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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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warum, lieber Herr Amtmann? sagte P. Gre-
gor. Hätten Sies nicht gerne, wenn Jhr Sohn
ein frommer Mann würde? Sie müssen ihm zu-
reden. Glauben Sie; ein frommer Mönch tringt
Segen über seine ganze Familie.

Nun giengen sie alle mit dem brüderlichen
Kuß auseinander, und jeder wünschte noch beson-
ders dem jungen Siegwart gute Nacht. Die
beyden Gäste wurden zum Verwalter vors Klo-
ster hinausgeführt, wo sie schon ein zubereitetes
Schlafzimmer fanden. Der alte Siegwart ver-
mied vorsetzlich, mit seinem Sohn von dem, was
diesen Abend vorgefallen war, zu reden. Er kann-
te sein lebhaftes, leicht zu erhitzendes Tempera-
ment, und dachte, die Bilder, die sich ihm die-
sen Abend eingeprägt hatten, würden wieder mit
der Nacht verfliegen.

Allein der junge Siegwart, der in einem be-
sondern Zimmer lag, konnte nicht schlafen; der
Gedanke an das Kloster, an die stille Ruhe und
glänzende Heiligkeit der Mönche beschäftigte ihn bis
um Mitternacht. Er baute tausend Luftschlösser
auf; seine dichterische Phantasie malte ihm die
Tage vor, die er hier so glücklich zubringen könn-
te; sie malte ihm das Kloster als einen Himmel



warum, lieber Herr Amtmann? ſagte P. Gre-
gor. Haͤtten Sies nicht gerne, wenn Jhr Sohn
ein frommer Mann wuͤrde? Sie muͤſſen ihm zu-
reden. Glauben Sie; ein frommer Moͤnch tringt
Segen uͤber ſeine ganze Familie.

Nun giengen ſie alle mit dem bruͤderlichen
Kuß auseinander, und jeder wuͤnſchte noch beſon-
ders dem jungen Siegwart gute Nacht. Die
beyden Gaͤſte wurden zum Verwalter vors Klo-
ſter hinausgefuͤhrt, wo ſie ſchon ein zubereitetes
Schlafzimmer fanden. Der alte Siegwart ver-
mied vorſetzlich, mit ſeinem Sohn von dem, was
dieſen Abend vorgefallen war, zu reden. Er kann-
te ſein lebhaftes, leicht zu erhitzendes Tempera-
ment, und dachte, die Bilder, die ſich ihm die-
ſen Abend eingepraͤgt hatten, wuͤrden wieder mit
der Nacht verfliegen.

Allein der junge Siegwart, der in einem be-
ſondern Zimmer lag, konnte nicht ſchlafen; der
Gedanke an das Kloſter, an die ſtille Ruhe und
glaͤnzende Heiligkeit der Moͤnche beſchaͤftigte ihn bis
um Mitternacht. Er baute tauſend Luftſchloͤſſer
auf; ſeine dichteriſche Phantaſie malte ihm die
Tage vor, die er hier ſo gluͤcklich zubringen koͤnn-
te; ſie malte ihm das Kloſter als einen Himmel

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[28/0032] warum, lieber Herr Amtmann? ſagte P. Gre- gor. Haͤtten Sies nicht gerne, wenn Jhr Sohn ein frommer Mann wuͤrde? Sie muͤſſen ihm zu- reden. Glauben Sie; ein frommer Moͤnch tringt Segen uͤber ſeine ganze Familie. Nun giengen ſie alle mit dem bruͤderlichen Kuß auseinander, und jeder wuͤnſchte noch beſon- ders dem jungen Siegwart gute Nacht. Die beyden Gaͤſte wurden zum Verwalter vors Klo- ſter hinausgefuͤhrt, wo ſie ſchon ein zubereitetes Schlafzimmer fanden. Der alte Siegwart ver- mied vorſetzlich, mit ſeinem Sohn von dem, was dieſen Abend vorgefallen war, zu reden. Er kann- te ſein lebhaftes, leicht zu erhitzendes Tempera- ment, und dachte, die Bilder, die ſich ihm die- ſen Abend eingepraͤgt hatten, wuͤrden wieder mit der Nacht verfliegen. Allein der junge Siegwart, der in einem be- ſondern Zimmer lag, konnte nicht ſchlafen; der Gedanke an das Kloſter, an die ſtille Ruhe und glaͤnzende Heiligkeit der Moͤnche beſchaͤftigte ihn bis um Mitternacht. Er baute tauſend Luftſchloͤſſer auf; ſeine dichteriſche Phantaſie malte ihm die Tage vor, die er hier ſo gluͤcklich zubringen koͤnn- te; ſie malte ihm das Kloſter als einen Himmel

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/32>, abgerufen am 21.11.2024.