noch überwunden hätte, viel zu schüchtern in der Liebe, und hätte tausendmal gefürchtet, die Absicht, warum er ins Koncert zu kommen wünschte, möch- te verrathen werden. Auch Gutfrieds Liebe zu Marianen machte ihn äusserst unruhig, obwohl Gutfried bey ihr nicht glücklich zu seyn schien. Aber eben dieses erregte bey ihm auch die Besorgnis, es könnte ihm eben so gehen. -- Auf der andern Seite freute ihn das viele Gute, was er von Ma- rianens Denkungsart gehört hatte, ausserordentlich, und fesselte seine ganze Seele nur noch mehr an sie. Von allen diesen verschiednen Empfindungen ward sein Herz immer mehr zerrissen, und die schmerz- hafte Wunde immer tiefer, so daß er in eine dun- kele und verdrießliche Melancholie verfiel, die ihm oft die ganze Welt, und sich selbst zuwider machte. -- Jn andern Stunden machte er wieder Entwür- fe auf Entwürfe, und baute ein Luftschloß nach dem andern auf.
Gegen das Ende der Woche erhielt er einen Brief von P. Philipp. Der rechtschaffene Mann fragte ihn darinn unter andern nach seinen theolo- gischen Studien, ob er noch Geschmack daran finde, und sich gewissenhaft aufs Kloster vorbereitete? Diese Frage gab unserm Siegwart einen Stich
noch uͤberwunden haͤtte, viel zu ſchuͤchtern in der Liebe, und haͤtte tauſendmal gefuͤrchtet, die Abſicht, warum er ins Koncert zu kommen wuͤnſchte, moͤch- te verrathen werden. Auch Gutfrieds Liebe zu Marianen machte ihn aͤuſſerſt unruhig, obwohl Gutfried bey ihr nicht gluͤcklich zu ſeyn ſchien. Aber eben dieſes erregte bey ihm auch die Beſorgnis, es koͤnnte ihm eben ſo gehen. — Auf der andern Seite freute ihn das viele Gute, was er von Ma- rianens Denkungsart gehoͤrt hatte, auſſerordentlich, und feſſelte ſeine ganze Seele nur noch mehr an ſie. Von allen dieſen verſchiednen Empfindungen ward ſein Herz immer mehr zerriſſen, und die ſchmerz- hafte Wunde immer tiefer, ſo daß er in eine dun- kele und verdrießliche Melancholie verfiel, die ihm oft die ganze Welt, und ſich ſelbſt zuwider machte. — Jn andern Stunden machte er wieder Entwuͤr- fe auf Entwuͤrfe, und baute ein Luftſchloß nach dem andern auf.
Gegen das Ende der Woche erhielt er einen Brief von P. Philipp. Der rechtſchaffene Mann fragte ihn darinn unter andern nach ſeinen theolo- giſchen Studien, ob er noch Geſchmack daran finde, und ſich gewiſſenhaft aufs Kloſter vorbereitete? Dieſe Frage gab unſerm Siegwart einen Stich
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noch uͤberwunden haͤtte, viel zu ſchuͤchtern in der
Liebe, und haͤtte tauſendmal gefuͤrchtet, die Abſicht,
warum er ins Koncert zu kommen wuͤnſchte, moͤch-
te verrathen werden. Auch Gutfrieds Liebe zu
Marianen machte ihn aͤuſſerſt unruhig, obwohl
Gutfried bey ihr nicht gluͤcklich zu ſeyn ſchien. Aber
eben dieſes erregte bey ihm auch die Beſorgnis, es
koͤnnte ihm eben ſo gehen. — Auf der andern
Seite freute ihn das viele Gute, was er von Ma-
rianens Denkungsart gehoͤrt hatte, auſſerordentlich,
und feſſelte ſeine ganze Seele nur noch mehr an ſie.
Von allen dieſen verſchiednen Empfindungen ward
ſein Herz immer mehr zerriſſen, und die ſchmerz-
hafte Wunde immer tiefer, ſo daß er in eine dun-
kele und verdrießliche Melancholie verfiel, die ihm
oft die ganze Welt, und ſich ſelbſt zuwider machte.
— Jn andern Stunden machte er wieder Entwuͤr-
fe auf Entwuͤrfe, und baute ein Luftſchloß nach dem
andern auf.
Gegen das Ende der Woche erhielt er einen
Brief von P. Philipp. Der rechtſchaffene Mann
fragte ihn darinn unter andern nach ſeinen theolo-
giſchen Studien, ob er noch Geſchmack daran finde,
und ſich gewiſſenhaft aufs Kloſter vorbereitete?
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/184>, abgerufen am 04.12.2024.
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