Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.und seinen Segen aufgetragen. Er schläft ne- ben meinem P. Joseph. Siegwart weinte ihm eine zärtliche und dankbare Zähre nach. Jch muß dir noch sein Crucifix geben, Xaver! sagte Anton; er hat dir's vermacht. Du sollest sein zuweilen dabey gedenken, und es dich erinnern lassen, daß er dich im Himmel erwarte! Eh sie weggiengen, gabs ihm P. Anton; und es ward ihm heilig. Er hatte es nachher immer auf sei- nem Tische vor sich stehen, und sah es oft mit Wehmuth und bebendem Verlangen an, bald bey seinem ehemaligen Besitzer zu seyn. Die jungen Leute blieben lang, und giengen erst eine Stunde vor Sonnenuntergang nach ihrem Dorf zurück. Therese und Kronhelm konnten nun begreifen, warum Siegwart mit so festem Herzen an dem Vorsatz hange, ein Mönch zu werden; denn sie waren selbst von dem einsamen und stillen Klo- sterleben ganz bezaubert. -- Der Gedanke der nahen Trennung lag nun immer trauriger und schwerer auf ihnen! Sie wagtens nicht, einan- der etwas davon zu sagen, und doch verriethen ihre Blicke ihre Bangigkeit und ängstliche Besorg- nis nur zu oft. und ſeinen Segen aufgetragen. Er ſchlaͤft ne- ben meinem P. Joſeph. Siegwart weinte ihm eine zaͤrtliche und dankbare Zaͤhre nach. Jch muß dir noch ſein Crucifix geben, Xaver! ſagte Anton; er hat dir’s vermacht. Du ſolleſt ſein zuweilen dabey gedenken, und es dich erinnern laſſen, daß er dich im Himmel erwarte! Eh ſie weggiengen, gabs ihm P. Anton; und es ward ihm heilig. Er hatte es nachher immer auf ſei- nem Tiſche vor ſich ſtehen, und ſah es oft mit Wehmuth und bebendem Verlangen an, bald bey ſeinem ehemaligen Beſitzer zu ſeyn. Die jungen Leute blieben lang, und giengen erſt eine Stunde vor Sonnenuntergang nach ihrem Dorf zuruͤck. Thereſe und Kronhelm konnten nun begreifen, warum Siegwart mit ſo feſtem Herzen an dem Vorſatz hange, ein Moͤnch zu werden; denn ſie waren ſelbſt von dem einſamen und ſtillen Klo- ſterleben ganz bezaubert. — Der Gedanke der nahen Trennung lag nun immer trauriger und ſchwerer auf ihnen! Sie wagtens nicht, einan- der etwas davon zu ſagen, und doch verriethen ihre Blicke ihre Bangigkeit und aͤngſtliche Beſorg- nis nur zu oft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0419" n="415"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> und ſeinen Segen aufgetragen. Er ſchlaͤft ne-<lb/> ben meinem P. <hi rendition="#fr">Joſeph. Siegwart</hi> weinte ihm<lb/> eine zaͤrtliche und dankbare Zaͤhre nach. Jch<lb/> muß dir noch ſein Crucifix geben, <hi rendition="#fr">Xaver!</hi> ſagte<lb/><hi rendition="#fr">Anton;</hi> er hat dir’s vermacht. Du ſolleſt ſein<lb/> zuweilen dabey gedenken, und es dich erinnern<lb/> laſſen, daß er dich im Himmel erwarte! Eh ſie<lb/> weggiengen, gabs ihm P. <hi rendition="#fr">Anton;</hi> und es ward<lb/> ihm heilig. Er hatte es nachher immer auf ſei-<lb/> nem Tiſche vor ſich ſtehen, und ſah es oft mit<lb/> Wehmuth und bebendem Verlangen an, bald bey<lb/> ſeinem ehemaligen Beſitzer zu ſeyn. Die jungen<lb/> Leute blieben lang, und giengen erſt eine Stunde<lb/> vor Sonnenuntergang nach ihrem Dorf zuruͤck.<lb/><hi rendition="#fr">Thereſe</hi> und <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> konnten nun begreifen,<lb/> warum <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> mit ſo feſtem Herzen an dem<lb/> Vorſatz hange, ein Moͤnch zu werden; denn ſie<lb/> waren ſelbſt von dem einſamen und ſtillen Klo-<lb/> ſterleben ganz bezaubert. — Der Gedanke der<lb/> nahen Trennung lag nun immer trauriger und<lb/> ſchwerer auf ihnen! Sie wagtens nicht, einan-<lb/> der etwas davon zu ſagen, und doch verriethen<lb/> ihre Blicke ihre Bangigkeit und aͤngſtliche Beſorg-<lb/> nis nur zu oft.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [415/0419]
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ben meinem P. Joſeph. Siegwart weinte ihm
eine zaͤrtliche und dankbare Zaͤhre nach. Jch
muß dir noch ſein Crucifix geben, Xaver! ſagte
Anton; er hat dir’s vermacht. Du ſolleſt ſein
zuweilen dabey gedenken, und es dich erinnern
laſſen, daß er dich im Himmel erwarte! Eh ſie
weggiengen, gabs ihm P. Anton; und es ward
ihm heilig. Er hatte es nachher immer auf ſei-
nem Tiſche vor ſich ſtehen, und ſah es oft mit
Wehmuth und bebendem Verlangen an, bald bey
ſeinem ehemaligen Beſitzer zu ſeyn. Die jungen
Leute blieben lang, und giengen erſt eine Stunde
vor Sonnenuntergang nach ihrem Dorf zuruͤck.
Thereſe und Kronhelm konnten nun begreifen,
warum Siegwart mit ſo feſtem Herzen an dem
Vorſatz hange, ein Moͤnch zu werden; denn ſie
waren ſelbſt von dem einſamen und ſtillen Klo-
ſterleben ganz bezaubert. — Der Gedanke der
nahen Trennung lag nun immer trauriger und
ſchwerer auf ihnen! Sie wagtens nicht, einan-
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Zitationshilfe: | Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/419>, abgerufen am 16.02.2025. |