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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Der alte Siegwart muste versprechen, wenn
es, wie nicht zu zweifeln wäre, seinem Sohn fer-
ner im Kloster gefiele, ihn in kein anderes, als in
das ihrige zu thun. Jn der Stadt könne Xaver
bey den Piaristen, wohin sie ihn empfehlen woll-
ten, in 3 oder 4 Jahren die Anfangswissenschaf-
ten lernen, und dann könne er gleich auf die Uni-
versität gehen.

Nach Tische gieng man noch ein paar Stun-
den im Garten spazieren, oder setzte sich ins Ge-
büsch, wo eine Menge Amseln, Nachtigallen und
andre Vögel fast ganz zahm herumhüpften, und
sangen, weil ihnen die Paters nie nichts zu Leide
thaten.

Gegen Abend gieng der alte Siegwart nach
Hause, nachdem er seinen Sohn den Mönchen
noch einmal empfohlen hatte. P. Anton, P. Gre-
gor
und sein Sohn begleiteten ihn bis ans Wäld-
chen; wo sie zärtlich von einander Abschied
nahmen.

Traurige und freudige Gedanken wechselten
nun in seiner Seele mit einander ab. Er wünsch-
te sehr, daß sein Sohn ein Mönch werden
möchte, denn er war noch vom Aberglauben nicht
ganz frey, und glaubte, ein gutes Werk zu thun,



Der alte Siegwart muſte verſprechen, wenn
es, wie nicht zu zweifeln waͤre, ſeinem Sohn fer-
ner im Kloſter gefiele, ihn in kein anderes, als in
das ihrige zu thun. Jn der Stadt koͤnne Xaver
bey den Piariſten, wohin ſie ihn empfehlen woll-
ten, in 3 oder 4 Jahren die Anfangswiſſenſchaf-
ten lernen, und dann koͤnne er gleich auf die Uni-
verſitaͤt gehen.

Nach Tiſche gieng man noch ein paar Stun-
den im Garten ſpazieren, oder ſetzte ſich ins Ge-
buͤſch, wo eine Menge Amſeln, Nachtigallen und
andre Voͤgel faſt ganz zahm herumhuͤpften, und
ſangen, weil ihnen die Paters nie nichts zu Leide
thaten.

Gegen Abend gieng der alte Siegwart nach
Hauſe, nachdem er ſeinen Sohn den Moͤnchen
noch einmal empfohlen hatte. P. Anton, P. Gre-
gor
und ſein Sohn begleiteten ihn bis ans Waͤld-
chen; wo ſie zaͤrtlich von einander Abſchied
nahmen.

Traurige und freudige Gedanken wechſelten
nun in ſeiner Seele mit einander ab. Er wuͤnſch-
te ſehr, daß ſein Sohn ein Moͤnch werden
moͤchte, denn er war noch vom Aberglauben nicht
ganz frey, und glaubte, ein gutes Werk zu thun,

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[41/0045] Der alte Siegwart muſte verſprechen, wenn es, wie nicht zu zweifeln waͤre, ſeinem Sohn fer- ner im Kloſter gefiele, ihn in kein anderes, als in das ihrige zu thun. Jn der Stadt koͤnne Xaver bey den Piariſten, wohin ſie ihn empfehlen woll- ten, in 3 oder 4 Jahren die Anfangswiſſenſchaf- ten lernen, und dann koͤnne er gleich auf die Uni- verſitaͤt gehen. Nach Tiſche gieng man noch ein paar Stun- den im Garten ſpazieren, oder ſetzte ſich ins Ge- buͤſch, wo eine Menge Amſeln, Nachtigallen und andre Voͤgel faſt ganz zahm herumhuͤpften, und ſangen, weil ihnen die Paters nie nichts zu Leide thaten. Gegen Abend gieng der alte Siegwart nach Hauſe, nachdem er ſeinen Sohn den Moͤnchen noch einmal empfohlen hatte. P. Anton, P. Gre- gor und ſein Sohn begleiteten ihn bis ans Waͤld- chen; wo ſie zaͤrtlich von einander Abſchied nahmen. Traurige und freudige Gedanken wechſelten nun in ſeiner Seele mit einander ab. Er wuͤnſch- te ſehr, daß ſein Sohn ein Moͤnch werden moͤchte, denn er war noch vom Aberglauben nicht ganz frey, und glaubte, ein gutes Werk zu thun,

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/45>, abgerufen am 21.11.2024.