Siegwart. Jch habe nie nichts gegen sie ge- habt; warum sollte sie mir nicht gefallen, wie ein andres braves Mädchen auch?
Kronhelm. Also mehr gefällt sie dir doch nicht? Was du nicht geheimnißvoll seyn kannst!
Siegwart. Geheimnißvoll, Kronhelm? Jch weis gar nicht, was das heissen soll?
Kronhelm. Gut, so weis ichs auch nicht! Jch dachte nur, daß ich dir niemals Ursache gegeben ha- be, gegen mich so zurückhaltend zu seyn, da ichs doch nicht gegen dich bin. Und in dieser Sache könnt ich dir vielleicht mehr nützen, als schaden. Aber, glaub ja nicht, daß ich neugierig bin, oder jemand seine Heimlichkeiten abdringen will. Sieh, dieß Blatt Papier hast du gestern, als du deine Brieftasche durchsuchtest, bey mir auf dem Tische liegen lassen. Die Verse sind wohl an Marianen? Sie hat doch wohl Klavier gespielt, als du bey Gutfried wachtest?
Siegwart zitterte, ward roth und blaß, und fiel endlich seinem Kronhelm um den Hals. Du hast Recht, sagte er, ich war ein mistrauischer Narr, der so einen Freund, wie du bist, nicht verdient! Aber, Kronhelm, wenn du in mein Herz sehen könntest; wenn du wüstest, was ich ausgestanden
Siegwart. Jch habe nie nichts gegen ſie ge- habt; warum ſollte ſie mir nicht gefallen, wie ein andres braves Maͤdchen auch?
Kronhelm. Alſo mehr gefaͤllt ſie dir doch nicht? Was du nicht geheimnißvoll ſeyn kannſt!
Siegwart. Geheimnißvoll, Kronhelm? Jch weis gar nicht, was das heiſſen ſoll?
Kronhelm. Gut, ſo weis ichs auch nicht! Jch dachte nur, daß ich dir niemals Urſache gegeben ha- be, gegen mich ſo zuruͤckhaltend zu ſeyn, da ichs doch nicht gegen dich bin. Und in dieſer Sache koͤnnt ich dir vielleicht mehr nuͤtzen, als ſchaden. Aber, glaub ja nicht, daß ich neugierig bin, oder jemand ſeine Heimlichkeiten abdringen will. Sieh, dieß Blatt Papier haſt du geſtern, als du deine Brieftaſche durchſuchteſt, bey mir auf dem Tiſche liegen laſſen. Die Verſe ſind wohl an Marianen? Sie hat doch wohl Klavier geſpielt, als du bey Gutfried wachteſt?
Siegwart zitterte, ward roth und blaß, und fiel endlich ſeinem Kronhelm um den Hals. Du haſt Recht, ſagte er, ich war ein mistrauiſcher Narr, der ſo einen Freund, wie du biſt, nicht verdient! Aber, Kronhelm, wenn du in mein Herz ſehen koͤnnteſt; wenn du wuͤſteſt, was ich ausgeſtanden
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Siegwart. Jch habe nie nichts gegen ſie ge-
habt; warum ſollte ſie mir nicht gefallen, wie ein
andres braves Maͤdchen auch?
Kronhelm. Alſo mehr gefaͤllt ſie dir doch nicht?
Was du nicht geheimnißvoll ſeyn kannſt!
Siegwart. Geheimnißvoll, Kronhelm? Jch
weis gar nicht, was das heiſſen ſoll?
Kronhelm. Gut, ſo weis ichs auch nicht! Jch
dachte nur, daß ich dir niemals Urſache gegeben ha-
be, gegen mich ſo zuruͤckhaltend zu ſeyn, da ichs
doch nicht gegen dich bin. Und in dieſer Sache
koͤnnt ich dir vielleicht mehr nuͤtzen, als ſchaden.
Aber, glaub ja nicht, daß ich neugierig bin, oder
jemand ſeine Heimlichkeiten abdringen will. Sieh,
dieß Blatt Papier haſt du geſtern, als du deine
Brieftaſche durchſuchteſt, bey mir auf dem Tiſche
liegen laſſen. Die Verſe ſind wohl an Marianen?
Sie hat doch wohl Klavier geſpielt, als du bey
Gutfried wachteſt?
Siegwart zitterte, ward roth und blaß, und fiel
endlich ſeinem Kronhelm um den Hals. Du haſt
Recht, ſagte er, ich war ein mistrauiſcher Narr,
der ſo einen Freund, wie du biſt, nicht verdient!
Aber, Kronhelm, wenn du in mein Herz ſehen
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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