Drauf sah den sie Arzt bittend an, und winkte mit den Händen, vermuthlich, daß man ihren Kron- helm suchen sollte. Der Arzt ließ Siegwart rufen. Er kam zitternd, leise und todtbleich ans Bette, nahm ihre Hand, und wandte das Gesicht weg. Der Schmerz überwältigte ihn, daß er laut schluchzte; Er wollte sich losreissen; Sie klammerte sich aber mit der Hand fest in die seinige, und ließ ihn nicht los. Er sah sie an; mit unaussprechlicher Weh- muth blickte sie ihn an; aus dem halbgeschlossenen Auge drang eine Thräne; der Mund öffnete sich, und man konnt es sehen, daß sie sagen wollte: Kronhelm!
Siegwart riß sich mit Gewalt los, sprang weg, und hohlte seinen Kronhelm. Sie sah ihn an, lächelte ihm zu, und indem flossen wieder Thränen aus dem Auge. Kronhelm stürzte sich halb ohn- mächtig über sie hin, schrie und schluchzte laut, be- deckte ihr Gesicht mit Thränen und Küssen, und ward so, in ihren Armen, ohnmächtig. Man brachte ihn sinnlos weg.
Sie befand sich sehr entkräftet. Der Artzt ver- bot, jemand wieder vor sie zu lassen. Kronhelm schickte alle Augenblicke einen Bothen nach ihr; dieser kam immer nur mit Achselzucken wieder.
Drauf ſah den ſie Arzt bittend an, und winkte mit den Haͤnden, vermuthlich, daß man ihren Kron- helm ſuchen ſollte. Der Arzt ließ Siegwart rufen. Er kam zitternd, leiſe und todtbleich ans Bette, nahm ihre Hand, und wandte das Geſicht weg. Der Schmerz uͤberwaͤltigte ihn, daß er laut ſchluchzte; Er wollte ſich losreiſſen; Sie klammerte ſich aber mit der Hand feſt in die ſeinige, und ließ ihn nicht los. Er ſah ſie an; mit unausſprechlicher Weh- muth blickte ſie ihn an; aus dem halbgeſchloſſenen Auge drang eine Thraͤne; der Mund oͤffnete ſich, und man konnt es ſehen, daß ſie ſagen wollte: Kronhelm!
Siegwart riß ſich mit Gewalt los, ſprang weg, und hohlte ſeinen Kronhelm. Sie ſah ihn an, laͤchelte ihm zu, und indem floſſen wieder Thraͤnen aus dem Auge. Kronhelm ſtuͤrzte ſich halb ohn- maͤchtig uͤber ſie hin, ſchrie und ſchluchzte laut, be- deckte ihr Geſicht mit Thraͤnen und Kuͤſſen, und ward ſo, in ihren Armen, ohnmaͤchtig. Man brachte ihn ſinnlos weg.
Sie befand ſich ſehr entkraͤftet. Der Artzt ver- bot, jemand wieder vor ſie zu laſſen. Kronhelm ſchickte alle Augenblicke einen Bothen nach ihr; dieſer kam immer nur mit Achſelzucken wieder.
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Drauf ſah den ſie Arzt bittend an, und winkte mit
den Haͤnden, vermuthlich, daß man ihren Kron-
helm ſuchen ſollte. Der Arzt ließ Siegwart rufen.
Er kam zitternd, leiſe und todtbleich ans Bette,
nahm ihre Hand, und wandte das Geſicht weg.
Der Schmerz uͤberwaͤltigte ihn, daß er laut ſchluchzte;
Er wollte ſich losreiſſen; Sie klammerte ſich aber
mit der Hand feſt in die ſeinige, und ließ ihn nicht
los. Er ſah ſie an; mit unausſprechlicher Weh-
muth blickte ſie ihn an; aus dem halbgeſchloſſenen
Auge drang eine Thraͤne; der Mund oͤffnete ſich,
und man konnt es ſehen, daß ſie ſagen wollte:
Kronhelm!
Siegwart riß ſich mit Gewalt los, ſprang weg,
und hohlte ſeinen Kronhelm. Sie ſah ihn an,
laͤchelte ihm zu, und indem floſſen wieder Thraͤnen
aus dem Auge. Kronhelm ſtuͤrzte ſich halb ohn-
maͤchtig uͤber ſie hin, ſchrie und ſchluchzte laut, be-
deckte ihr Geſicht mit Thraͤnen und Kuͤſſen, und
ward ſo, in ihren Armen, ohnmaͤchtig. Man
brachte ihn ſinnlos weg.
Sie befand ſich ſehr entkraͤftet. Der Artzt ver-
bot, jemand wieder vor ſie zu laſſen. Kronhelm
ſchickte alle Augenblicke einen Bothen nach ihr;
dieſer kam immer nur mit Achſelzucken wieder.
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 980. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/560>, abgerufen am 22.11.2024.
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