nig zu halten. Er habe seinen Entschluß erst nach vielen Kämpfen gefaßt, weil er befunden habe, daß er im Kloster und ohne Marianens Liebe nie glücklich werden könne. Marianen schilderte er ihm, mit aller Begeisterung eines Liebhabers, und doch wahr ab, und schloß mit der Bitte: Jhn recht bald durch einen Brief aus seiner Ungewißheit zu reissen.
Wegen Marianen war er sehr besorgt. Sie hatte seinen Brief nun schon drey Tage, und noch hatte er keine Nachricht von ihr. Am Fenster sah er sie zwar täglich, und sie sah auch sehr heiter aus, aber die Ungewißheit, in der er, wegen der letztern Begebenheit im Garten, schwebte, quälte ihn doch sehr. Endlich kam am vierten Tag ihr Bruder zu ihm, und sagte, seine Schwester würde den Nachmittag in den Garten ihrer Freun- din gehen; er möchte auch hin kommen. Um vier Uhr kam er. Mariane war sehr freundlich. Sie haben sich unnöthige Besorgnisse gemacht, sagte sie, als sie allein mit ihm in der Laube saß; meine Schwägerin konnte aus dem, daß Sie bey mir waren, nichts schliessen, da mein Bruder mit da- bey war. Um ihre Sticheleyen bekümmre ich mich wenig, da Sie durch den neulichen Vorfall mit
nig zu halten. Er habe ſeinen Entſchluß erſt nach vielen Kaͤmpfen gefaßt, weil er befunden habe, daß er im Kloſter und ohne Marianens Liebe nie gluͤcklich werden koͤnne. Marianen ſchilderte er ihm, mit aller Begeiſterung eines Liebhabers, und doch wahr ab, und ſchloß mit der Bitte: Jhn recht bald durch einen Brief aus ſeiner Ungewißheit zu reiſſen.
Wegen Marianen war er ſehr beſorgt. Sie hatte ſeinen Brief nun ſchon drey Tage, und noch hatte er keine Nachricht von ihr. Am Fenſter ſah er ſie zwar taͤglich, und ſie ſah auch ſehr heiter aus, aber die Ungewißheit, in der er, wegen der letztern Begebenheit im Garten, ſchwebte, quaͤlte ihn doch ſehr. Endlich kam am vierten Tag ihr Bruder zu ihm, und ſagte, ſeine Schweſter wuͤrde den Nachmittag in den Garten ihrer Freun- din gehen; er moͤchte auch hin kommen. Um vier Uhr kam er. Mariane war ſehr freundlich. Sie haben ſich unnoͤthige Beſorgniſſe gemacht, ſagte ſie, als ſie allein mit ihm in der Laube ſaß; meine Schwaͤgerin konnte aus dem, daß Sie bey mir waren, nichts ſchlieſſen, da mein Bruder mit da- bey war. Um ihre Sticheleyen bekuͤmmre ich mich wenig, da Sie durch den neulichen Vorfall mit
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nig zu halten. Er habe ſeinen Entſchluß erſt nach
vielen Kaͤmpfen gefaßt, weil er befunden habe, daß
er im Kloſter und ohne Marianens Liebe nie gluͤcklich
werden koͤnne. Marianen ſchilderte er ihm, mit
aller Begeiſterung eines Liebhabers, und doch
wahr ab, und ſchloß mit der Bitte: Jhn recht
bald durch einen Brief aus ſeiner Ungewißheit zu
reiſſen.
Wegen Marianen war er ſehr beſorgt. Sie
hatte ſeinen Brief nun ſchon drey Tage, und noch
hatte er keine Nachricht von ihr. Am Fenſter ſah
er ſie zwar taͤglich, und ſie ſah auch ſehr heiter
aus, aber die Ungewißheit, in der er, wegen
der letztern Begebenheit im Garten, ſchwebte,
quaͤlte ihn doch ſehr. Endlich kam am vierten Tag
ihr Bruder zu ihm, und ſagte, ſeine Schweſter
wuͤrde den Nachmittag in den Garten ihrer Freun-
din gehen; er moͤchte auch hin kommen. Um vier
Uhr kam er. Mariane war ſehr freundlich. Sie
haben ſich unnoͤthige Beſorgniſſe gemacht, ſagte ſie,
als ſie allein mit ihm in der Laube ſaß; meine
Schwaͤgerin konnte aus dem, daß Sie bey mir
waren, nichts ſchlieſſen, da mein Bruder mit da-
bey war. Um ihre Sticheleyen bekuͤmmre ich mich
wenig, da Sie durch den neulichen Vorfall mit
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 828. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/408>, abgerufen am 22.11.2024.
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