Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.verlohren, und besonders meinen theuren, un- vergeßlichen Kleist. Ein Soldat sollte beynahe keinen Freund haben; denn alle Augenblicke steht er in Gefahr, ihn zu verlieren; und ein Leben ohne Freundschaft ist doch traurig. Jch wollte, daß ich einmal in Ruh den Wissenschaften oblie- gen könnte! Und, wenn ich Jhnen als ein Freund rathen darf, so nehmen Sie keine Kriegsdienste! -- Der junge Lieutenant sagte, es sey doch ein lustiges Leben; man könne brav Muth zeigen; ein Officier sey überall, und besonders beym Frauenzimmer wol gelitten, u. s. w. Man gab aber auf sein Reden wenig acht. Nach dem Essen gieng man im Garten spa- verlohren, und beſonders meinen theuren, un- vergeßlichen Kleiſt. Ein Soldat ſollte beynahe keinen Freund haben; denn alle Augenblicke ſteht er in Gefahr, ihn zu verlieren; und ein Leben ohne Freundſchaft iſt doch traurig. Jch wollte, daß ich einmal in Ruh den Wiſſenſchaften oblie- gen koͤnnte! Und, wenn ich Jhnen als ein Freund rathen darf, ſo nehmen Sie keine Kriegsdienſte! — Der junge Lieutenant ſagte, es ſey doch ein luſtiges Leben; man koͤnne brav Muth zeigen; ein Officier ſey uͤberall, und beſonders beym Frauenzimmer wol gelitten, u. ſ. w. Man gab aber auf ſein Reden wenig acht. Nach dem Eſſen gieng man im Garten ſpa- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0367" n="363"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> verlohren, und beſonders meinen theuren, un-<lb/> vergeßlichen Kleiſt. Ein Soldat ſollte beynahe<lb/> keinen Freund haben; denn alle Augenblicke ſteht<lb/> er in Gefahr, ihn zu verlieren; und ein Leben<lb/> ohne Freundſchaft iſt doch traurig. Jch wollte,<lb/> daß ich einmal in Ruh den Wiſſenſchaften oblie-<lb/> gen koͤnnte! Und, wenn ich Jhnen als ein Freund<lb/> rathen darf, ſo nehmen Sie keine Kriegsdienſte!<lb/> — Der junge Lieutenant ſagte, es ſey doch ein<lb/> luſtiges Leben; man koͤnne brav Muth zeigen;<lb/> ein Officier ſey uͤberall, und beſonders beym<lb/> Frauenzimmer wol gelitten, u. ſ. w. Man gab<lb/> aber auf ſein Reden wenig acht.</p><lb/> <p>Nach dem Eſſen gieng man im Garten ſpa-<lb/> tzieren. Der junge Offieier fuͤhrte <hi rendition="#fr">Thereſen.<lb/> Kronhelm,</hi> der ziemlich viel Anlage zur Eifer-<lb/> ſucht hatte, gieng hinter drein; brach jede Blum’<lb/> ab, an der er vorbey gieng, und zerriß ſie. <hi rendition="#fr">The-<lb/> reſe</hi> ſah ſich ein parmal um, und blickte ihn mit<lb/> einer viel bedeutenden Miene an. Er achtete es<lb/> aber gar nicht, oder blickte weg. <hi rendition="#fr">Drauf</hi> machte<lb/> er allerley Spaß, und that luſtig, ob es ihm gleich<lb/> gar nicht Ernſt war. Zuweilen ließ er etwas in<lb/> ſeine Reden mit einflieſſen von ſeiner Unfaͤhigkeit,<lb/> ſich beym Frauenzimmer beliebt zu machen. Sie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [363/0367]
verlohren, und beſonders meinen theuren, un-
vergeßlichen Kleiſt. Ein Soldat ſollte beynahe
keinen Freund haben; denn alle Augenblicke ſteht
er in Gefahr, ihn zu verlieren; und ein Leben
ohne Freundſchaft iſt doch traurig. Jch wollte,
daß ich einmal in Ruh den Wiſſenſchaften oblie-
gen koͤnnte! Und, wenn ich Jhnen als ein Freund
rathen darf, ſo nehmen Sie keine Kriegsdienſte!
— Der junge Lieutenant ſagte, es ſey doch ein
luſtiges Leben; man koͤnne brav Muth zeigen;
ein Officier ſey uͤberall, und beſonders beym
Frauenzimmer wol gelitten, u. ſ. w. Man gab
aber auf ſein Reden wenig acht.
Nach dem Eſſen gieng man im Garten ſpa-
tzieren. Der junge Offieier fuͤhrte Thereſen.
Kronhelm, der ziemlich viel Anlage zur Eifer-
ſucht hatte, gieng hinter drein; brach jede Blum’
ab, an der er vorbey gieng, und zerriß ſie. The-
reſe ſah ſich ein parmal um, und blickte ihn mit
einer viel bedeutenden Miene an. Er achtete es
aber gar nicht, oder blickte weg. Drauf machte
er allerley Spaß, und that luſtig, ob es ihm gleich
gar nicht Ernſt war. Zuweilen ließ er etwas in
ſeine Reden mit einflieſſen von ſeiner Unfaͤhigkeit,
ſich beym Frauenzimmer beliebt zu machen. Sie
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