bewegt, und er muste eilen, um die armen El- tern nicht zu weich zu machen. Der junge Grün- bach versprach ihm, in einem Jahr nach Jngol- stadt nachzukommen.
Den lezten Abend brachte er bey seinem lieben P. Philipp zu. Dieser theilte ihm noch viel gu- te Lehren mit, und zeigte ihm alle die Behutsam- keit, die ein Neuling auf einer hohen Schule zu beobachten hat, wo Verführung, Reizung und Betrügereyen so gewöhnlich sind. Wegen Kron- helms sagte er ihm auch verschiedenes, wie er glaub- te, daß sein krankes Herz am besten geheilt wer- den könnte. Er rieth ihm, ihn so viel als mög- lich zu zerstreuen; Theresens Briefe vor ihm ge- heim zu halten, und wenig, oder nichts mit ihm von ihr zu sprechen! Er wird mir doch zuweilen Nachricht von sich geben, und mich nicht ganz vergessen? sagte er. Ach Gott! Wie könnt ich Sie vergessen? antwortete Siegwart, und wein- te. Wenn ich Jhnen nur schreiben darf, ich werds gewiß oft thun. Jhnen hab ich ja alles zu verdanken. -- Nichts zu verdanken, lieber Xaver! Was ich that, geschah aus willigem und gutem Herzen; weil ich wuste, daß es bey ihm wohl angewendet ist. Siegwart wollte ihm hier
bewegt, und er muſte eilen, um die armen El- tern nicht zu weich zu machen. Der junge Gruͤn- bach verſprach ihm, in einem Jahr nach Jngol- ſtadt nachzukommen.
Den lezten Abend brachte er bey ſeinem lieben P. Philipp zu. Dieſer theilte ihm noch viel gu- te Lehren mit, und zeigte ihm alle die Behutſam- keit, die ein Neuling auf einer hohen Schule zu beobachten hat, wo Verfuͤhrung, Reizung und Betruͤgereyen ſo gewoͤhnlich ſind. Wegen Kron- helms ſagte er ihm auch verſchiedenes, wie er glaub- te, daß ſein krankes Herz am beſten geheilt wer- den koͤnnte. Er rieth ihm, ihn ſo viel als moͤg- lich zu zerſtreuen; Thereſens Briefe vor ihm ge- heim zu halten, und wenig, oder nichts mit ihm von ihr zu ſprechen! Er wird mir doch zuweilen Nachricht von ſich geben, und mich nicht ganz vergeſſen? ſagte er. Ach Gott! Wie koͤnnt ich Sie vergeſſen? antwortete Siegwart, und wein- te. Wenn ich Jhnen nur ſchreiben darf, ich werds gewiß oft thun. Jhnen hab ich ja alles zu verdanken. — Nichts zu verdanken, lieber Xaver! Was ich that, geſchah aus willigem und gutem Herzen; weil ich wuſte, daß es bey ihm wohl angewendet iſt. Siegwart wollte ihm hier
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[535/0115]
bewegt, und er muſte eilen, um die armen El-
tern nicht zu weich zu machen. Der junge Gruͤn-
bach verſprach ihm, in einem Jahr nach Jngol-
ſtadt nachzukommen.
Den lezten Abend brachte er bey ſeinem lieben
P. Philipp zu. Dieſer theilte ihm noch viel gu-
te Lehren mit, und zeigte ihm alle die Behutſam-
keit, die ein Neuling auf einer hohen Schule zu
beobachten hat, wo Verfuͤhrung, Reizung und
Betruͤgereyen ſo gewoͤhnlich ſind. Wegen Kron-
helms ſagte er ihm auch verſchiedenes, wie er glaub-
te, daß ſein krankes Herz am beſten geheilt wer-
den koͤnnte. Er rieth ihm, ihn ſo viel als moͤg-
lich zu zerſtreuen; Thereſens Briefe vor ihm ge-
heim zu halten, und wenig, oder nichts mit ihm
von ihr zu ſprechen! Er wird mir doch zuweilen
Nachricht von ſich geben, und mich nicht ganz
vergeſſen? ſagte er. Ach Gott! Wie koͤnnt ich
Sie vergeſſen? antwortete Siegwart, und wein-
te. Wenn ich Jhnen nur ſchreiben darf, ich
werds gewiß oft thun. Jhnen hab ich ja alles
zu verdanken. — Nichts zu verdanken, lieber
Xaver! Was ich that, geſchah aus willigem und
gutem Herzen; weil ich wuſte, daß es bey ihm
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/115>, abgerufen am 26.11.2024.
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