uns, daß wir geduldet haben... Leb wohl! Siehst Du einst mein Grab, so wein drauf! Jch ver- diens! Der Engel der Liebe sey Dein Schutzgeist! oder ich werds... Mein Herz schlägt gewaltiger. Hier fällt eine Thräne hin, küß die Stelle! . . Schreib mir keine Zeile! Du würdest mich betrü- ben... Nun das letzte Wort, das ich an Dich schreibe.
Leb ewig wohl, Geliebtester! und denk an Deine unglückliche
Therese.
Was Kronhelm bey Lesung dieses Briefs em- pfunden hat, läßt sich nicht beschreiben. Jedes zärtliche und liebevolle Herz, das auch einmal ge- litten hat, denke sich noch Einmal in sein Unglück zurück! Fühle noch Einmal die Leiden seiner Liebe, und wein' unserm Edeln, mit mir, eine mitleidige Zähre! . . Er lehnte sich ans Fenster, hüllte sein Gesicht ein, und war sprach- und thränenlos. Siegwart weinte, und hatte den Brief, den seine Schwester ihm geschrieben hatte, in der Hand. Kronhelm drehte sich schnell um, sah ihn mit un- beschreiblicher Wehmuth an; drauf warf er sich aufs Bette, hüllte sein Gesicht ins Kissen ein, und blieb so eine Viertelstunde unbeweglich liegen. Laß
uns, daß wir geduldet haben… Leb wohl! Siehſt Du einſt mein Grab, ſo wein drauf! Jch ver- diens! Der Engel der Liebe ſey Dein Schutzgeiſt! oder ich werds… Mein Herz ſchlaͤgt gewaltiger. Hier faͤllt eine Thraͤne hin, kuͤß die Stelle! . . Schreib mir keine Zeile! Du wuͤrdeſt mich betruͤ- ben… Nun das letzte Wort, das ich an Dich ſchreibe.
Leb ewig wohl, Geliebteſter! und denk an Deine ungluͤckliche
Thereſe.
Was Kronhelm bey Leſung dieſes Briefs em- pfunden hat, laͤßt ſich nicht beſchreiben. Jedes zaͤrtliche und liebevolle Herz, das auch einmal ge- litten hat, denke ſich noch Einmal in ſein Ungluͤck zuruͤck! Fuͤhle noch Einmal die Leiden ſeiner Liebe, und wein’ unſerm Edeln, mit mir, eine mitleidige Zaͤhre! . . Er lehnte ſich ans Fenſter, huͤllte ſein Geſicht ein, und war ſprach- und thraͤnenlos. Siegwart weinte, und hatte den Brief, den ſeine Schweſter ihm geſchrieben hatte, in der Hand. Kronhelm drehte ſich ſchnell um, ſah ihn mit un- beſchreiblicher Wehmuth an; drauf warf er ſich aufs Bette, huͤllte ſein Geſicht ins Kiſſen ein, und blieb ſo eine Viertelſtunde unbeweglich liegen. Laß
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uns, daß wir geduldet haben… Leb wohl! Siehſt
Du einſt mein Grab, ſo wein drauf! Jch ver-
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oder ich werds… Mein Herz ſchlaͤgt gewaltiger.
Hier faͤllt eine Thraͤne hin, kuͤß die Stelle! . .
Schreib mir keine Zeile! Du wuͤrdeſt mich betruͤ-
ben… Nun das letzte Wort, das ich an Dich
ſchreibe.
Leb ewig wohl, Geliebteſter! und denk an
Deine ungluͤckliche
Thereſe.
Was Kronhelm bey Leſung dieſes Briefs em-
pfunden hat, laͤßt ſich nicht beſchreiben. Jedes
zaͤrtliche und liebevolle Herz, das auch einmal ge-
litten hat, denke ſich noch Einmal in ſein Ungluͤck
zuruͤck! Fuͤhle noch Einmal die Leiden ſeiner Liebe,
und wein’ unſerm Edeln, mit mir, eine mitleidige
Zaͤhre! . . Er lehnte ſich ans Fenſter, huͤllte ſein
Geſicht ein, und war ſprach- und thraͤnenlos.
Siegwart weinte, und hatte den Brief, den ſeine
Schweſter ihm geſchrieben hatte, in der Hand.
Kronhelm drehte ſich ſchnell um, ſah ihn mit un-
beſchreiblicher Wehmuth an; drauf warf er ſich
aufs Bette, huͤllte ſein Geſicht ins Kiſſen ein, und
blieb ſo eine Viertelſtunde unbeweglich liegen. Laß
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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