lich offenherziger. Er entdeckte ihm so gar seine ehemaligen Grillen, und auch Sophiens unglückli- che Liebe zu ihm. Sie machten mit einander aus, so bald wieder ein Schnee fiele, eine Schlittensahrt und einen Ball anzustellen, wobey Siegwart seine Mariane bedienen sollte. Dieser machte zwar an- fangs tausenderley Einwendungen, die ihm seine Schüchternheit eingab, aber Kronhelm zerstreute seine Zweifel und ängstliche Bedenklichkeiten.
Den nächsten Sonntag gieng Kronhelm mit Siegwart in die Kirche, und wollte in Marianens Blicken und Betragen viele Theilnehmung an Siegwarts Person bemerkt haben. Siegwart machte ihm tausend Einwürfe, um sie nur widerlegt zu sehen. Jm folgenden Konzert sang er mit Ma- rianen das Duett zum Erstaunen aller Zuhörer. Jhre Stimmen waren wie das Lispeln der Liebe; stiegen mit einander in den Himmel, und wieder mit einander in das Grab herab, und klagten. Je- des Herz fühlte Zärtlichkeit und Liebe, doch das ih- rige am meisten. Man hätte wenig scharfsinnig seyn dürfen, um zu hören und zu fühlen, daß weit mehr aus ihnen sang, als Kunst. Bey einem Tril- ler sah sie unsern Siegwart so schmachtend und be- weglich an, daß ihm Thränen in die Augen kamen,
lich offenherziger. Er entdeckte ihm ſo gar ſeine ehemaligen Grillen, und auch Sophiens ungluͤckli- che Liebe zu ihm. Sie machten mit einander aus, ſo bald wieder ein Schnee fiele, eine Schlittenſahrt und einen Ball anzuſtellen, wobey Siegwart ſeine Mariane bedienen ſollte. Dieſer machte zwar an- fangs tauſenderley Einwendungen, die ihm ſeine Schuͤchternheit eingab, aber Kronhelm zerſtreute ſeine Zweifel und aͤngſtliche Bedenklichkeiten.
Den naͤchſten Sonntag gieng Kronhelm mit Siegwart in die Kirche, und wollte in Marianens Blicken und Betragen viele Theilnehmung an Siegwarts Perſon bemerkt haben. Siegwart machte ihm tauſend Einwuͤrfe, um ſie nur widerlegt zu ſehen. Jm folgenden Konzert ſang er mit Ma- rianen das Duett zum Erſtaunen aller Zuhoͤrer. Jhre Stimmen waren wie das Liſpeln der Liebe; ſtiegen mit einander in den Himmel, und wieder mit einander in das Grab herab, und klagten. Je- des Herz fuͤhlte Zaͤrtlichkeit und Liebe, doch das ih- rige am meiſten. Man haͤtte wenig ſcharfſinnig ſeyn duͤrfen, um zu hoͤren und zu fuͤhlen, daß weit mehr aus ihnen ſang, als Kunſt. Bey einem Tril- ler ſah ſie unſern Siegwart ſo ſchmachtend und be- weglich an, daß ihm Thraͤnen in die Augen kamen,
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lich offenherziger. Er entdeckte ihm ſo gar ſeine
ehemaligen Grillen, und auch Sophiens ungluͤckli-
che Liebe zu ihm. Sie machten mit einander aus,
ſo bald wieder ein Schnee fiele, eine Schlittenſahrt
und einen Ball anzuſtellen, wobey Siegwart ſeine
Mariane bedienen ſollte. Dieſer machte zwar an-
fangs tauſenderley Einwendungen, die ihm ſeine
Schuͤchternheit eingab, aber Kronhelm zerſtreute
ſeine Zweifel und aͤngſtliche Bedenklichkeiten.
Den naͤchſten Sonntag gieng Kronhelm mit
Siegwart in die Kirche, und wollte in Marianens
Blicken und Betragen viele Theilnehmung an
Siegwarts Perſon bemerkt haben. Siegwart
machte ihm tauſend Einwuͤrfe, um ſie nur widerlegt
zu ſehen. Jm folgenden Konzert ſang er mit Ma-
rianen das Duett zum Erſtaunen aller Zuhoͤrer.
Jhre Stimmen waren wie das Liſpeln der Liebe;
ſtiegen mit einander in den Himmel, und wieder
mit einander in das Grab herab, und klagten. Je-
des Herz fuͤhlte Zaͤrtlichkeit und Liebe, doch das ih-
rige am meiſten. Man haͤtte wenig ſcharfſinnig
ſeyn duͤrfen, um zu hoͤren und zu fuͤhlen, daß weit
mehr aus ihnen ſang, als Kunſt. Bey einem Tril-
ler ſah ſie unſern Siegwart ſo ſchmachtend und be-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/236>, abgerufen am 24.11.2024.
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