deutschen Tanz auf der Wiese
mit ihr machen. Nach ihm tanzte Junker Veit.
Fritz
kann noch warten, sagte er. Der Jung
muß erst zeigen, ob er mein Sohn ist, und auch
schiessen kann? Sie ritten nun, weil es Abend
wurde, mit einander nach Haus; Kunigunde
muste auch mit reiten. Unterwegs fiels dem Jun-
ker ein, sie wollten beym Junker Seilberg vor-
bey reiten. 'S ist nur drey viertel Stund Um-
weg, sagte Veit; der ehrliche Kerl muß doch auch
von meiner Freud wissen, daß ich die Sau kriegt
hab. Nun gab er seinem Roß die Sporn, und
die andern mußten nach, sie mochten wollen, oder
nicht. Man hörte gleich, eh man noch an Seil-
bergs
Schloß kam, ein schröckliches Geschrey;
denn es war Gesellschaft da. Veit gieng mit sei-
ner Gesellschaft unangemeldet in den Saal, erzäl-
te mit grossem Geschrey, daß Siegwart ein
Schwein geschossen habe und stellte ihn mit vie-
lem Triumph unter diesem Karakter den vier
da versammelten Junkern vor. Man setzte sich
gleich um den Tisch herum, und muste tapfer
trinken. Die anwesenden Edelleute waren: Seil-
berg,
ein Mann von 65 Jahren, der, wegen
des Podagra nicht von der Stelle kommen konn-



wart den wildeſten deutſchen Tanz auf der Wieſe
mit ihr machen. Nach ihm tanzte Junker Veit.
Fritz
kann noch warten, ſagte er. Der Jung
muß erſt zeigen, ob er mein Sohn iſt, und auch
ſchieſſen kann? Sie ritten nun, weil es Abend
wurde, mit einander nach Haus; Kunigunde
muſte auch mit reiten. Unterwegs fiels dem Jun-
ker ein, ſie wollten beym Junker Seilberg vor-
bey reiten. ’S iſt nur drey viertel Stund Um-
weg, ſagte Veit; der ehrliche Kerl muß doch auch
von meiner Freud wiſſen, daß ich die Sau kriegt
hab. Nun gab er ſeinem Roß die Sporn, und
die andern mußten nach, ſie mochten wollen, oder
nicht. Man hoͤrte gleich, eh man noch an Seil-
bergs
Schloß kam, ein ſchroͤckliches Geſchrey;
denn es war Geſellſchaft da. Veit gieng mit ſei-
ner Geſellſchaft unangemeldet in den Saal, erzaͤl-
te mit groſſem Geſchrey, daß Siegwart ein
Schwein geſchoſſen habe und ſtellte ihn mit vie-
lem Triumph unter dieſem Karakter den vier
da verſammelten Junkern vor. Man ſetzte ſich
gleich um den Tiſch herum, und muſte tapfer
trinken. Die anweſenden Edelleute waren: Seil-
berg,
ein Mann von 65 Jahren, der, wegen
des Podagra nicht von der Stelle kommen konn-

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[249/0253] wart den wildeſten deutſchen Tanz auf der Wieſe mit ihr machen. Nach ihm tanzte Junker Veit. Fritz kann noch warten, ſagte er. Der Jung muß erſt zeigen, ob er mein Sohn iſt, und auch ſchieſſen kann? Sie ritten nun, weil es Abend wurde, mit einander nach Haus; Kunigunde muſte auch mit reiten. Unterwegs fiels dem Jun- ker ein, ſie wollten beym Junker Seilberg vor- bey reiten. ’S iſt nur drey viertel Stund Um- weg, ſagte Veit; der ehrliche Kerl muß doch auch von meiner Freud wiſſen, daß ich die Sau kriegt hab. Nun gab er ſeinem Roß die Sporn, und die andern mußten nach, ſie mochten wollen, oder nicht. Man hoͤrte gleich, eh man noch an Seil- bergs Schloß kam, ein ſchroͤckliches Geſchrey; denn es war Geſellſchaft da. Veit gieng mit ſei- ner Geſellſchaft unangemeldet in den Saal, erzaͤl- te mit groſſem Geſchrey, daß Siegwart ein Schwein geſchoſſen habe und ſtellte ihn mit vie- lem Triumph unter dieſem Karakter den vier da verſammelten Junkern vor. Man ſetzte ſich gleich um den Tiſch herum, und muſte tapfer trinken. Die anweſenden Edelleute waren: Seil- berg, ein Mann von 65 Jahren, der, wegen des Podagra nicht von der Stelle kommen konn-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/253>, abgerufen am 24.11.2024.