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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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den sich Siegwart so sehnlich herbeygewünscht hat-
te, kam endlich wieder. Er eilte, noch vor sieben
Uhr, auf den Flügeln der Liebe, nach der Kirche.
Sein Mädchen war schon da, schön und heiter,
wie ein Engel Gottes. Siegwart saß gegenüber,
und zerfloß fast vor Wonne in dem Anblick ihrer
Schönheit. So genau hatte er sie noch nie betrach-
tet. Er sah erst jetzt den ganzen Glanz ihrer un-
aussprechlichen Anmuth; ihr grosses, kastanienbrau-
nes, mit Feuer und edelm Stolz belebtes Auge,
über dem sich die schwarzen Augenbraunen maje-
stätisch wölbten; die hohe, offne, heitre Stirne;
die so regelmässig gebildete Nase; den sanftesten,
anmuthsvollsten Mund; die frischrothen glänzenden
Lippen; das runde, weisse, weiche Kinn, von dem
sich zwo zarte blaue Adern nach dem weissesten und
schönsten Hals hinabschlängelten; das lieblichste
Farbengemisch von Weiß und Roth auf den zarten
Wangen; und die nicht zu beschreibende Ueberein-
stimmung aller dieser Züge; und die himmli-
sche Anmuth, die über das Ganze ausgegossen war,
und die die Schönheit erst zur Schönheit macht;
und das, nicht künstlich, aber schön aufgethürmte
blonde Haar; und das Ebenmaaß der Glieder,
und den schlanken hohen Wuchs, und alles, alles,



den ſich Siegwart ſo ſehnlich herbeygewuͤnſcht hat-
te, kam endlich wieder. Er eilte, noch vor ſieben
Uhr, auf den Fluͤgeln der Liebe, nach der Kirche.
Sein Maͤdchen war ſchon da, ſchoͤn und heiter,
wie ein Engel Gottes. Siegwart ſaß gegenuͤber,
und zerfloß faſt vor Wonne in dem Anblick ihrer
Schoͤnheit. So genau hatte er ſie noch nie betrach-
tet. Er ſah erſt jetzt den ganzen Glanz ihrer un-
ausſprechlichen Anmuth; ihr groſſes, kaſtanienbrau-
nes, mit Feuer und edelm Stolz belebtes Auge,
uͤber dem ſich die ſchwarzen Augenbraunen maje-
ſtaͤtiſch woͤlbten; die hohe, offne, heitre Stirne;
die ſo regelmaͤſſig gebildete Naſe; den ſanfteſten,
anmuthsvollſten Mund; die friſchrothen glaͤnzenden
Lippen; das runde, weiſſe, weiche Kinn, von dem
ſich zwo zarte blaue Adern nach dem weiſſeſten und
ſchoͤnſten Hals hinabſchlaͤngelten; das lieblichſte
Farbengemiſch von Weiß und Roth auf den zarten
Wangen; und die nicht zu beſchreibende Ueberein-
ſtimmung aller dieſer Zuͤge; und die himmli-
ſche Anmuth, die uͤber das Ganze ausgegoſſen war,
und die die Schoͤnheit erſt zur Schoͤnheit macht;
und das, nicht kuͤnſtlich, aber ſchoͤn aufgethuͤrmte
blonde Haar; und das Ebenmaaß der Glieder,
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[593/0173] den ſich Siegwart ſo ſehnlich herbeygewuͤnſcht hat- te, kam endlich wieder. Er eilte, noch vor ſieben Uhr, auf den Fluͤgeln der Liebe, nach der Kirche. Sein Maͤdchen war ſchon da, ſchoͤn und heiter, wie ein Engel Gottes. Siegwart ſaß gegenuͤber, und zerfloß faſt vor Wonne in dem Anblick ihrer Schoͤnheit. So genau hatte er ſie noch nie betrach- tet. Er ſah erſt jetzt den ganzen Glanz ihrer un- ausſprechlichen Anmuth; ihr groſſes, kaſtanienbrau- nes, mit Feuer und edelm Stolz belebtes Auge, uͤber dem ſich die ſchwarzen Augenbraunen maje- ſtaͤtiſch woͤlbten; die hohe, offne, heitre Stirne; die ſo regelmaͤſſig gebildete Naſe; den ſanfteſten, anmuthsvollſten Mund; die friſchrothen glaͤnzenden Lippen; das runde, weiſſe, weiche Kinn, von dem ſich zwo zarte blaue Adern nach dem weiſſeſten und ſchoͤnſten Hals hinabſchlaͤngelten; das lieblichſte Farbengemiſch von Weiß und Roth auf den zarten Wangen; und die nicht zu beſchreibende Ueberein- ſtimmung aller dieſer Zuͤge; und die himmli- ſche Anmuth, die uͤber das Ganze ausgegoſſen war, und die die Schoͤnheit erſt zur Schoͤnheit macht; und das, nicht kuͤnſtlich, aber ſchoͤn aufgethuͤrmte blonde Haar; und das Ebenmaaß der Glieder, und den ſchlanken hohen Wuchs, und alles, alles,

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/173>, abgerufen am 11.12.2024.