Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.er. Bleib nur standhaft, und verzag nicht! -- Dank dir, Lieber! für das Andenken! Aber ster- ben must du nicht! Schon dich, Lieber! Glaub, es kann dir nicht unglücklich gehen. -- Jch will dulden, sagte Kronhelm, schreibs auch Theresen, daß sie dulde! Hör! Jch kann dirs nicht ver- schweigen, was ich vorhab! Jch fahre durch dein Dorf. Es ist nur zwo Stunden Umweg. Viel- leicht seh ich meinen Engel, und werd auf Jahre lang gestärkt! Um Gottes und Maria willen, nicht! sagte Siegwart. Willst du sie und dich ganz unglücklich machen? Jhr würdet wieder dop- pelt leiden, wenn ihr aufs neu einander sähet. Und wenns meine Schwägerin erfährt, und schreibts deinem Vater? Auch meinem Vater würd es sehr mißfallen. Thu's um Gottes wil- len nicht! -- Nein, ich wills nicht thun, sag- te Kronhelm weinend. Es war nur so ein Ein- fall, der mir erst gestern Abend kam. Du hast Recht; ich kanns nicht thun. Grüß den Engel! Segn' ihn tausendmal in meinem Namen! Schreib ihm: Sey getreu bis an das Ende! Hier brach ihm wieder das Herz, daß er nicht weiter spre- chen konnte. -- Siegwart überredete hierauf seinen Freund, sich drey oder vier Stunden nie- er. Bleib nur ſtandhaft, und verzag nicht! — Dank dir, Lieber! fuͤr das Andenken! Aber ſter- ben muſt du nicht! Schon dich, Lieber! Glaub, es kann dir nicht ungluͤcklich gehen. — Jch will dulden, ſagte Kronhelm, ſchreibs auch Thereſen, daß ſie dulde! Hoͤr! Jch kann dirs nicht ver- ſchweigen, was ich vorhab! Jch fahre durch dein Dorf. Es iſt nur zwo Stunden Umweg. Viel- leicht ſeh ich meinen Engel, und werd auf Jahre lang geſtaͤrkt! Um Gottes und Maria willen, nicht! ſagte Siegwart. Willſt du ſie und dich ganz ungluͤcklich machen? Jhr wuͤrdet wieder dop- pelt leiden, wenn ihr aufs neu einander ſaͤhet. Und wenns meine Schwaͤgerin erfaͤhrt, und ſchreibts deinem Vater? Auch meinem Vater wuͤrd es ſehr mißfallen. Thu’s um Gottes wil- len nicht! — Nein, ich wills nicht thun, ſag- te Kronhelm weinend. Es war nur ſo ein Ein- fall, der mir erſt geſtern Abend kam. Du haſt Recht; ich kanns nicht thun. Gruͤß den Engel! Segn’ ihn tauſendmal in meinem Namen! Schreib ihm: Sey getreu bis an das Ende! Hier brach ihm wieder das Herz, daß er nicht weiter ſpre- chen konnte. — Siegwart uͤberredete hierauf ſeinen Freund, ſich drey oder vier Stunden nie- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0057" n="477"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> er. Bleib nur ſtandhaft, und verzag nicht! —<lb/> Dank dir, Lieber! fuͤr das Andenken! Aber ſter-<lb/> ben muſt du nicht! Schon dich, Lieber! Glaub,<lb/> es kann dir nicht ungluͤcklich gehen. — Jch will<lb/> dulden, ſagte Kronhelm, ſchreibs auch Thereſen,<lb/> daß ſie dulde! Hoͤr! Jch kann dirs nicht ver-<lb/> ſchweigen, was ich vorhab! Jch fahre durch dein<lb/> Dorf. Es iſt nur zwo Stunden Umweg. Viel-<lb/> leicht ſeh ich meinen Engel, und werd auf Jahre<lb/> lang geſtaͤrkt! Um Gottes und Maria willen,<lb/> nicht! ſagte Siegwart. Willſt du ſie und dich<lb/> ganz ungluͤcklich machen? Jhr wuͤrdet wieder dop-<lb/> pelt leiden, wenn ihr aufs neu einander ſaͤhet.<lb/> Und wenns meine Schwaͤgerin erfaͤhrt, und<lb/> ſchreibts deinem Vater? Auch meinem Vater<lb/> wuͤrd es ſehr mißfallen. Thu’s um Gottes wil-<lb/> len nicht! — Nein, ich wills nicht thun, ſag-<lb/> te Kronhelm weinend. Es war nur ſo ein Ein-<lb/> fall, der mir erſt geſtern Abend kam. Du haſt<lb/> Recht; ich kanns nicht thun. Gruͤß den Engel!<lb/> Segn’ ihn tauſendmal in meinem Namen! Schreib<lb/> ihm: Sey getreu bis an das Ende! Hier brach<lb/> ihm wieder das Herz, daß er nicht weiter ſpre-<lb/> chen konnte. — Siegwart uͤberredete hierauf<lb/> ſeinen Freund, ſich drey oder vier Stunden nie-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [477/0057]
er. Bleib nur ſtandhaft, und verzag nicht! —
Dank dir, Lieber! fuͤr das Andenken! Aber ſter-
ben muſt du nicht! Schon dich, Lieber! Glaub,
es kann dir nicht ungluͤcklich gehen. — Jch will
dulden, ſagte Kronhelm, ſchreibs auch Thereſen,
daß ſie dulde! Hoͤr! Jch kann dirs nicht ver-
ſchweigen, was ich vorhab! Jch fahre durch dein
Dorf. Es iſt nur zwo Stunden Umweg. Viel-
leicht ſeh ich meinen Engel, und werd auf Jahre
lang geſtaͤrkt! Um Gottes und Maria willen,
nicht! ſagte Siegwart. Willſt du ſie und dich
ganz ungluͤcklich machen? Jhr wuͤrdet wieder dop-
pelt leiden, wenn ihr aufs neu einander ſaͤhet.
Und wenns meine Schwaͤgerin erfaͤhrt, und
ſchreibts deinem Vater? Auch meinem Vater
wuͤrd es ſehr mißfallen. Thu’s um Gottes wil-
len nicht! — Nein, ich wills nicht thun, ſag-
te Kronhelm weinend. Es war nur ſo ein Ein-
fall, der mir erſt geſtern Abend kam. Du haſt
Recht; ich kanns nicht thun. Gruͤß den Engel!
Segn’ ihn tauſendmal in meinem Namen! Schreib
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ihm wieder das Herz, daß er nicht weiter ſpre-
chen konnte. — Siegwart uͤberredete hierauf
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Zitationshilfe: | Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/57>, abgerufen am 16.02.2025. |