im Schlamm. Die Rosen hiengen halb entblättert am Strauch; die Knospen waren zerknickt, oder die Blätter durchlöchert, und gelb. Den Aurickel- stöcken waren die Herzblätter abgeschlagen; unter den Bäumen lag das Laub, und die unreife Frucht dickgesät. Kurz, die Verwüstung war fast allge- mein. Siegwart und die Mädchen blickten trau- rig drauf hin. Noch vor wenig Tagen, sagte Siegwart, wars hier wie ein Paradies, und nun! -- -- -- Gott! wie unbeständig ist doch alles! -- Sie werden zu traurig, sagte Karoli- ne, und führte sie wieder in den Gartensaal. Ma- riane setzte sich an den Flügel, und spielte. Frau Held kam dazu, und setzte sich zu Siegwart.
Nach einer halben Stunde kam Thomas, und fragte, was die gestrenge Frau zu besehlen habe? Sie erkundigte sich nach einigen ihrer Aecker, die Thomas zu bestellen hatte, ob der Hagel da viel Schaden angerichtet habe? Endlich fragte sie ihn, wie von ungefähr, ob er auch sehr drunter gelitten habe? Und als er es bejahete, und seine jetzige Ver- legenheit erzählte, bot sie ihm an, ihm 20 oder 25 Gulden vorzuschiessen. Der Bauer wußte nicht, wie ihm war, und was er sagen sollte? Frau Held holte das Geld, und gab es ihm. Er
im Schlamm. Die Roſen hiengen halb entblaͤttert am Strauch; die Knoſpen waren zerknickt, oder die Blaͤtter durchloͤchert, und gelb. Den Aurickel- ſtoͤcken waren die Herzblaͤtter abgeſchlagen; unter den Baͤumen lag das Laub, und die unreife Frucht dickgeſaͤt. Kurz, die Verwuͤſtung war faſt allge- mein. Siegwart und die Maͤdchen blickten trau- rig drauf hin. Noch vor wenig Tagen, ſagte Siegwart, wars hier wie ein Paradies, und nun! — — — Gott! wie unbeſtaͤndig iſt doch alles! — Sie werden zu traurig, ſagte Karoli- ne, und fuͤhrte ſie wieder in den Gartenſaal. Ma- riane ſetzte ſich an den Fluͤgel, und ſpielte. Frau Held kam dazu, und ſetzte ſich zu Siegwart.
Nach einer halben Stunde kam Thomas, und fragte, was die geſtrenge Frau zu beſehlen habe? Sie erkundigte ſich nach einigen ihrer Aecker, die Thomas zu beſtellen hatte, ob der Hagel da viel Schaden angerichtet habe? Endlich fragte ſie ihn, wie von ungefaͤhr, ob er auch ſehr drunter gelitten habe? Und als er es bejahete, und ſeine jetzige Ver- legenheit erzaͤhlte, bot ſie ihm an, ihm 20 oder 25 Gulden vorzuſchieſſen. Der Bauer wußte nicht, wie ihm war, und was er ſagen ſollte? Frau Held holte das Geld, und gab es ihm. Er
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im Schlamm. Die Roſen hiengen halb entblaͤttert
am Strauch; die Knoſpen waren zerknickt, oder
die Blaͤtter durchloͤchert, und gelb. Den Aurickel-
ſtoͤcken waren die Herzblaͤtter abgeſchlagen; unter
den Baͤumen lag das Laub, und die unreife Frucht
dickgeſaͤt. Kurz, die Verwuͤſtung war faſt allge-
mein. Siegwart und die Maͤdchen blickten trau-
rig drauf hin. Noch vor wenig Tagen, ſagte
Siegwart, wars hier wie ein Paradies, und
nun! — — — Gott! wie unbeſtaͤndig iſt doch
alles! — Sie werden zu traurig, ſagte Karoli-
ne, und fuͤhrte ſie wieder in den Gartenſaal. Ma-
riane ſetzte ſich an den Fluͤgel, und ſpielte. Frau
Held kam dazu, und ſetzte ſich zu Siegwart.
Nach einer halben Stunde kam Thomas, und
fragte, was die geſtrenge Frau zu beſehlen habe?
Sie erkundigte ſich nach einigen ihrer Aecker, die
Thomas zu beſtellen hatte, ob der Hagel da viel
Schaden angerichtet habe? Endlich fragte ſie ihn,
wie von ungefaͤhr, ob er auch ſehr drunter gelitten
habe? Und als er es bejahete, und ſeine jetzige Ver-
legenheit erzaͤhlte, bot ſie ihm an, ihm 20 oder
25 Gulden vorzuſchieſſen. Der Bauer wußte
nicht, wie ihm war, und was er ſagen ſollte?
Frau Held holte das Geld, und gab es ihm. Er
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 860. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/440>, abgerufen am 22.11.2024.
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