diese Art nicht soviel an seinen Xaver zu verwen- den brauche.
Als er nach Hause kam, und den beyden Söhnen, davon der älteste ihm an die Seite ge- setzt war, sein Verfahren bekannt machte, billigten sie dasselbe auch aus eigennützigen Absichten sehr, ob sie gleich die Religion zum Deckmantel nah- men, und viel von Verdienstlichkeit und guten Werken sprachen. Nur Therese, die älteste Toch- ter, billigte den Entschluß nicht, und bedaurte ins- geheim ihren armen Bruder, ohne daß sies merken lassen durfte.
Der junge Siegwart gieng indessen zwischen seinen beyden Mönchen langsam wieder nach dem Kloster zu. Diese wetteiferten, ihm angenehme Dinge vorzusagen, und seinen Entschluß zu loben.
Der Abend strich ihm in der Gesellschaft der Kapuziner, die sich beym Abendessen fast allein mit ihm beschäftigten, und ihm das Klosterleben von der reizendsten Seite abzuschildern suchten, sehr an- genehm hin. Sein Herz ward immer mehr ge- fesselt; wo er hin sah, erblickte er Ruhe, Zufrie- denheit, und brüderliche Liebe; Bilder, die bisher immer nur in seiner Einbildungskraft geschwebt hatten, und die nun wirklich und lebendig vor
dieſe Art nicht ſoviel an ſeinen Xaver zu verwen- den brauche.
Als er nach Hauſe kam, und den beyden Soͤhnen, davon der aͤlteſte ihm an die Seite ge- ſetzt war, ſein Verfahren bekannt machte, billigten ſie daſſelbe auch aus eigennuͤtzigen Abſichten ſehr, ob ſie gleich die Religion zum Deckmantel nah- men, und viel von Verdienſtlichkeit und guten Werken ſprachen. Nur Thereſe, die aͤlteſte Toch- ter, billigte den Entſchluß nicht, und bedaurte ins- geheim ihren armen Bruder, ohne daß ſies merken laſſen durfte.
Der junge Siegwart gieng indeſſen zwiſchen ſeinen beyden Moͤnchen langſam wieder nach dem Kloſter zu. Dieſe wetteiferten, ihm angenehme Dinge vorzuſagen, und ſeinen Entſchluß zu loben.
Der Abend ſtrich ihm in der Geſellſchaft der Kapuziner, die ſich beym Abendeſſen faſt allein mit ihm beſchaͤftigten, und ihm das Kloſterleben von der reizendſten Seite abzuſchildern ſuchten, ſehr an- genehm hin. Sein Herz ward immer mehr ge- feſſelt; wo er hin ſah, erblickte er Ruhe, Zufrie- denheit, und bruͤderliche Liebe; Bilder, die bisher immer nur in ſeiner Einbildungskraft geſchwebt hatten, und die nun wirklich und lebendig vor
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="43"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
dieſe Art nicht ſoviel an ſeinen Xaver zu verwen-<lb/>
den brauche.</p><lb/><p>Als er nach Hauſe kam, und den beyden<lb/>
Soͤhnen, davon der aͤlteſte ihm an die Seite ge-<lb/>ſetzt war, ſein Verfahren bekannt machte, billigten<lb/>ſie daſſelbe auch aus eigennuͤtzigen Abſichten ſehr,<lb/>
ob ſie gleich die Religion zum Deckmantel nah-<lb/>
men, und viel von Verdienſtlichkeit und guten<lb/>
Werken ſprachen. Nur Thereſe, die aͤlteſte Toch-<lb/>
ter, billigte den Entſchluß nicht, und bedaurte ins-<lb/>
geheim ihren armen Bruder, ohne daß ſies merken<lb/>
laſſen durfte.</p><lb/><p>Der junge <hirendition="#fr">Siegwart</hi> gieng indeſſen zwiſchen<lb/>ſeinen beyden Moͤnchen langſam wieder nach dem<lb/>
Kloſter zu. Dieſe wetteiferten, ihm angenehme<lb/>
Dinge vorzuſagen, und ſeinen Entſchluß zu loben.</p><lb/><p>Der Abend ſtrich ihm in der Geſellſchaft der<lb/>
Kapuziner, die ſich beym Abendeſſen faſt allein mit<lb/>
ihm beſchaͤftigten, und ihm das Kloſterleben von<lb/>
der reizendſten Seite abzuſchildern ſuchten, ſehr an-<lb/>
genehm hin. Sein Herz ward immer mehr ge-<lb/>
feſſelt; wo er hin ſah, erblickte er Ruhe, Zufrie-<lb/>
denheit, und bruͤderliche Liebe; Bilder, die bisher<lb/>
immer nur in ſeiner Einbildungskraft geſchwebt<lb/>
hatten, und die nun wirklich und lebendig vor<lb/></p></div></body></text></TEI>
[43/0047]
dieſe Art nicht ſoviel an ſeinen Xaver zu verwen-
den brauche.
Als er nach Hauſe kam, und den beyden
Soͤhnen, davon der aͤlteſte ihm an die Seite ge-
ſetzt war, ſein Verfahren bekannt machte, billigten
ſie daſſelbe auch aus eigennuͤtzigen Abſichten ſehr,
ob ſie gleich die Religion zum Deckmantel nah-
men, und viel von Verdienſtlichkeit und guten
Werken ſprachen. Nur Thereſe, die aͤlteſte Toch-
ter, billigte den Entſchluß nicht, und bedaurte ins-
geheim ihren armen Bruder, ohne daß ſies merken
laſſen durfte.
Der junge Siegwart gieng indeſſen zwiſchen
ſeinen beyden Moͤnchen langſam wieder nach dem
Kloſter zu. Dieſe wetteiferten, ihm angenehme
Dinge vorzuſagen, und ſeinen Entſchluß zu loben.
Der Abend ſtrich ihm in der Geſellſchaft der
Kapuziner, die ſich beym Abendeſſen faſt allein mit
ihm beſchaͤftigten, und ihm das Kloſterleben von
der reizendſten Seite abzuſchildern ſuchten, ſehr an-
genehm hin. Sein Herz ward immer mehr ge-
feſſelt; wo er hin ſah, erblickte er Ruhe, Zufrie-
denheit, und bruͤderliche Liebe; Bilder, die bisher
immer nur in ſeiner Einbildungskraft geſchwebt
hatten, und die nun wirklich und lebendig vor
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/47>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.