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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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dauren des Verstorbenen, und die Liebe gegen ihn,
wovon dieses ein Zeuge war, im Jnnersten rühr-
te. Er gewann die Väter, die so vieler Freund-
schaft fähig waren, nur um desto mehr lieb, und
wünschte sich, nur auch recht bald dieser Freund-
schaft wehrt zu werden. Es ward ihm nun schon
als einem, der zum Orden gehörte, begegnet, und
diese Art von Vertraulichkeit nahm ihn völlig ein.

Den Nachmittag brachte er gröstentheils in
P. Antons Zelle zu, wo noch ein andrer Mönch
hin kam, der ihm lauter abentheuerliche Wunder-
geschichten von Leuten aus seinem Orden erzälte,
und ihm besonders das Leben des heil. Francis-
cus von Aßißi empfahl, das er ihm selbst, zum
Durchlesen zu leihen versprach. Gegen Abend gien-
gen sie im Garten spatzieren, wo die Mönche zerstreut
und niedergeschlagen umher giengen. Sie kamen
durch verschiedne Gänge unvermerkt an den Gottes-
acker, wo schon ein Grab aufgeworfen wurde. Der
Abend war zu traurigen Betrachtungen gemacht,
trüb und neblicht. Die Sonne gieng verhüllt un-
ter, und schickte erst, eh sie ganz am Horizont
hinabsank, noch einige blutrote Stralen auf das
schweigende Gefild des Todes. Nach dem Abend-

D



dauren des Verſtorbenen, und die Liebe gegen ihn,
wovon dieſes ein Zeuge war, im Jnnerſten ruͤhr-
te. Er gewann die Vaͤter, die ſo vieler Freund-
ſchaft faͤhig waren, nur um deſto mehr lieb, und
wuͤnſchte ſich, nur auch recht bald dieſer Freund-
ſchaft wehrt zu werden. Es ward ihm nun ſchon
als einem, der zum Orden gehoͤrte, begegnet, und
dieſe Art von Vertraulichkeit nahm ihn voͤllig ein.

Den Nachmittag brachte er groͤſtentheils in
P. Antons Zelle zu, wo noch ein andrer Moͤnch
hin kam, der ihm lauter abentheuerliche Wunder-
geſchichten von Leuten aus ſeinem Orden erzaͤlte,
und ihm beſonders das Leben des heil. Franciſ-
cus von Aßißi empfahl, das er ihm ſelbſt, zum
Durchleſen zu leihen verſprach. Gegen Abend gien-
gen ſie im Garten ſpatzieren, wo die Moͤnche zerſtreut
und niedergeſchlagen umher giengen. Sie kamen
durch verſchiedne Gaͤnge unvermerkt an den Gottes-
acker, wo ſchon ein Grab aufgeworfen wurde. Der
Abend war zu traurigen Betrachtungen gemacht,
truͤb und neblicht. Die Sonne gieng verhuͤllt un-
ter, und ſchickte erſt, eh ſie ganz am Horizont
hinabſank, noch einige blutrote Stralen auf das
ſchweigende Gefild des Todes. Nach dem Abend-

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[49/0053] dauren des Verſtorbenen, und die Liebe gegen ihn, wovon dieſes ein Zeuge war, im Jnnerſten ruͤhr- te. Er gewann die Vaͤter, die ſo vieler Freund- ſchaft faͤhig waren, nur um deſto mehr lieb, und wuͤnſchte ſich, nur auch recht bald dieſer Freund- ſchaft wehrt zu werden. Es ward ihm nun ſchon als einem, der zum Orden gehoͤrte, begegnet, und dieſe Art von Vertraulichkeit nahm ihn voͤllig ein. Den Nachmittag brachte er groͤſtentheils in P. Antons Zelle zu, wo noch ein andrer Moͤnch hin kam, der ihm lauter abentheuerliche Wunder- geſchichten von Leuten aus ſeinem Orden erzaͤlte, und ihm beſonders das Leben des heil. Franciſ- cus von Aßißi empfahl, das er ihm ſelbſt, zum Durchleſen zu leihen verſprach. Gegen Abend gien- gen ſie im Garten ſpatzieren, wo die Moͤnche zerſtreut und niedergeſchlagen umher giengen. Sie kamen durch verſchiedne Gaͤnge unvermerkt an den Gottes- acker, wo ſchon ein Grab aufgeworfen wurde. Der Abend war zu traurigen Betrachtungen gemacht, truͤb und neblicht. Die Sonne gieng verhuͤllt un- ter, und ſchickte erſt, eh ſie ganz am Horizont hinabſank, noch einige blutrote Stralen auf das ſchweigende Gefild des Todes. Nach dem Abend- D

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/53>, abgerufen am 21.11.2024.