Auf dem Wege brach sein Herz ganz. Nun al- lein zurück zu reiten, sich mit jedem Schritte mehr von dem Freund seiner Seele zu entfernen, der Gedanke begleitete ihn unaufhörlich. Gott segne ihn! war alles, was er denken konnte. Gott! ich hab ihn durch Mistrauen so beleidigt! O vergib mir, wenn es möglich ist! Weiter fühlte seine Seele nichts. -- An Marianens Busen seinen Schmerz auszuweinen, war der Wunsch, der ihn beflügelte, daß er in drittehalb Stunden zu Jngol- stadt ankam. Der Hofrath Fischer sah aus dem Fenster, als er abstieg, und fragte, ob er den Herrn von Kronhelm glücklich verlassen habe? Jch komm hinüber, sagte Siegwart, wenn Sie es er- lauben wollen. Nach einer halben Stunde gieng er hinüber, und brachte dem Hofrath tausend Em- pfehlungen von Kronhelm. Der Hofrath lobte ihn sehr. Mariane war nicht gegenwärtig. Sieg- wart war darüber innerlich sehr unruhig, aber sei- ne Verwirrung schien von der Trennung von Kron- helm herzurühren. Nach anderthalb Stunden wollte er wieder gehen. Der Hofrath sagte aber, ob er nicht noch auf seine Tochter warten wolle? Sie müsse alle Augenblicke von einem Besuch bey einer Freundin zurückkommen. Dieß war eine Herz- stärkung für unsern kranken Jüngling.
Auf dem Wege brach ſein Herz ganz. Nun al- lein zuruͤck zu reiten, ſich mit jedem Schritte mehr von dem Freund ſeiner Seele zu entfernen, der Gedanke begleitete ihn unaufhoͤrlich. Gott ſegne ihn! war alles, was er denken konnte. Gott! ich hab ihn durch Mistrauen ſo beleidigt! O vergib mir, wenn es moͤglich iſt! Weiter fuͤhlte ſeine Seele nichts. — An Marianens Buſen ſeinen Schmerz auszuweinen, war der Wunſch, der ihn befluͤgelte, daß er in drittehalb Stunden zu Jngol- ſtadt ankam. Der Hofrath Fiſcher ſah aus dem Fenſter, als er abſtieg, und fragte, ob er den Herrn von Kronhelm gluͤcklich verlaſſen habe? Jch komm hinuͤber, ſagte Siegwart, wenn Sie es er- lauben wollen. Nach einer halben Stunde gieng er hinuͤber, und brachte dem Hofrath tauſend Em- pfehlungen von Kronhelm. Der Hofrath lobte ihn ſehr. Mariane war nicht gegenwaͤrtig. Sieg- wart war daruͤber innerlich ſehr unruhig, aber ſei- ne Verwirrung ſchien von der Trennung von Kron- helm herzuruͤhren. Nach anderthalb Stunden wollte er wieder gehen. Der Hofrath ſagte aber, ob er nicht noch auf ſeine Tochter warten wolle? Sie muͤſſe alle Augenblicke von einem Beſuch bey einer Freundin zuruͤckkommen. Dieß war eine Herz- ſtaͤrkung fuͤr unſern kranken Juͤngling.
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Auf dem Wege brach ſein Herz ganz. Nun al-
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von dem Freund ſeiner Seele zu entfernen, der
Gedanke begleitete ihn unaufhoͤrlich. Gott ſegne
ihn! war alles, was er denken konnte. Gott! ich
hab ihn durch Mistrauen ſo beleidigt! O vergib
mir, wenn es moͤglich iſt! Weiter fuͤhlte ſeine
Seele nichts. — An Marianens Buſen ſeinen
Schmerz auszuweinen, war der Wunſch, der ihn
befluͤgelte, daß er in drittehalb Stunden zu Jngol-
ſtadt ankam. Der Hofrath Fiſcher ſah aus dem
Fenſter, als er abſtieg, und fragte, ob er den
Herrn von Kronhelm gluͤcklich verlaſſen habe? Jch
komm hinuͤber, ſagte Siegwart, wenn Sie es er-
lauben wollen. Nach einer halben Stunde gieng
er hinuͤber, und brachte dem Hofrath tauſend Em-
pfehlungen von Kronhelm. Der Hofrath lobte
ihn ſehr. Mariane war nicht gegenwaͤrtig. Sieg-
wart war daruͤber innerlich ſehr unruhig, aber ſei-
ne Verwirrung ſchien von der Trennung von Kron-
helm herzuruͤhren. Nach anderthalb Stunden wollte
er wieder gehen. Der Hofrath ſagte aber, ob
er nicht noch auf ſeine Tochter warten wolle? Sie
muͤſſe alle Augenblicke von einem Beſuch bey einer
Freundin zuruͤckkommen. Dieß war eine Herz-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 753. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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