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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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malt wurde. Er hatte die beste Meynung von
feiner Tochter, und sagte, sie werde gewiß keinen
Schritt wagen, der ihrer Unschuld nachtheilig
sey. -- Aber ihrer Ruhe, sagte seine schlaue
Schwiegertochter. Jch wollte selbst auf ihre Tu-
gend alles bauen; aber das ist bey uns Frauen-
zimmern noch nicht genug. Wir müssen auch be-
hutsam und vorsichtig mit den Mannspersonen
umgehen; und unser Herz, auch in der besten
Absicht, nicht so aufs Gerathewohl verschenken!
Sie wissen wie's mit Edelleuten ist; und den
Junker Veit kenn ich von aussen und von innen.
Er hält auf seinen Adel, wie auf seine Jagdhun-
de; und, sobald er das geringste von erfährt, ist
kein Mensch, weder sein Sohn, noch ihre Toch-
ter, noch Sie selbst ihres Lebens sicher. Jch
weiß, er hat seinem Sohn schon ein Fräulein
ausersehen, und die muß er nehmen, es mag ko-
sten, was es will. Denken Sie, was dann aus
Jhrer Tochter werden wird? Soll sie seine Mai-
tresse werden? Oder was sonst? Wenn ich Jh-
nen wohlmeynend rathen darf, so warnen Sie
Jhre Tochter! brauchen Sie Jhr väterliches An-
sehen, und untersagen Sie ihr ihren Umgang
mit dem Junker! Es kann dem armen Mädchen



malt wurde. Er hatte die beſte Meynung von
feiner Tochter, und ſagte, ſie werde gewiß keinen
Schritt wagen, der ihrer Unſchuld nachtheilig
ſey. — Aber ihrer Ruhe, ſagte ſeine ſchlaue
Schwiegertochter. Jch wollte ſelbſt auf ihre Tu-
gend alles bauen; aber das iſt bey uns Frauen-
zimmern noch nicht genug. Wir muͤſſen auch be-
hutſam und vorſichtig mit den Mannsperſonen
umgehen; und unſer Herz, auch in der beſten
Abſicht, nicht ſo aufs Gerathewohl verſchenken!
Sie wiſſen wie’s mit Edelleuten iſt; und den
Junker Veit kenn ich von auſſen und von innen.
Er haͤlt auf ſeinen Adel, wie auf ſeine Jagdhun-
de; und, ſobald er das geringſte von erfaͤhrt, iſt
kein Menſch, weder ſein Sohn, noch ihre Toch-
ter, noch Sie ſelbſt ihres Lebens ſicher. Jch
weiß, er hat ſeinem Sohn ſchon ein Fraͤulein
auserſehen, und die muß er nehmen, es mag ko-
ſten, was es will. Denken Sie, was dann aus
Jhrer Tochter werden wird? Soll ſie ſeine Mai-
treſſe werden? Oder was ſonſt? Wenn ich Jh-
nen wohlmeynend rathen darf, ſo warnen Sie
Jhre Tochter! brauchen Sie Jhr vaͤterliches An-
ſehen, und unterſagen Sie ihr ihren Umgang
mit dem Junker! Es kann dem armen Maͤdchen

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[374/0378] malt wurde. Er hatte die beſte Meynung von feiner Tochter, und ſagte, ſie werde gewiß keinen Schritt wagen, der ihrer Unſchuld nachtheilig ſey. — Aber ihrer Ruhe, ſagte ſeine ſchlaue Schwiegertochter. Jch wollte ſelbſt auf ihre Tu- gend alles bauen; aber das iſt bey uns Frauen- zimmern noch nicht genug. Wir muͤſſen auch be- hutſam und vorſichtig mit den Mannsperſonen umgehen; und unſer Herz, auch in der beſten Abſicht, nicht ſo aufs Gerathewohl verſchenken! Sie wiſſen wie’s mit Edelleuten iſt; und den Junker Veit kenn ich von auſſen und von innen. Er haͤlt auf ſeinen Adel, wie auf ſeine Jagdhun- de; und, ſobald er das geringſte von erfaͤhrt, iſt kein Menſch, weder ſein Sohn, noch ihre Toch- ter, noch Sie ſelbſt ihres Lebens ſicher. Jch weiß, er hat ſeinem Sohn ſchon ein Fraͤulein auserſehen, und die muß er nehmen, es mag ko- ſten, was es will. Denken Sie, was dann aus Jhrer Tochter werden wird? Soll ſie ſeine Mai- treſſe werden? Oder was ſonſt? Wenn ich Jh- nen wohlmeynend rathen darf, ſo warnen Sie Jhre Tochter! brauchen Sie Jhr vaͤterliches An- ſehen, und unterſagen Sie ihr ihren Umgang mit dem Junker! Es kann dem armen Maͤdchen

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/378>, abgerufen am 24.11.2024.