Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.schuld und Reinigkeit des Herzens war das Band, das sie verknüpfte; und dieses ist das festeste, das noch jenseits des Grabes in der Ewigkeit fort- dauert. Wohl dem Jüngling, dessen Seele sich allein durch dieses Band fesseln läßt! Er und sei- ne Freundin werden einst mit Semida und Cidli, mit Petrarch und Laura, mit Klopstock und mit seiner Meta unter den Lebensbäumen wandeln, und sich ihre Liebe auf der Unterwelt erzählen. Endlich nahmen Sixt und Regine von P. ſchuld und Reinigkeit des Herzens war das Band, das ſie verknuͤpfte; und dieſes iſt das feſteſte, das noch jenſeits des Grabes in der Ewigkeit fort- dauert. Wohl dem Juͤngling, deſſen Seele ſich allein durch dieſes Band feſſeln laͤßt! Er und ſei- ne Freundin werden einſt mit Semida und Cidli, mit Petrarch und Laura, mit Klopſtock und mit ſeiner Meta unter den Lebensbaͤumen wandeln, und ſich ihre Liebe auf der Unterwelt erzaͤhlen. Endlich nahmen Sixt und Regine von P. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0090" n="86"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſchuld und Reinigkeit des Herzens war das Band,<lb/> das ſie verknuͤpfte; und dieſes iſt das feſteſte,<lb/> das noch jenſeits des Grabes in der Ewigkeit fort-<lb/> dauert. Wohl dem Juͤngling, deſſen Seele ſich<lb/> allein durch dieſes Band feſſeln laͤßt! Er und ſei-<lb/> ne Freundin werden einſt mit <hi rendition="#fr">Semida</hi> und <hi rendition="#fr">Cidli,</hi><lb/> mit <hi rendition="#fr">Petrarch</hi> und <hi rendition="#fr">Laura,</hi> mit <hi rendition="#fr">Klopſtock</hi> und mit<lb/> ſeiner <hi rendition="#fr">Meta</hi> unter den Lebensbaͤumen wandeln,<lb/> und ſich ihre Liebe auf der Unterwelt erzaͤhlen.</p><lb/> <p>Endlich nahmen <hi rendition="#fr">Sixt</hi> und <hi rendition="#fr">Regine</hi> von P.<lb/><hi rendition="#fr">Anton</hi> und dem jungen <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> Abſchied. Sie<lb/> konnten kaum vor Thraͤnen ſprechen, und blieben<lb/> noch, ſo lang ſie ihnen nachſehen konnten, auf<lb/> dem Huͤgel ſtehen; dann kehrten ſie in der Daͤm-<lb/> merung zuruͤck, kuͤßten ſich tauſendmal mit dem<lb/> keuſchen Kuß der Liebe, ſahn zum Abendſtern<lb/> auf, und ihr Blick war Dank und Gebeth fuͤr<lb/> den guten Pater <hi rendition="#fr">Anton.</hi> Dieſer gieng voll innern<lb/> Friedens mit dem jungen <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> nach dem<lb/> Kloſter, deſſen Seele voll war von nie empfunde-<lb/> nen Gedanken an die Groͤße eines Menſchen,<lb/> der ein Wohlthaͤter ſeiner Bruͤder iſt, und gleich<lb/> der Sonne zur Ruhe gehen kann, die den Tag<lb/> uͤber das Herz des Menſchen und die Welt mit<lb/> ihrem Strahl erquickt hat.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [86/0090]
ſchuld und Reinigkeit des Herzens war das Band,
das ſie verknuͤpfte; und dieſes iſt das feſteſte,
das noch jenſeits des Grabes in der Ewigkeit fort-
dauert. Wohl dem Juͤngling, deſſen Seele ſich
allein durch dieſes Band feſſeln laͤßt! Er und ſei-
ne Freundin werden einſt mit Semida und Cidli,
mit Petrarch und Laura, mit Klopſtock und mit
ſeiner Meta unter den Lebensbaͤumen wandeln,
und ſich ihre Liebe auf der Unterwelt erzaͤhlen.
Endlich nahmen Sixt und Regine von P.
Anton und dem jungen Siegwart Abſchied. Sie
konnten kaum vor Thraͤnen ſprechen, und blieben
noch, ſo lang ſie ihnen nachſehen konnten, auf
dem Huͤgel ſtehen; dann kehrten ſie in der Daͤm-
merung zuruͤck, kuͤßten ſich tauſendmal mit dem
keuſchen Kuß der Liebe, ſahn zum Abendſtern
auf, und ihr Blick war Dank und Gebeth fuͤr
den guten Pater Anton. Dieſer gieng voll innern
Friedens mit dem jungen Siegwart nach dem
Kloſter, deſſen Seele voll war von nie empfunde-
nen Gedanken an die Groͤße eines Menſchen,
der ein Wohlthaͤter ſeiner Bruͤder iſt, und gleich
der Sonne zur Ruhe gehen kann, die den Tag
uͤber das Herz des Menſchen und die Welt mit
ihrem Strahl erquickt hat.
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