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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Wird für sie auch Trost haben. Wir wollen für sie
beten... Ach, ich weis, wies mir gieng! Jch war
in Freyburg, als mein Vater starb; wir waren
sieben Waisen. -- Aber Gott hat keins von uns
verlassen; keins! und mich am wenigsten... Faß
er sich, mein lieber Siegwart! Vielleicht hilft Gott
noch... Hoff ers zu dem Vater aller Waisen! --

Sie kehrten nun wieder nach der Stadt zurück.
Siegwart sprach wenig, und schluchzte nur zuweilen.
Der Betteljunge stand wieder am Wege. Da hast
du noch was, sagte Siegwart, und gab ihm einen
Sechsbätzner. Jn der Stadt lief er sogleich zum
Arzt, um sich nach seines Vaters Umständen zu er-
kundigen. Der Arzt zuckte die Achseln. Es ist
so so, sagte er. Jch ward aus dem Haus ihres
Vaters auf ein andres Dorf geholt zu einem Predi-
ger, und konnte die Krisin nicht abwarten. Wir
müssen sehen. Uebermorgen komm ich wieder hin-
aus. O lieber Herr Doktor, sagte Siegwart, Mor-
gen! Jch bitte Sie bey allem, was heilig ist, reiten
Sie doch Morgen hinaus! Thun Sie, was sie können!
Retten Sie, retten Sie meinen Vater! Der Doktor
machte Entschuldigungen, daß er Morgen viel zu thun
habe; versprach aber doch, gegen Abend hinaus zu rei-

K k



Wird fuͤr ſie auch Troſt haben. Wir wollen fuͤr ſie
beten… Ach, ich weis, wies mir gieng! Jch war
in Freyburg, als mein Vater ſtarb; wir waren
ſieben Waiſen. — Aber Gott hat keins von uns
verlaſſen; keins! und mich am wenigſten… Faß
er ſich, mein lieber Siegwart! Vielleicht hilft Gott
noch… Hoff ers zu dem Vater aller Waiſen! —

Sie kehrten nun wieder nach der Stadt zuruͤck.
Siegwart ſprach wenig, und ſchluchzte nur zuweilen.
Der Betteljunge ſtand wieder am Wege. Da haſt
du noch was, ſagte Siegwart, und gab ihm einen
Sechsbaͤtzner. Jn der Stadt lief er ſogleich zum
Arzt, um ſich nach ſeines Vaters Umſtaͤnden zu er-
kundigen. Der Arzt zuckte die Achſeln. Es iſt
ſo ſo, ſagte er. Jch ward aus dem Haus ihres
Vaters auf ein andres Dorf geholt zu einem Predi-
ger, und konnte die Kriſin nicht abwarten. Wir
muͤſſen ſehen. Uebermorgen komm ich wieder hin-
aus. O lieber Herr Doktor, ſagte Siegwart, Mor-
gen! Jch bitte Sie bey allem, was heilig iſt, reiten
Sie doch Morgen hinaus! Thun Sie, was ſie koͤnnen!
Retten Sie, retten Sie meinen Vater! Der Doktor
machte Entſchuldigungen, daß er Morgen viel zu thun
habe; verſprach aber doch, gegen Abend hinaus zu rei-

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[505/0085] Wird fuͤr ſie auch Troſt haben. Wir wollen fuͤr ſie beten… Ach, ich weis, wies mir gieng! Jch war in Freyburg, als mein Vater ſtarb; wir waren ſieben Waiſen. — Aber Gott hat keins von uns verlaſſen; keins! und mich am wenigſten… Faß er ſich, mein lieber Siegwart! Vielleicht hilft Gott noch… Hoff ers zu dem Vater aller Waiſen! — Sie kehrten nun wieder nach der Stadt zuruͤck. Siegwart ſprach wenig, und ſchluchzte nur zuweilen. Der Betteljunge ſtand wieder am Wege. Da haſt du noch was, ſagte Siegwart, und gab ihm einen Sechsbaͤtzner. Jn der Stadt lief er ſogleich zum Arzt, um ſich nach ſeines Vaters Umſtaͤnden zu er- kundigen. Der Arzt zuckte die Achſeln. Es iſt ſo ſo, ſagte er. Jch ward aus dem Haus ihres Vaters auf ein andres Dorf geholt zu einem Predi- ger, und konnte die Kriſin nicht abwarten. Wir muͤſſen ſehen. Uebermorgen komm ich wieder hin- aus. O lieber Herr Doktor, ſagte Siegwart, Mor- gen! Jch bitte Sie bey allem, was heilig iſt, reiten Sie doch Morgen hinaus! Thun Sie, was ſie koͤnnen! Retten Sie, retten Sie meinen Vater! Der Doktor machte Entſchuldigungen, daß er Morgen viel zu thun habe; verſprach aber doch, gegen Abend hinaus zu rei- K k

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/85>, abgerufen am 21.11.2024.