Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.männinn habs gesagt, er müsse wieder ein Papier mitbringen! -- Sie brachten den Abend unter keuschen unschuldigen Küssen sehr vergnügt zu. Theresens Munterkeit und Kronhelms Ruhe kehrte wieder zurück. Die Gefahr, die ihrer Lie- be drohte, schwand vor ihren Blicken, und in ih- rer Seele wards so still, wie in der Natur, wo nur leise Abendlüftchen wehten. Sie sprachen von der Trennung, aber der Gedanke ans fleissige Briefwechseln, und der noch süssere ans Wieder- sehn der Liebenden tröstete sie wieder. Den fol- genden Morgen brachten sie in der schönsten rein- sten Luft gröstentheils im Garten über dem Lesen des Messias und ihres lieben Kleist zu. The- rese versuchte wieder, ihrem Bruder seinen Hang zum Klosterleben auszureden; aber als sie sah, daß ihn der Widerstand nur hitziger darauf ma- che, so schwieg sie wieder. -- Gleich nach dem Essen giengen sie mit einander nach Füllendorf, weil ihnen Siegwart keine Ruhe ließ. Er sprach unterwegs mit Begeisterung von alle dem Schö- nen und Ausserordentlichen, was sie im Kloster sehen würden, und von dem heiligen Gefühl, das sie da durchdringen werde! maͤnninn habs geſagt, er muͤſſe wieder ein Papier mitbringen! — Sie brachten den Abend unter keuſchen unſchuldigen Kuͤſſen ſehr vergnuͤgt zu. Thereſens Munterkeit und Kronhelms Ruhe kehrte wieder zuruͤck. Die Gefahr, die ihrer Lie- be drohte, ſchwand vor ihren Blicken, und in ih- rer Seele wards ſo ſtill, wie in der Natur, wo nur leiſe Abendluͤftchen wehten. Sie ſprachen von der Trennung, aber der Gedanke ans fleiſſige Briefwechſeln, und der noch ſuͤſſere ans Wieder- ſehn der Liebenden troͤſtete ſie wieder. Den fol- genden Morgen brachten ſie in der ſchoͤnſten rein- ſten Luft groͤſtentheils im Garten uͤber dem Leſen des Meſſias und ihres lieben Kleiſt zu. The- reſe verſuchte wieder, ihrem Bruder ſeinen Hang zum Kloſterleben auszureden; aber als ſie ſah, daß ihn der Widerſtand nur hitziger darauf ma- che, ſo ſchwieg ſie wieder. — Gleich nach dem Eſſen giengen ſie mit einander nach Fuͤllendorf, weil ihnen Siegwart keine Ruhe ließ. Er ſprach unterwegs mit Begeiſterung von alle dem Schoͤ- nen und Auſſerordentlichen, was ſie im Kloſter ſehen wuͤrden, und von dem heiligen Gefuͤhl, das ſie da durchdringen werde! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0417" n="413"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> maͤnninn habs geſagt, er muͤſſe wieder ein Papier<lb/> mitbringen! — Sie brachten den Abend unter<lb/> keuſchen unſchuldigen Kuͤſſen ſehr vergnuͤgt zu.<lb/><hi rendition="#fr">Thereſens</hi> Munterkeit und <hi rendition="#fr">Kronhelms</hi> Ruhe<lb/> kehrte wieder zuruͤck. Die Gefahr, die ihrer Lie-<lb/> be drohte, ſchwand vor ihren Blicken, und in ih-<lb/> rer Seele wards ſo ſtill, wie in der Natur, wo<lb/> nur leiſe Abendluͤftchen wehten. Sie ſprachen<lb/> von der Trennung, aber der Gedanke ans fleiſſige<lb/> Briefwechſeln, und der noch ſuͤſſere ans Wieder-<lb/> ſehn der Liebenden troͤſtete ſie wieder. Den fol-<lb/> genden Morgen brachten ſie in der ſchoͤnſten rein-<lb/> ſten Luft groͤſtentheils im Garten uͤber dem Leſen<lb/> des <hi rendition="#fr">Meſſias</hi> und ihres lieben <hi rendition="#fr">Kleiſt</hi> zu. <hi rendition="#fr">The-<lb/> reſe</hi> verſuchte wieder, ihrem Bruder ſeinen Hang<lb/> zum Kloſterleben auszureden; aber als ſie ſah,<lb/> daß ihn der Widerſtand nur hitziger darauf ma-<lb/> che, ſo ſchwieg ſie wieder. — Gleich nach dem<lb/> Eſſen giengen ſie mit einander nach <hi rendition="#fr">Fuͤllendorf,</hi><lb/> weil ihnen <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> keine Ruhe ließ. Er ſprach<lb/> unterwegs mit Begeiſterung von alle dem Schoͤ-<lb/> nen und Auſſerordentlichen, was ſie im Kloſter<lb/> ſehen wuͤrden, und von dem heiligen Gefuͤhl, das<lb/> ſie da durchdringen werde!</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [413/0417]
maͤnninn habs geſagt, er muͤſſe wieder ein Papier
mitbringen! — Sie brachten den Abend unter
keuſchen unſchuldigen Kuͤſſen ſehr vergnuͤgt zu.
Thereſens Munterkeit und Kronhelms Ruhe
kehrte wieder zuruͤck. Die Gefahr, die ihrer Lie-
be drohte, ſchwand vor ihren Blicken, und in ih-
rer Seele wards ſo ſtill, wie in der Natur, wo
nur leiſe Abendluͤftchen wehten. Sie ſprachen
von der Trennung, aber der Gedanke ans fleiſſige
Briefwechſeln, und der noch ſuͤſſere ans Wieder-
ſehn der Liebenden troͤſtete ſie wieder. Den fol-
genden Morgen brachten ſie in der ſchoͤnſten rein-
ſten Luft groͤſtentheils im Garten uͤber dem Leſen
des Meſſias und ihres lieben Kleiſt zu. The-
reſe verſuchte wieder, ihrem Bruder ſeinen Hang
zum Kloſterleben auszureden; aber als ſie ſah,
daß ihn der Widerſtand nur hitziger darauf ma-
che, ſo ſchwieg ſie wieder. — Gleich nach dem
Eſſen giengen ſie mit einander nach Fuͤllendorf,
weil ihnen Siegwart keine Ruhe ließ. Er ſprach
unterwegs mit Begeiſterung von alle dem Schoͤ-
nen und Auſſerordentlichen, was ſie im Kloſter
ſehen wuͤrden, und von dem heiligen Gefuͤhl, das
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