Hinauf! Hinauf! Da wand ich durch Dornen mich; Des Bluts nicht achtend; lachte die Schlangen an, Die wüthig zischten; sah den Glanz nur, Und den eröfneten Arm der Hofnung! --
O Göttin, Göttin! Sage, was wandelt dort? Es kommt; es kommt! Es lächelt, o Göttin, mir! Jsts Mariane? Mariane? Birg mich, o Göttin! Es kommt; es lacht mir! --
Jn meinem Arm? Jch sinke vor Seligkeit! Am Herzen mir? O Heilige, steh mir bey! -- Mein bist Du? -- Gott, und Engel Gottes, Helft mir die lastende Freude tragen! -- --
Wo bin ich, Engel? -- Wieder ins Thal gestürzt? Umhüllt von neuer, dämmernder Traurigkeit? Der Hügel wieder trüb in Wolken? -- Engel, und Menschen! Wo bin ich, bin ich?
Ein Thränenstrom stürzte auf das Blatt hin, als er dieses ausgeschrieben hatte. Seine ganze Seele schien sich ausgiessen zu wollen. Der Klang von Marianens Klavier riß ihn aus dieser fürch- terlichen Lage. Er legte sich ins Fenster, und lauschte. Sie spielte wehmüthig. Er weinte; aber
Hinauf! Hinauf! Da wand ich durch Dornen mich; Des Bluts nicht achtend; lachte die Schlangen an, Die wuͤthig ziſchten; ſah den Glanz nur, Und den eroͤfneten Arm der Hofnung! —
O Goͤttin, Goͤttin! Sage, was wandelt dort? Es kommt; es kommt! Es laͤchelt, o Goͤttin, mir! Jſts Mariane? Mariane? Birg mich, o Goͤttin! Es kommt; es lacht mir! —
Jn meinem Arm? Jch ſinke vor Seligkeit! Am Herzen mir? O Heilige, ſteh mir bey! — Mein biſt Du? — Gott, und Engel Gottes, Helft mir die laſtende Freude tragen! — —
Wo bin ich, Engel? — Wieder ins Thal geſtuͤrzt? Umhuͤllt von neuer, daͤmmernder Traurigkeit? Der Huͤgel wieder truͤb in Wolken? — Engel, und Menſchen! Wo bin ich, bin ich?
Ein Thraͤnenſtrom ſtuͤrzte auf das Blatt hin, als er dieſes ausgeſchrieben hatte. Seine ganze Seele ſchien ſich ausgieſſen zu wollen. Der Klang von Marianens Klavier riß ihn aus dieſer fuͤrch- terlichen Lage. Er legte ſich ins Fenſter, und lauſchte. Sie ſpielte wehmuͤthig. Er weinte; aber
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Hinauf! Hinauf! Da wand ich durch Dornen mich;
Des Bluts nicht achtend; lachte die Schlangen an,
Die wuͤthig ziſchten; ſah den Glanz nur,
Und den eroͤfneten Arm der Hofnung! —
O Goͤttin, Goͤttin! Sage, was wandelt dort?
Es kommt; es kommt! Es laͤchelt, o Goͤttin, mir!
Jſts Mariane? Mariane?
Birg mich, o Goͤttin! Es kommt; es lacht
mir! —
Jn meinem Arm? Jch ſinke vor Seligkeit!
Am Herzen mir? O Heilige, ſteh mir bey! —
Mein biſt Du? — Gott, und Engel Gottes,
Helft mir die laſtende Freude tragen! — —
Wo bin ich, Engel? — Wieder ins Thal geſtuͤrzt?
Umhuͤllt von neuer, daͤmmernder Traurigkeit?
Der Huͤgel wieder truͤb in Wolken? —
Engel, und Menſchen! Wo bin ich, bin ich?
Ein Thraͤnenſtrom ſtuͤrzte auf das Blatt hin,
als er dieſes ausgeſchrieben hatte. Seine ganze
Seele ſchien ſich ausgieſſen zu wollen. Der Klang
von Marianens Klavier riß ihn aus dieſer fuͤrch-
terlichen Lage. Er legte ſich ins Fenſter, und
lauſchte. Sie ſpielte wehmuͤthig. Er weinte; aber
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 789. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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