vorüber wäre! Mutter Gottes, und all ihr Hei- ligen im Himmel helft mir bethen! -- Siegwart, Siegwart! Jch bin dein, es gehe, wie es wolle! Möchtest du doch jetzt auch für mich bethen! Aber du hältst mich für glücklich. Komm doch bald! Jch bitte dich. Vielleicht sehen wir uns nicht mehr lang! Erbarm dich, Gott!
Den 10ten August Vormittags um 10 Uhr.
Jesus, Maria! Welch ein fürchterlicher Auftritt! Ach, Geliebtester, ich kann dirs nicht erzählen. Samml' es zusammen, was ich in der Unordnung aufs Papier werfe. Diesen Morgen beym Thee- trinken gieng mein Vater mit der Pfeife im Zim- mer auf und ab. Er fragte, ohne mich anzuse- hen, ist der feine Siegwart viel auf dem Land- haus gewesen? -- Nein, Papa -- Also doch? -- Ja. -- Mordieu! sagte er, und gab mir eine Maulschelle. Jch sank auf meinen Stuhl zurück, und weis nicht, was er weiter sagte. Meine Mutter hielt mir ein Balsambüchschen vor. -- Du bist auch so eine alte Kupplerin, rief er, und schlug ihr das Büchschen aus der Hand. Licht! rief er zur Thüre hinaus, weil ihm seine Pfeife ausge- löscht war. Dann kam er wieder auf mich zu. Du willst dir also schlechterdings nichts sagen lassen?
voruͤber waͤre! Mutter Gottes, und all ihr Hei- ligen im Himmel helft mir bethen! — Siegwart, Siegwart! Jch bin dein, es gehe, wie es wolle! Moͤchteſt du doch jetzt auch fuͤr mich bethen! Aber du haͤltſt mich fuͤr gluͤcklich. Komm doch bald! Jch bitte dich. Vielleicht ſehen wir uns nicht mehr lang! Erbarm dich, Gott!
Den 10ten Auguſt Vormittags um 10 Uhr.
Jeſus, Maria! Welch ein fuͤrchterlicher Auftritt! Ach, Geliebteſter, ich kann dirs nicht erzaͤhlen. Samml’ es zuſammen, was ich in der Unordnung aufs Papier werfe. Dieſen Morgen beym Thee- trinken gieng mein Vater mit der Pfeife im Zim- mer auf und ab. Er fragte, ohne mich anzuſe- hen, iſt der feine Siegwart viel auf dem Land- haus geweſen? — Nein, Papa — Alſo doch? — Ja. — Mordieu! ſagte er, und gab mir eine Maulſchelle. Jch ſank auf meinen Stuhl zuruͤck, und weis nicht, was er weiter ſagte. Meine Mutter hielt mir ein Balſambuͤchschen vor. — Du biſt auch ſo eine alte Kupplerin, rief er, und ſchlug ihr das Buͤchschen aus der Hand. Licht! rief er zur Thuͤre hinaus, weil ihm ſeine Pfeife ausge- loͤſcht war. Dann kam er wieder auf mich zu. Du willſt dir alſo ſchlechterdings nichts ſagen laſſen?
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voruͤber waͤre! Mutter Gottes, und all ihr Hei-
ligen im Himmel helft mir bethen! — Siegwart,
Siegwart! Jch bin dein, es gehe, wie es wolle!
Moͤchteſt du doch jetzt auch fuͤr mich bethen! Aber
du haͤltſt mich fuͤr gluͤcklich. Komm doch bald!
Jch bitte dich. Vielleicht ſehen wir uns nicht mehr
lang! Erbarm dich, Gott!
Den 10ten Auguſt Vormittags um 10 Uhr.
Jeſus, Maria! Welch ein fuͤrchterlicher Auftritt!
Ach, Geliebteſter, ich kann dirs nicht erzaͤhlen.
Samml’ es zuſammen, was ich in der Unordnung
aufs Papier werfe. Dieſen Morgen beym Thee-
trinken gieng mein Vater mit der Pfeife im Zim-
mer auf und ab. Er fragte, ohne mich anzuſe-
hen, iſt der feine Siegwart viel auf dem Land-
haus geweſen? — Nein, Papa — Alſo doch? —
Ja. — Mordieu! ſagte er, und gab mir eine
Maulſchelle. Jch ſank auf meinen Stuhl zuruͤck,
und weis nicht, was er weiter ſagte. Meine
Mutter hielt mir ein Balſambuͤchschen vor. — Du
biſt auch ſo eine alte Kupplerin, rief er, und ſchlug
ihr das Buͤchschen aus der Hand. Licht! rief er
zur Thuͤre hinaus, weil ihm ſeine Pfeife ausge-
loͤſcht war. Dann kam er wieder auf mich zu.
Du willſt dir alſo ſchlechterdings nichts ſagen laſſen?
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 903. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/483>, abgerufen am 24.11.2024.
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